Interview: "An der Kanzlerin perlt alles ab"
Am Dienstag läuft Deutschlands erfolgreichste Kabarettsendung mit neuem Gespann: Urban Priol und Frank-Markus Barwasser über "Neues aus der Anstalt", Zonenwachteln und Frauenhumor.
Herr Barwasser, mit welchen Erwartungen betreten Sie heute Abend die Anstalt?
Barwasser: Es ist wohl eher die Frage: Welche Erwartungen hat die Anstalt an mich? Ich hoffe sehr und glaube daran, dass sich da nicht zwei Solisten treffen, die so tun, als wären Sie ein Duo, sondern, dass aus uns ein echtes Duo wird. Dazu gehört, dass man dem anderen mal den Vortritt lässt. Diese Eigenschaft haben Urban Priol und ich.
Sie waren ja schon häufiger in Ihrer Paraderolle als Erwin Pelzig mit dem Cordhütchen zu Gast.
Barwasser: Ja, da muss ich der Anstalt wirklich ein Kompliment machen: Es gibt kaum eine Sendung, in die man als Gast so sehr integriert wird, wenn man das will. Das hat mich immer überzeugt und macht den Charme der Anstalt aus.
Wie groß sind die Fußstapfen, in die Sie als Georg Schramms Nachfolger treten?
Barwasser: Hätte Georg Schramm selbst – neben Urban Priol – nicht größten Wert darauf gelegt, dass ich sein Nachfolger werde, dann hätte ich es sicher nicht gemacht. Da ich einen sehr eigenen Stil habe, werde ich bestimmt nicht in Verdacht geraten, Georg Schramm zu kopieren. Aber man muss uns auch eine gewisse Entwicklungszeit zugestehen.
Georg Schramm hat als Patientensprecher mit dem Säbel gefochten. Haben wir bei Ihnen als Fachkraft für Öffentlichkeitsarbeit eher mit dem Florett zu rechnen?
Barwasser: Ja, obwohl der Pelzig den Säbel durchaus zücken kann. Als Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation auf Stundenbasis hat er zwischendurch auch ehrliche Momente. Ich stelle mir vor, dass er manchmal in seinem fensterlosen Büro auf die interne Kommunikation keine Lust mehr hat, also genau das Gegenteil macht. Ich finde, das ist eine Arbeit, die super zu ihm passt: Konfliktfelder und Kompetenzüberschreitungen sind vorgesehen.
War Pelzigs neue Stelle Ihre gemeinsame Idee?
Priol: Frank-Markus hat das vorgeschlagen. Ich fand, das klingt gut. Dadurch haben wir einen Link in die Außenwelt, wenn er die Anstalt nach außen vertreten muss. Da wird es natürlich schöne Spannungsfelder geben.
Dabei denkt man an Steffen Seibert, der kürzlich vom ZDF wegging, um Regierungssprecher zu werden.
Priol: Genau – das kommt alles mit rein.
Barwasser: Pelzig könnte zum Beispiel immer übersetzen, was der Regierungssprecher gesagt hat und wie es gemeint war. Es war ein Riesenzufall, dass der bisherige Regierungssprecher Wilhelm Intendant beim BR wird, den ich jetzt verlasse, um zum ZDF zu gehen, das wiederum vom jetzigen Regierungssprecher Seibert verlassen wurde. Pelzig würde sagen: „Das muss eine Füüchung sein.“
Herr Priol, lassen sich Teilzeitkräfte besonders gut drangsalieren?
Priol: Ja, so wie Georg Schramm als Patientensprecher. Georg durfte schließlich auch raus. Pelzig kommt jetzt zwar freiwillig rein, kommt aber auch öfters raus, während ich mich mehr und mehr drinnen aufhalte. Ich will schon gar nicht mehr raus!
Herr Barwasser, Sie haben Ihre berufliche Laufbahn als Reporter beim Bayerischen Rundfunk begonnen. Inwieweit agieren Sie auch als Kabarettist journalistisch?
Barwasser: Meine Arbeitsweise für jede Art von Kabarett ist eine journalistische: Die Fakten sollten stimmen. Ich halte es als Pelzig auch einmal aus, wenn eine Minute lang nicht gelacht wird, weil ich etwas erkläre. Pelzig ist ja so ein Welterklärer. Jede Kritik setzt voraus, dass die Fakten stimmen.
Herr Priol, welchen Anteil nimmt die Anstalt in Ihrem persönlichen Leben ein?
Priol: Einen sehr, sehr großen. Den Arbeitsaufwand haben wir am Anfang wirklich unterschätzt, aber ich arbeite ja auch ganz gern. Georg Schramm und ich haben damals recht schnell gemerkt, dass es nicht geht, zu sagen: Wir treffen uns am Wochenende und bereiten die Sendung vor. Wenn man es qualitativ gut machen will, geht ein Drittel des Monats dafür drauf: fürs Vorbereiten, Ideensammeln, Zusammentelefonieren, Abgleichen der Texte. Aber es ist ein sehr schöner kreativer Prozess. Und da ich meistens mit meinem Soloprogramm unterwegs bin, macht es viel Spaß, sich in der Anstalt gegenseitig die Bälle zuzuwerfen.
War das Format ursprünglich Ihre Idee?
Priol: Nein, die Idee einer tagespsychiatrischen Klinik als Handlungsort stammt von Georg Schramm, der Psychologie studiert hat. Es war ganz witzig, weil uns das ZDF unabhängig voneinander angefragt hatte. Das Konzept haben wir dann gemeinsam erarbeitet.
Sie decken mit der Sendung viele einschlägige Phänomene ab. Stichwort Trauma: Ist die Bundestagswahl vom 27. September 2009 eines für Sie?
Priol: Ja, natürlich. Wir hätten uns vor gut einem Jahr nicht im Traum ausgemalt, wie sich diese bürgerliche Mehrheit selbst zerlegt. Natürlich bietet der Rahmen der Anstalt ein wunderbares Podium. Du kannst alles abhandeln. Im Zweifelsfall, wenn es zu dick kommt, kann man immer sagen: Was soll’s, es sind eh alles Verrückte.
Hat die Bundeskanzlerin eigentlich schon einmal auf die von Ihnen gewählte Bezeichnung „Zonenwachtel“ reagiert?
Priol: Es gab nur Beschwerden von Bewohnern der neuen Länder, die sagten: Wir wollen nicht mit ihr in einen Topf geworfen werden, wir sind ganz anders. Aber an der Kanzlerin perlt eh alles ab.
Welche Impulse erwarten Sie von dem Würzburger Frank-Markus Barwasser, wird die Anstalt jetzt ein unterfränkisches Joint-Venture?
Priol: Das ist reiner Zufall, ein unterfränkischer Komödienstadel wird es auf keinen Fall. Es geht mir um den Kopf, und wir sind ja ganz unterschiedliche Franken. Ich werde als Aschaffenburger ohnehin immer den Hessen zugeordnet. Es wird andere Möglichkeiten des Zusammenspiels geben. An der Bissfreude wird sich nichts ändern.
Herr Barwasser, droht Erwin Pelzig nicht eine Persönlichkeitsspaltung, wenn er ab Februar 2011 zusätzlich eine eigene Talkshow im ZDF übernimmt?
Barwasser: Das glaube ich nicht, denn es handelt sich um völlig unterschiedliche Dinge. In der Anstalt stehen das Solo und der Dialog im Vordergrund, in meiner Sendung dagegen ist der Schwerpunkt ganz klar das Gespräch mit dem Gast.
Wie kommt es eigentlich, dass nur so wenige Frauen in der Anstalt auftreten?
Priol: Ich weiß es nicht. Ich freue mich immer, wenn mehrheitlich Frauen im Publikum sind, weil sie einen wahnsinnig schnellen und spontanen Humor haben. Nur mit der Umsetzung in aktiven Humor tun sich viele schwer. Wir arbeiten zum Beispiel sehr gerne mit Monika Gruber zusammen und hoffen händeringend, dass sich da mehr tut.
Das Gespräch führte Katrin Hillgruber.
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