Sarah und Jürgen Kuttner: „Alter Sack und junges Huhn“
Wie Vater und Tochter Kuttner gemeinsam eine Show bei Radio Eins moderieren wollen
Vom 18. November an moderieren Sie zusammen auf Radio Eins eine wöchentliche Sendung. Dass Vater und Tochter gemeinsame Sache machen, ist ein Novum in der deutschen Unterhaltungsbranche. Wie kam es dazu?
JÜRGEN KUTTNER: In gewisser Weise lag es in der Luft. Ich habe mich manchmal gewundert, dass nicht jemand zuvor die Idee hatte. Aber weil es so was bislang nicht gibt, und man das auch nicht als Konzept einkaufen kann auf der Unterhaltungsmesse in Toronto, kam da keiner drauf.
SARAH KUTTNER: Es war eigentlich schon jahrelang ein Thema zwischen uns, etwas zusammen zu machen. Nur war ich mir immer unsicher. Es ist ja auch nicht immer supereinfach, mit einem Verwandten zu arbeiten.
Was ist das Konzept der Sendung?
JÜRGEN KUTTNER: Wir beide unterhalten uns. Ich finde die Konstellation ganz gut: Mann – Frau, alter Sack – junges Huhn, Vater – Tochter.
SARAH KUTTNER: Wir werden über ganz alltägliche Themen reden. Zum Beispiel über Liebe, Jungs, Ernährung, einfach alles.
Manche Sachen will man aber doch gar nicht mit den Eltern besprechen.
SARAH KUTTNER: Wir haben keine klassische Vater-Tochter-Beziehung. Außerdem sind wir beide erwachsen genug, um über Sex oder Liebe zu reden.
Herr Kuttner, fast 15 Jahre haben Sie Ihre Talksendung auf Radio Fritz moderiert. Hatten Sie genug vom Jugendradio und wollten sich nun bewusst neu orientieren?
JÜRGEN KUTTNER: Die Überlegung, zu Radio Eins zu wechseln, hatte ich schon eine Weile im Kopf. Ich war diesbezüglich immer sehr zerrissen und bin es eigentlich heute noch, weil ich auch sehr stolz darauf war, so eine Sendung so lang gemacht zu haben. Es war natürlich manchmal schwierig, mit 16-jährigen Anrufern zu reden, weil da wenig Erfahrungsschnittmenge besteht. Andererseits war es aber auch cool zu merken, dass es für die wichtig war, sich mit mir zu unterhalten.
Frau Kuttner, vor einem Jahr wurde Ihre „Sarah Kuttner Show“ auf MTV abgesetzt. Wie haben Sie die Zeit danach erlebt?
SARAH KUTTNER: Die ersten Wochen nach dem Ende war ich mit dem Nichtstun überfordert. Inzwischen gefällt es mir aber wahnsinnig gut, wenig zu machen. Für meine Lesungen habe ich ein Best-of aus den Sendungen vorbereitet und sehe so nach langer Zeit wieder mal Ausschnitte an. Zwischendurch habe ich manchmal dem Feind geglaubt und daran gezweifelt, ob das wirklich gut war, was wir da gemacht haben. Aber dann stelle fest: Das war sehr wohl oft total gut, lustig und wertig.
Sie bezeichnen sich selbst als Menschen mit großem Sicherheitsbedürfnis, auch was das Finanzielle angeht. Wurden Sie im zurückliegenden Jahr manchmal nervös?
SARAH KUTTNER: Ich hatte gegen Ende der Sendung verhältnismäßig viel gespart, auch durch mein Buch und die Lesungen. Wegen dieses Polsters musste ich mir keine Sorgen machen. Aber es stimmt schon: Ich fühle mich wohler, wenn ich meine Miete nicht von meinem Sparkonto nehmen muss, sondern sie monatlich selbst verdiene.
Haben Sie sich als Vater verpflichtet gefühlt, Ihrer Tochter bei der Jobsuche behilflich zu sein?
JÜRGEN KUTTNER: Nein, die neue Sendung dient nicht der Resozialisierung und ist auch keine pädagogische Maßnahme.
SARAH KUTTNER: Ich hänge ja nicht zu Hause rum und bohre in der Nase ohne etwas zu tun. Ich war zum Beispiel auf Lesetour, hatte Synchronisationsaufträge und Bühnenmoderationen. Ich arbeite nur einfach zurzeit nicht regelmäßig und für alle sichtbar im Fernsehen.
Herr Kuttner, Sie haben in den 90ern beim damaligen TV-Sender ORB eine Talksendung moderiert. Wäre das heute für Sie noch eine Option?
JÜRGEN KUTTNER: Fernsehen hat mir schon Spaß gemacht. Wobei ich immer das Gefühl habe, dass es die Leute auch korrupt macht, wenn man viel Geld verdient und sich für total wichtig hält, bloß weil man auf dem Bildschirm zu sehen ist. Deshalb begreife ich diesen Fernseh-Zirkus nicht. Die sind alle so doof. Ich verstehe zum Beispiel nicht, dass so eine Sendung, wie Sarah sie gemacht hat, nicht sofort von den Öffentlich-Rechtlichen übernommen wurde. Das war eine coole Show mit einer Frau, die funktioniert.
Fehlen Ihnen die Fernsehkameras, Frau Kuttner?
SARAH KUTTNER: Ich habe gerne Fernsehen gemacht, das ist mein Job. Deshalb arbeite ich daran, dies auch weiterhin zu tun. Aber ich würde lieber nicht fürs Fernsehen arbeiten, als dort irgendeinen Mist zu machen.
Wurden Ihnen denn ABM-Maßnahmen à la Dschungelcamp angeboten?
SARAH KUTTNER: Klar. Ich wurde zum Beispiel gefragt, ob ich den Jakobsweg mitlaufen oder in diesen Panelshows mitmachen will, bei denen es dann um die hundert lustigsten Schlüpfer der 80er Jahre geht. Das habe ich immer wieder freundlich abgelehnt. Dabei muss ich zugeben, dass es mir vermutlich unheimlichen Spaß machen würde, diesen eigenartigen Kram zu kommentieren. Aber das Ergebnis ist dann trotzdem Scheiße, deshalb habe ich das auch nie gewollt.
Ihr ehemaliger Kollege Oliver Pocher macht jetzt eine Show mit Harald Schmidt.
SARAH KUTTNER: Pocher ist privat ein netter Typ. Aber das, was er macht, finde ich leider wirklich nicht gut, nicht lustig und auch nicht besonders neu. Klar könnte man auf den ersten Blick neidisch sein, eine Sendung mit Harald Schmidt klingt schon sehr verlockend. Andererseits: Den Arsch muss man erstmal in der Hose haben, sich das zu trauen.
Ist Ihr Vater für Sie ein Vorbild?
SARAH KUTTNER: Ich habe keine Vorbilder. Ich wollte immer nur das machen, von dem ich glaube, dass ich es kann.
JÜRGEN KUTTNER: Man kann Eltern nicht als Vorbild haben. Früher rührte da ein Teil der Spannungen zwischen uns her, weil wir im selben Bereich tätig waren. Anfangs habe ich sehr misstrauisch beäugt, was meine Tochter macht. Ich habe immer alles besser gewusst, was sie natürlich nicht hören wollte. So eine Sendung wie jetzt ist erst dadurch möglich, dass Sarah inzwischen genügend Selbstbewusstsein hat. Um es mit Ulrich Plenzdorfs Titelheld Edgar Wibeau aus dem Jugendstück „Die neuen Leiden des jungen W.“ zu sagen: „Wenn ich mal groß bin, will ich so sein, wie ich bin, wenn ich groß bin.“ Das ist die einzige Antwort auf die Vorbilddiskussion.
Es wäre Ihnen also auch recht gewesen, wenn Ihre Tochter Archäologin geworden wäre?
JÜRGEN KUTTNER: Klar, ich hätte alles unterstützt. Das Problem war, dass sie nach dem Abitur rumhing und sich dufte fand und einen Fankreis um sich gruppiert hatte, der sie auch dufte fand…
SARAH KUTTNER: … das waren meine Freunde…
JÜRGEN KUTTNER: … ja, aber trotzdem bist du schon so ein bisschen mittelpunktbildend. Ich wollte, dass sie irgendetwas macht, egal was. Deshalb habe ich sie dann auch nach London geprügelt. Ein Freund von mir, Michael Sontheimer, war damals dort „Spiegel“-Korrespondent. Den habe ich gefragt, ob er Sarah nicht ein bisschen beschäftigen könnte, weil sie sich den Arsch in Modeboutiquen abgefroren hat, um Geld zu verdienen. So kam sie zu einem Praktikum und lernte dann endlich, Verantwortung für sich zu übernehmen. Meine große Angst war, dass ich eine verwöhnte Mittelstandsgöre erziehe, die sich darauf beruft, dass ihr Papa im Radio arbeitet. Das hätte mich total angekotzt.
Frau Kuttner, Sie sagten mal, Sie seien kein Familienmensch. Jetzt machen sie eine Sendung mit Ihrem Vater.
SARAH KUTTNER: Da sieht man mal, wie schlimm das ist. Wir treffen uns nicht einfach zum Kaffeetrinken, sondern müssen erst eine Sendung zusammen machen, um uns regelmäßig zu sehen – der beste Beweis dafür, dass ich kein Familienmensch bin. Aber so intim diese Radiosendung auch wird: Sie ist kein Familientreffen, bei dem ich erzählen werde, mit wem ich geknutscht habe oder wie es Mama gerade geht.
Wenn in zwei Wochen im Radio zwei Menschen mit großem Ego und großem Rededrang aufeinandertreffen - wie wird das funktionieren?
JÜRGEN KUTTNER: Großes Ego stimmt nicht, das verwechselt man oft mit der öffentlichen Präsenz.
SARAH KUTTNER: Davon abgesehen, haben wir uns keine Gedanken über eine Rollenverteilung gemacht. Ich glaube, das wäre das Schlimmste. Als ich 2004 mit Jörg Pilawa den Vorentscheid zum Eurovision Song Contest moderiert habe, sollte ich das junge, witzige Ding sein und er der Herr, der so manche Sachen nicht versteht. Das fanden wir beide ganz furchtbar.
JÜRGEN KUTTNER: Wir gehen an die Sendung nicht mit einer bestimmten Rollendefinition ran: die eine von MTV, der andere aus der Philosophenfraktion. Es kann auch nur dann interessant werden, wenn man sich gegenseitig ernst nimmt. Ich habe mal bei Fritz eine Woche lang eine Nachmittagssendung moderiert, bei der mit dem Kollegen ganz genau abgesprochen war, wer wann was sagt. Das ist doch total Kacke. Bei Sarah und mir wird keiner vorweggehen, damit der andere hinterherlatscht.
Haben Sie Ihrem Vater in Vorbereitung auf die Sendung eigentlich Nachhilfeunterricht in Sachen Jugendkultur gegeben?
SARAH KUTTNER: Wir haben im Sommer viel Zeit in Papas Haus in Brandenburg verbracht. Und als gute Tochter mit einem „Intouch“-Abo habe ich ihm immer alle Klatsch-Zeitungen mitgebracht. Inzwischen weiß er, wer Suri ist und was man unter einem It-Girl oder einer On-/Off-Beziehung zu verstehen hat.
JÜRGEN KUTTNER: Und den Rest lerne ich in der Sendung.
Das Gespräch führte Nana Heymann.
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