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Märchenstunde. Willow (Alyson Hannigan, links) liest ihrer Freundin Buffy (Sarah Michelle Gellar) vor. Die Serie „Buffy“ läuft im Programm von Sixx.
© Sixx

Fernsehserien zu Weihnachten: Am Ende fällt Schnee

Einmal im Jahr drehen amerikanische Fernsehserien an der Weihnachtsstellschraube. Das geht dem deutschen Serienfernsehen leider ab.

Was machst du zu Weihnachten?, fragt Willow ihre Freundin Buffy. Nichts Besonderes, sagt sie – Weihnachtsbaum, Braten, Punsch, ruhiger Abend mit Muttern. Und dann unterhält sich die Vampirjägerin mit ihrer Hexenfreundin darüber, ob ihr Vampir-Lover nicht vielleicht eine Winterdepression hat. Was man eben so redet, kurz vor den Feiertagen. Bevor es jedoch besinnlich werden kann, muss Buffy erst noch die Hohepriester des absoluten Bösen besiegen. Am Ende schneit es im kalifornischen Sunnydale, und alles ist erst mal gut.

Einmal im Jahr drehen amerikanische Fernsehserien an der Weihnachtsstellschraube. Dann jagen Vampirjäger neben Dämonen auch die richtigen Geschenke für ihre Lieben, Detektive ermitteln zwischen Lametta – und die Friends dieser Welt rücken in ihren Sitcoms noch ein wenig enger zusammen. Auf diese Weihnachtsfolgen freue ich mich seit Jahren jedes Weihnachten, darauf fast so sehr wie als Achtjähriger auf Weihnachten selbst.

In Deutschland gibt es diese Tradition nicht. Hier scheint das Weihnachtsprogramm primär aus Variationen von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ zu bestehen. Wer Innovation will, muss sich an die Amerikaner wenden.

In „Castle“ ermittelt der Autor Richard Castle mit seiner Partnerin Kate Beckett im Mordfall eines Weihnachtsmanns, der in einem New Yorker Park direkt neben eine spazierende Familie auf die Erde gekracht ist. In „Scrubs“ schieben die jungen Ärzte ihre erste Weihnachtsschicht.

„Make Advent great again.“

Das habe, erklärt Drehbuchautor Stefan Stuckmann, Erfinder der Sitcom „Eichwald, MdB“, vor allem mit den Produktionsbedingungen in den USA zu tun. Es habe sich dort so eingespielt, dass die Staffeln nach der Sommerpause über Weihnachten bis ins neue Jahr liefen. Über die Jahrzehnte sind die Weihnachtsfolgen so zu einer Tradition geworden; auf Wikipedia gibt es eine Liste aller Weihnachtsfolgen von US-Fernsehserien. Ausgedruckt ist sie 63 Seiten lang. Bei so viel Angebot scheine ich mit meiner Obsession also nicht alleine zu sein.

Dass sie ein wenig problematisch ist, weiß ich selbst. Es gibt mehr als genug Gründe, die Art, wie Weihnachten heute gefeiert wird, zu kritisieren. Weihnachten ist laut, überfrachtet und viel zu golden. Wäre das Fest ein Mensch, es wäre wohl gerade zum Präsidenten der USA gewählt worden. „Make Advent great again.“

Aber es sind nicht die materiellen Dinge, warum ich Fan der Weihnachtsfolgen bin. Wichtig ist, was am Ende der Weihnachtsfolgen passiert.

Bei „Buffy“ zum Beispiel wandern die Vampirjägerin und der Vampir Angel durch Sunnydale und von seiner Winterdepression ist nichts mehr zu spüren. Castle feiert sein erstes Weihnachten mit der Polizistin Kate, die nebenbei auch seine Freundin ist, die Ärzte von „Scrubs“ bringen unter einem Weihnachtsbaum vor dem Krankenhaus ein Baby zur Welt - und am Ende fällt Schnee.

Klingt kitschig? Absolut. Aber das ist nicht schlimm: Was am Ende aller Weihnachtsfolgen steht, ist der Gedanke vom endgültigen Happy End. Das endgültige Happy End – oder der Wunsch danach – ist der Zielpunkt, an dem, wenn auch nur für den Moment, alles gut ist. Die Serienwelt mit ihren Notwendigkeiten – Verbrechen aufklären, Dämonen jagen, Kranke heilen – steht für einen Moment still.

Der Wunsch nach dem endgültigen Happy End, der in den Weihnachtsfolgen zum Ausdruck kommt, hat etwas Revolutionäres. Ernst Bloch, deutscher Marxist und Philosoph, schreibt in seinem Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ vom Verlangen des Menschen nach absoluter Perfektion. Dieses Verlangen nach einem Zustand, in dem man nichts mehr wollen muss, weil alles gut ist, stellt, wenn man Bloch glauben darf, eine positive Utopie dar. Bloch findet diese utopischen Träume in Gedichten und Märchen. Und wäre er nicht 1977 gestorben, er hätte sie wohl auch in den Weihnachtsfolgen von Fernsehserien entdeckt.

Konsumwahnsinn, Musik, Lamettaexzess – fast alles an Weihnachten lässt sich ironisieren. Das Grundgefühl jedoch, im Winter Zeit mit Menschen verbringen zu wollen, die man kennt und mag, ohne Ängste, ohne langes Nachdenken; dieser Wunsch nach einer friedlichen Zeit lässt keine Ironie, keinen Sarkasmus zu. Bloch würde wohl sagen, dass genau darin die Erwartung der absoluten Perfektion liegt.

Und am Ende des Jahres 2016, wenige Tage nach dem Anschlag in Berlin, wenige Wochen vor der Einleitung des Brexit und wenige Monate vor der Bundestagswahl, kann man sich den Glauben an diese Utopie erlauben, denke ich. Wenigstens für die Länge einer Fernsehserie.

Johannes Laubmeier

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