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Robert Habeck oder Annalena Baerbock stellen sich auf ProSieben den Kandidaten-Fragen.
© imago images/snapshot

Kanzlerkandidaten exklusiv: Ab ins Grüne

Ein Privat-TV-Talk als Ansage für das Wahljahr 2021: Am Montag stellen sich der grüne Kanzlerkandidat oder die grüne Kandidatin exklusiv bei ProSieben.

Fernsehdeutschland funktioniert ja seit Adenauer so: Wenn sich der oder die KanzlerkandidatIn einer großen Partei am Tag der Nominierung abends im Fernsehen präsentiert, gibt es dafür genau zwei Termine: einmal „Was nun...?“ im ZDF und eine größere Fragerunde mit den Berliner ARD-Füchsen im Ersten. Am Montagabend wird neu gewürfelt, abseits der Öffentlich-Rechtlichen. ProSieben geht ins Grüne. Der Privatsender zeigt ab 20 Uhr 15 exklusiv ein ausführliches Gespräch mit Annalena Baerbock oder Robert Habeck. Katrin Bauerfeind und Thilo Mischke interviewen in Berlin die Spitzenkandidatin beziehungsweise den Spitzenkandidaten der Grünen.

Das Wort Medien-Scoop ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Trotzdem viel Staunen, als die Meldung in der vergangenen Wochen aufkam. Und zunächst einmal die Frage, warum die Grünen zuerst groß zu ProSieben gehen. Neue Zielgruppen, neue Wähler? „Wir wollen mit unserem politischen Angebot möglichst viele Menschen erreichen, dort, wo sie sind“, sagt Andreas Kappler, Wahlkampfsprecher der Grünen, dem Tagesspiegel. „Deshalb sprechen wir am Montag mit allen großen Sendern, ob im öffentlich-rechtlichen oder privaten Rundfunk.“

Thilo Mischke
Thilo Mischke
© picture alliance/dpa/ProSieben

Vielleicht freuen sich die Spitzenpolitiker beim Privatfernsehen über smartere Fragen als über die von Chefredakteuren und Hauptstadtkorrespondenten, auch wenn sich zum Profil der neuen Fragesteller womöglich erst mal informiert werden muss („ProSieben Spezial Live. Das Kanzler-Kandidat:in-Interview“, Montag, 20 Uhr 15).

Kein leichter Job für Katrin Bauerfeind, Moderatorin/Schauspielerin, und Thilo Mischke. Letzterer hat sich im Privatfernsehen mit seinen Reportagen über Rechtsextreme einen journalistischen Namen gemacht. Das soll kein Einzelfall bleiben. „ProSieben wird in den nächsten zwölf Monaten den Anteil an Eigenproduktionen in der Prime Time um etwa 20 Prozent erhöhen“, sagt ProSieben-Chef Daniel Rosemann.

Dokus und Reportagen wolle man häufiger um 20 Uhr 15 spielen. „Besonders unsere junge Zuschauer sagen uns auf unterschiedlichen Wegen, dass sie sowohl die Inhalte als auch die besonderen ProSieben-Erzählformen schätzen.“ Gleichzeitig gewinne man damit ältere Zuschauer, die eher selten ProSieben schauen.

Als Antreiber hierbei natürlich: die Bundestagswahl. Die sei so offen wie keine andere. Zum ersten Mal stehe vor der Wahl fest, dass es nach der Wahl einen neuen Kanzler, eine neue Kanzlerin gebe, da sich eine amtierende Kanzlerin nicht zur Wiederwahl stellt. ProSieben werde diese Wahl intensiv begleiten, mit bewährten und neuen Programmen. Das exklusive KandidatIn-Interview sei Auftakt. Über klassische Wahlberichterstattung hinaus, so Rosemann, werden Themen in den Fokus der Berichterstattung rücken, die den Menschen auf der Seele brennen wie das Thema Pflege.

Katrin Bauerfeind
Katrin Bauerfeind
© dpa

Eine ambitionierte Ansage und Richtung, die an der Identität des Privat-TV kratzt. Geht das quotenmäßig auf? Langweilig soll’s ja nicht werden. Diesen Fragen muss sich auch Konkurrent RTL stellen. ProSieben ist nicht der einzige Privatsender, der seine journalistischen Ambitionen voran treibt (und mit Linda Zervakis in Verbindung gebracht wird, die demnächst bei der „Tagesschau“ aufhört).

Der Kölner Sender kündigte ein wochentägliches Nachrichtenmagazin mit Jan Hofer an, ebenso eine zusätzliche Ausgabe von „RTL aktuell“ um 16 Uhr 45. RTL wird anständig, heißt es schon, aber vielleicht ist die Aussortierung von Dieter Bohlen bei „DSDS“ und die Verpflichtung von „Mister Tagesschau“ noch kein Ausweis für die Angleichung an öffentlich-rechtliches Informations-Niveau.

ARD und ZDF müssen sich am Montagabend  jedenfalls mit Auftritten von Baerbock oder Habeck in „Tagesthemen“ und „heute-journal“ begnügen, ohne rituelles „Was nun...?“-Format. Vorher darf bei ProSieben geguckt werden, was Baerbock oder Habeck Exklusives von sich geben. Mehr als je zuvor scheint die Bundestagswahl 2021 eine demokratiepolitische Herausforderung für die Parteien zu sein, deren Wahlkampfmanager sich mit Blick auf veränderte Sehgewohnheiten (Internet, Social Media, Streaming) die Frage stellen müssen: Wo informieren sich die Leute? Wo und wie stellen wir uns auf? Nicht mehr nur bei ARD und ZDF.

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