Ladykracher: Anke Engelke moderiert einen Kulturtalk
Ladykracher, Zirkusdirektorin: Als wäre das nicht genug, wagt sich Anke Engelke jetzt an eine Kulturtalkshow im WDR.
Seit dem Dauererfolg der Sketch-Reihe „Ladykracher“ bei Sat 1 wissen es alle: Anke Engelke ist eine Verwandlungskünstlerin. Eben noch mimt sie das blonde Dummchen Ulla und zwar so, dass es einem die Schuhe auszieht, gleich darauf dann ist sie die Neunmalkluge, die sich nix sagen lässt. Erinnert sich noch jemand an Rickis Popsofa? Da war Engelke die Inkarnation einer Superdoofen, die es ins Showbiz verschlagen hatte, und sie ließ einen Geist aus der Flasche: den Geist des (neuen) Showbiz. Doch nicht nur Mimik und Charakter wechselt Anke Engelke radikal, auch Stimme und Diktion. Sie kann richtig gut Kölsch, kein Wunder, denn sie ist in Kölle aufgewachsen. Aber woher hat sie das Russlanddeutsche? Muss sie sich drauf geschafft haben.
Das Sich-Verwandeln und dieser Jux mit verstellter Stimme, Perücken und ausgestopften Bäuchen gilt nicht viel, ist als infantil verschrien. Und das ist ganz falsch. Komik ohne Zuschuss aus dem Reich der Kinderkasperei ist unvollständig, ist anstrengend, und anstrengend ist Engelke, im Gegensatz zu etlichen ihrer Kollegen, niemals. Ihr Witz und ihr Humor sind manchmal hart und schwarz, aber immer köstlich. Wenn sie mit Babys wirft, wenn sie Vögler ins Haus holt, wenn sie sich am Gemächt eines Badegastes festsaugt, dann ist das echt krass, aber wunderbarerweise immer entlastend, ganz so wie es sein soll. Irgendwo gibt's immer einen Clou, der dafür sorgt, dass sich der Zuschauer beim Lachen befreit fühlt. Wie Engelke das hinbekommt, soll ihr Geheimnis bleiben. Sie macht es bravourös.
Anke Engelke sagt, sie sei naiv
Kürzlich sagte sie in einem Interview, sie sei naiv. Eigentlich kann und darf das ja kein Mensch von sich sagen, denn dann ist er es schon nicht mehr. Doch der Kontext des Interviews macht klar, wie sie es meint: im Sinn von unbefangen. Vielleicht auch von spontan. Sie macht einfach. Und dann lachen wir. Die Sketch-Komik ist manchmal brachial, dabei aber selten einfach nur parodistisch, sondern absurd, sie stellt auf subtile Weise die Welt auf den Kopf, respektive wir Zuschauer sehen die Welt plötzlich verkehrt herum, und das ist witzig, erhellend, poetisch, befreiend.
Engelke kann mehr als sich verwandeln. Sie kann auch gut sie selbst sein. So als Moderatorin großer Events. Zwar behauptet sie, dass sie auch als Moderatorin bloß eine Schauspielerin sei, die eine Moderatorin spiele, aber das kann nicht stimmen. Eine Moderation von etwa Eurovision Contest oder Verleihung des Deutschen Fernsehpreises gelingt nur, wenn die Zirkusdirektorin mit dem riesigen Publikum kommuniziert. Das tut man nicht einfach dadurch, dass man vorne steht und Texte vorträgt. Für diese Art von Kommunikation bedarf es einer Präsenz, die angeboren sein muss, für die man aber auch zu üben hat. Als Engelke 2004 bei der Late Night scheiterte, war sie vielleicht einfach noch nicht so weit. Heute würde sie wahrscheinlich weniger machen und mehr gewinnen – einmal, weil ihr Erfahrungsschatz gewachsen ist, zum anderen, weil Frauen im Mittelpunkt heute schon normaler sind als vor einem knappen Jahrzehnt. Man wertet sie nicht mehr so leicht vorweg ab, nur weil Weiblichkeit noch so gelesen wird, als gehöre die nicht auf die große Bühne. Das ist vorbei, und neben Angela Merkel hat Anke Engelke eine wichtige Rolle bei diesem Wandel gespielt: dass Frauen und Großraum zusammenpassen.
Wer weiß, was bei der Engelke noch kommt. Als nächstes am Samstag jedenfalls die neue „Kulturshow“ auf den Spuren Helge Schneiders: „Anke hat Zeit“ im WDR. Bei diesem Format wird sie in kleinem Rahmen sie selbst sein müssen, und das ist viel schwerer als im großen. Denn man kann nicht dem Mikrophon, dem Glamour und dem eigenen Bekanntheitsgrad einen Teil der Verantwortung überlassen, man muss alles selber tun. Die großen Entertainer, von Jauch über Gottschalk bis zu Engelke, müssen alle den goldenen Schnitt finden, in dem ihr Ego samt Selbstkritik und Eitelkeit sich mit der Verführung des Publikums verträgt, aber auch mit der Verpflichtung, es herauszufordern.
Der Rahmen ist dabei wichtig. Gottschalk ist am kleinen gescheitert, Jauch hat sich den mittleren erobert und Engelke sich beim großen bewährt. Mal sehen, wie es jetzt beim kleinen klappt. Wenn’s schiefgeht, wird es nicht an ihr gelegen haben, sondern am Format, bei dem die Grenze zwischen privatem Schnack und Fernsehen schnell verschwimmt, was immer heikel ist.
„Anke hat Zeit“, WDR-Fernsehen, Samstag, 22 Uhr 45
Barbara Sichtermann
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