Berliner Firmenname wird mit neuem Leben gefüllt: Manheimer: Ein dünner Faden
In Berlin wird das Modehaus Manheimer wiederbelebt. Valentin Manheimer war 1839 der Erfinder der Konfektion. An dieses Erbe wollen die Investoren anknüpfen.
„Es ist cool, etwas zu haben, das es schon vorher gab.“ Mit diesem Spruch fasst Lothar Eckstein zusammen, was ihn und seine Mitinvestoren dazu brachte, unter dem Markennamen Manheimer Kleidung zu verkaufen. Valentin Manheimer gründete 1837 mit seinen Brüdern einen der ersten Bekleidungsbetriebe in Berlin. 1889 hatte er die Modeindustrie revolutioniert, zusammen mit Herrmann Gerson gilt er als Erfinder der Konfektion. Manheimer hatte ein Größensystem eingeführt, das es ermöglichte, Kleidung in großen Mengen herzustellen. „Manheimer hatte 8000 Mitarbeiter, so viel wie heute in ganz Berlin in der Mode arbeiten“, ruft Lothar Eckstein begeistert.
Unter diesem Namen Anzüge zu verkaufen, ist aber keineswegs Liebhaberei, sondern als kommerzielles Unterfangen zu verstehen. Jetzt sorgt er also für einen Neustart von Manheimer. Alles fing mit privatem Interesse an. Ein Freund, der Anwalt Matthias Düwel, sammelt historische Marken. „Da sind wir auch über den Hausvogteiplatz gestolpert“, sagt Eckstein. Dort war vor dem Zweiten Weltkrieg das Zentrum der Berliner Modeindustrie, auch Valentin Manheimer hatte hier seinen Stammsitz. Viele Konfektionäre wurden von den Nazis enteignet, vertrieben und deportiert, weil sie Juden waren. Die Firma von Manheimer musste allerdings schon 1932 als Folge der Weltwirtschaftskrise Konkurs anmelden.
Andreas Valentin ist der Ururenkel von Valentin Manheimer
Lothar Eckstein ist sich trotzdem sicher: „Besser eine alte Marke als neu anzufangen.“ Und sie haben auch den richtigen Mann für die Authentizität gefunden. Andreas Valentin ist der Ururenkel von Valentin Manheimer und lebt in Brasilien. Er hat eine bewegte Familiengeschichte, die genug Stoff böte für einen eigenen Text, aber mit der Modedynastie nur am Rande zu tun hat. Seine Urgroßmutter war eine Tochter von Valentin Manheimer, sein Großvater ein angesehener Chefarzt in Hannover, zwischen 1937 und 1938 emigrierte die jüdische Familie nach Brasilien.
Eher zufällig begann sich Andreas Valentin bei einem längeren Berlinaufenthalt mit seiner Familie auseinanderzusetzen. In der Zeitung „Jüdische Allgemeine“ stand ein Artikel über das Unrecht, das den jüdischen Konfektionären unter den Nazis widerfahren war, dazu ein Foto vom ehemaligen Hauptsitz der Manheimers. Das weckte Valentins Neugier. Als Lothar Eckstein Kontakt mit ihm aufnahm und fragte, ob er den Markennamen benutzen dürfe, war Andreas Valentin sofort davon angetan, dass der Name seiner Vorfahren wiederbelebt wird. Auch wenn er sonst keine Anzüge trägt – den von Manheimer führt er am Abend der Präsentation Mitte November mit Stolz vor.
Im prächtigen Saal des ehemaligen Kraftwerks am Halleschen Ufer stehen Models auf Podesten in Manheimer-Anzügen. Spätestens hier wird deutlich: Das ist kein Berlin-Projekt, das nichts kosten darf, sondern eine Investition von fünf Männern, die über Erfahrung in verschiedenen Branchen verfügen. Eckstein ist auch Chef der „Jandorf GmbH“, dazu gehört das Kaufhaus am Weinbergsweg, das 1904 von Adolf Jandorf gebaut wurde. Christian Boros nennt nicht nur eine Agentur und eine Galerie sein Eigen, sondern gibt auch „Die Dame“ heraus, das führende Modemagazin in den zwanziger Jahren. Dazu kommen der Anwalt Matthias Düwel, Produktionsmanager Ingo Brinkmeier, der für Jil Sander und Strenesse arbeitete, und der Geschäftsmann Martin Picherer.
Diese Männer träumen vom alten Glanz. Mit Manheimer wollen sie sich nicht begnügen, jetzt interessieren sie sich auch für alte Markennamen wie Herrmann Gerson. Noch weitere schwirren durch die Fachpresse, die Schuhmarke Breitsprecher, Glas von der Josephinenhütte. Eins ist Eckstein besonders wichtig: „Wir wollen keine nostalgische Marke sein.“ Deshalb wird Manheimer im eigenen Atelier in Wedding und online vertrieben. Bei zwölf Schneidern in Deutschland kann man sich Stoffmuster anschauen, die Anzüge bestellen und ändern lassen. Und sie haben Michael Sontag als Designer engagiert.
Der Berliner Mantel ist Bestandteil der neuen Kollektion
„Ich war der Zufall“, sagt Sontag. Ausgerechnet er! In diesem Projekt wirkt seine Besetzung fast zwangsläufig. Er war vor gut zehn Jahren einer der Designer, die mit ihrer Mode die Hoffnung weckten, das wieder was möglich ist in Berlin. Mit der Erwartungshaltung konnte Sontag gut leben. Ihm war immer klar, dass er Mode entwerfen wollte. Weil er das in seinem Atelier in Kreuzberg ausschließlich auf Anfrage tut, hatte er Zeit, sich in die Arbeit für Manheimer zu stürzen. Die erste Frage war: Was muss passieren, damit Männer Anzüge tragen? Er selbst zählte nicht dazu. Erst einmal bestimmte er die Silhouette: nicht so tailliert und schmal wie die italienischen Jacketts, nicht so breit wie die englischen. Am Ende geht es, wie so oft bei Anzügen, um die Details: das Revers einen Tick breiter, die Einlagen ein wenig weicher, die Schulterpolster ein wenig dünner.
Wer nach historischen Anleihen sucht, der sucht vergeblich. Manheimer wurde vor allem mit dem Export von Damenmänteln reich. Und der „Berliner Mantel“ ist ein nicht klar zu definierender Mythos. Auf jeden Fall gibt es auch einen Mantel beim neuen Manheimer, ohne Verschluss mit einem Bindegürtel, damit er auch unisex funktioniert. Michael Sontag findet, das ist das perfekte Kleidungsstück: „Nichts passt besser zu Berlin als ein Mantel!Manheimer verkauft online, das Atelier in den Uferhallen kann man nach Absprache besuchen.
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