Von TISCH zu TISCH: Martha’s: Moderne deutsch-asiatische Küche
Entenbrust mit Fleisch-Kaffee-Jus.
Wenn wir mal alles zusammen nehmen, was im vergangenen Jahr über das kulinarische Berlin geschrieben wurde, dann kommen wir zum eindeutigen Ergebnis: Hier wird gerade die Geschichte des Essens neu geschrieben, ach was, hier wird das Essen neu erfunden. Wer sich all die kreativen Wunderköche in ihren wackligen Buden oder Supper Clubs aber näher anschaut, der kommt oft zu einem weniger euphorischen Ergebnis: Mancher kann einfach nicht kochen. Oder zieht seinen Ruhm aus ein oder zwei leicht aufgefrischten Kochbuchklassikern. Oder nicht einmal das: Was ich da neulich auf einer schwer gehypten Szene-Veranstaltung als veganen Vorzeigegang gekostet habe, war kulinarisch indiskutables Gemampf.
Deshalb wird es immer schwerer, Dilettanten und Profis im Vorfeld auseinanderzuhalten, bevor das Essen kommt – man ist ja schon froh, wenn man im Sitzen mit Messer und Gabel essen darf. Beim noch ganz frischen Schöneberger „Martha’s“ war ich mir aber doch recht sicher, weil es hieß, dort seien zwei Köche aus dem „Reinstoff“ am Werk, und das deutet sowohl auf Handwerk als auch auf einen geweiteten Horizont hin.
Und so kam es dann auch. Was mich von Anfang an für dieses Restaurant eingenommen hat, ist der undogmatische Ansatz der Speisekarte. Endlich mal jemand, der nicht die Litanei der Regionalität um jeden Preis betet und weder Wiener Schnitzel noch Königsberger Klopse verkauft, das ist ein Lichtblick. Hier haben wir es mit einer interessanten Mischung aus bodenständiger Deftigkeit und dem Stil des „Reinstoff“ zu tun, und das zu alltagstauglichen Preisen.
Ganz charakteristisch war also das mit Kombu-Tang gebeizte Forellenfilet, in Röllchenform gedreht, auf einer Miso-Vinaigrette. Dazu gab es gebratene und roh marinierte Rüben sowie violette Kartoffelchips für den Knusper (14 Euro). Ebenso originell, wenn auch nicht ganz so zwingend, fiel das „Enten-Sashimi“ aus: rosa gebratene Entenbrust, kalt in dünnen Scheiben, mit einem Fleisch-Kaffee-Jus, Champignons und Brunnenkresse-Püree (14,50). Kalte Entenbrust ist immer zäh und wenig aussagekräftig.
Offenbar gehört es zum Konzept, immer ein Schmorgericht anzubieten. Bei unserem Besuch gab es „Spicy Simmenthaler Rind“, ein sehr gut abgepasstes Stück Schaufelbraten mit dunklem Schmorfond, Curry-Wirsing und einer „Cranberry-Knödelschnitte“. Spicy, na klar, da kam eine Aromenattacke, die keine Nuancen zuließ, aber das ist sicher Geschmackssache (17,50). Sehr viel filigraner war der in, Moment, „Hefe-Wodka-Tempura-Teig“ gebackene Kabeljau, der mit Radieschen und Kartoffelsalat scheinbar dem niederdeutschen Backfisch hinterherschwamm, aber mit einer sehr gelungenen Nori-Remoulade dann doch entlegene Gewässer aufsuchte (20 Euro), äußerst gelungen.
Bei den Desserts geht es stilistisch passend, aber doch inhaltlich verknappt zu. Das Honig-Sorbet auf Apfel-Hafer-Brühe mit Butterkeks-M (6 Euro) war okay, aber ambitionierter schmeckte der Tiroler Bergkäse, attraktiv aufbereitet mit Fichtensprossensirup, Sellerie, Blutampfer und einem herrlich nach Kümmel duftenden, frisch gebackenen Vinschgerl; die unterstützende Creme aus Sellerie und weißer Schokolade war der gewagte, für meinen Geschmack durchaus gelungene Versuch, den notorischen aggressiven Obstsenf durch eine nur mild süße Alternative zu ersetzen (14,50). Dies zeigt die Idee der modernen Spitzenküche, ein gutes Grundprodukt mutig in ein Panorama verschiedener konstrastierender Aromen und Texturen einzubinden, und ist auf diesem Preisniveau für Berlin durchaus neu. Viele gute, preisgünstige Weine.
Neugier: Ich war in diesem interessanten Restaurant sehr kurz nach der Eröffnung – und deshalb nicht verwundert, dass der Service noch knirschte. Schön finde ich die gestalterische Konsequenz, die den Raum mit viel Holz und einer illuminierten Bar ebenso einfach wie wertvoll wirken lässt. Allerdings hoffe ich, dass es nicht bei den billigen Papierservietten bleibt, und dass sie die harten Folterbänkchen an der Längswand noch irgendwie weicher polstern, denn die Filzdeckchen tun es leider nicht ...
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