Nach Festsetzung in der Türkei: ARD-Korrespondent fordert Aufklärung
Der in der Türkei festgesetzte ARD-Korrespondent Volker Schwenck fordert nach seiner Rückkehr in Kairo rasche Klärung des Vorfalls. Die SPD drängt Merkel dazu, bei ihrem Türkeibesuch am Samstag die Presse- und Meinungsfreiheit anzusprechen. Die ARD will weiter aus dem Grenzgebiet zu Syrien berichten.
Der am Dienstag in der Türkei festgesetzte ARD-Korrespondent Volker Schwenck drängt auf Klärung des Vorfalls. Dem beim SWR angestellte Journalist und Leiter des ARD-Büros in Kairo war am Dienstag die Einreise in die Türkei verwehrt worden. Schwenck wollte von Istanbul aus weiter ins türkisch-syrische Grenzgebiet reisen, um dort mit Flüchtlingen zu reden. Statt dessen wurde er zwölf Stunden lang auf der Polizeistation des Flughafens festgehalten, bevor er zurück nach Ägypten fliegen konnte. „Ich bin jetzt wieder in Kairo zurück und habe großes Interesse, dass die Sache geklärt wird“, sagte der ARD-Korrespondent am Dienstagabend in der ARD-Sendung „tagesthemen“.
Nach Angaben der türkischen Regierung ist dem ARD-Korrespondenten aus „Sicherheitsgründen“ die Einreise verweigert worden. Der stellvertretende Ministerpräsident Numan Kurtulmus erklärte zudem am Mittwoch, dass Schwenck keine Presseakkreditierung für die Türkei besessen habe. In der Türkei müssen ausländische Korrespondenten bei der - der Regierung unterstellten - Generaldirektion für Presse und Information eine Akkreditierung beantragen, um arbeiten zu dürfen. Eine solche Akkreditierung ist auch in anderen Staaten üblich.
Der Fall Schwenck war auch Thema auf der ARD-Hauptversammlung der Intendanten in Potsdam. "Wir haben noch keine abschließende juristische Bewertung", sagte Kai Gniffke, erster Chefredakteur ARD aktuell. Schwenck sei sich keiner Verfehlung bewusst. Er habe auch schon mehrfach ohne Akkreditierung im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien arbeiten können. Konsequenzen für die Flüchtlings-Berichterstattung der ARD habe die Geschichte nicht, so Gniffke. "Das werden wir weiter wahrnehmen."
„Für die Berichterstattung aus Syrien ist für uns absolut notwendig, dass wir in die Türkei reisen können“, sagte Schwenk in dem Telefoninterview mit „tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga weiter. „Das müssen jetzt die Juristen genauer klären, was genau mir vorgeworfen wird“, sagte Schwenck, der bereits mehrfach nach der Einreise in der Türkei aus dem Norden Syriens berichtet hatte. Die Türkei hat solche Reisen lange geduldet oder sogar erlaubt. Inzwischen werden sie als illegale Grenzübertritte gewertet.
Warum genau er festgesetzt wurde, sei ihm nicht mitgeteilt worden, berichtet der Journalist. Er habe bei der Einreise einen Vordruck ausgehändigt bekommen. Kollegen in Istanbul hätten herausgefunden, dass der dort aufgeführte Paragraph „irgendetwas mit Grenzverletzung zu tun“ habe. „Mehr wurde mir nicht mitgeteilt.“ Kritik an der Polizei übte er in dem Telefoninterview nicht: „Die Polizeibeamten in Istanbul haben mich anständig behandelt. Ich konnte mich in der Polizeistation frei bewegen, sie aber nicht verlassen“. Ein Zusammenhang zur Satire-Affäre um ZDF-Moderator Jan Böhmermann wird nicht gesehen.
Die Festsetzung des ARD-Korrespondenten war am Dienstag einhellig kritisiert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, erklärte, die Bundesregierung sehe den Vorgang „mit gewisser Sorge“. Das Auswärtige Amt sei in ständigem Kontakt mit allen notwendigen Stellen und setze sich auch dafür ein, dass die Arbeitsfähigkeit des Journalisten schnell wieder hergestellt werde. Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, forderte am Mittwoch ebenfalls rasche Aufklärung: „Warum ARD-Korrespondent festgehalten wurde, muss dringend aufgeklärt werden. Die Pressefreiheit ist Grundlage jeder demokratischen Kultur“, schrieb er via Twitter.
Die Repressionen gegen Journalisten haben in der Türkei weiter zugenommen, wie die am Dienstag veröffentlichte Rangliste der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen ergibt. Die Türkei kommt in diesem Jahr knapp hinter Tadschikistan auf Platz 151 (zuletzt Platz 149) von 180 Staaten.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat die Bundeskanzlerin aufgefordert, bei ihrem Türkeibesuch am Samstag die Presse- und Meinungsfreiheit ungeachtet des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei anzusprechen. „Die Türkei hat ganz offenkundig ein gebrochenes Verhältnis zur Pressefreiheit“, sagte Oppermann am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. Das Land habe sich zu einer autoritären Demokratie entwickelt, in der Pressefreiheit und Meinungsfreiheit keinen angemessenen Stellenwert mehr haben. Merkel müsse daher „Herrn Erdogan klarmachen: So kann das nicht weitergehen“.
ARD-Intendanten bestätigen Zamperoni als Roth-Nachfolger
Weiterer Punkt der ARD-Intendantentagung in Potsdam: die Personalie Ingo Zamperoni. Der 41-Jährige wurde als Nachfolger von Thomas Roth bei den "Tagesthemen" bestätigt. Zamperoni steigt am 1.10. als Anchorman in Hamburg ein, im Wechsel mit Caren Miosga. Weniger harmonisch geht es in Sachen Finanzbedarf zu. Die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), den Rundfunkbeitrag 2017 von 17,50 Euro auf 17,20 Euro zu senken, sieht die ARD weiterhin kritisch.
„Statt den Beitrag abzusenken sollte eine Rücklage gebildet werden, aus der ein späterer Mehrbedarf zumindest teilweise gedeckt werden könnte“, sagte Steffen Flath, Vorsitzender der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK). Die KEF habe nicht alle Programmaufwendungen, „die wir haben und haben wollen“ erfasst, fügte die ARD-Vorsitzende Karola Wille hinzu.
Geld genug für das neue „Junge Angebot“ von ARD und ZDF für die junge Zielgruppe gibt es auf jeden Fall. Es soll zum 1. Oktober offiziell online gehen und 43,7 Millionen Euro kosten, so Wille. Einen Namen für das Projekt gibt es noch nicht, dafür aber schon mal ein Werkstatt-Blog unter der jungesangebotvonardundzdf.de. Für das junge Publikum interessant dürfte auch die Serie "Babylon Berlin" sein. Die Finanzierung für die Co-Produktion von ARD/Degeto, X Filme, Beta Film und Sky unter der Regie von Tom Tykwer nach den Berlin-Romanen von Volker Kutscher steht jetzt, sagte RBB-Intendantin Dagmar Reim. Zwei Staffeln entstehen zwischen Mai und Dezember in den Außenkulissen in Potsdam-Babelsberg. Ausgestrahlt wird "Babylon Berlin" von Sky und ARD 2017/2018.