Von TISCH zu TISCH: Kochzimmer Spargel mit Oktopus-Carpaccio
Dass die guten Restaurants in Brandenburg nicht auf den Bäumen wachsen, dürfte bekannt sein. Und wenn dann schon mal eins aufstrebt, strebt es oft auch wieder ab.
Dass die guten Restaurants in Brandenburg nicht auf den Bäumen wachsen, dürfte bekannt sein. Und wenn dann schon mal eins aufstrebt, strebt es oft auch wieder ab. So geschehen gerade im „Landgasthaus zum Mühlenteich“, wo Sascha Friedrichs den Dienst quittierte. Wie man hört, kehrt er an eine interessante Stelle in Berlin zurück – aber für den Dienst am Ausflugsgast ist er verloren, das „Zimmer“ ist dicht. Und damit ist meine Empfehlung hinfällig.
Umso leichter, die guten und gleichzeitig stabilen Restaurants zu pflegen. Zur Saison bietet sich Beelitz an, und dort das „Kochzimmer“, das vor zwei Jahren mutig gestartet ist. Ich würde nicht schon wieder drüber berichten, wenn es sich seitdem nicht so ausgezeichnet entwickelt hätte. Das Schönste ist, dass sich Patron Jörg Frankenhäuser und Küchenchef Patrick Schwatke nicht um Erwartungen scheren und also kein Schnitzel auf das Pfund Spargel hauen, wie es in den Millionen Gasthäusern rundum üblich ist. Dies ist ein Ganzjahresziel – auch hier gibt es Spargel, nur eben erfinderisch und individuell verarbeitet.
Die Grundidee dieser Küche ist erfrischend unkonventionell, ohne avantgardistisch zu sein. Asien, Mitteleuropa und das Mittelmeer werden ohne regionale Zwangshandlungen munter durcheinandergewürfelt, Mikroelemente wie die auf vielen Tellern eingesetzten Gels spielen eine gewisse Rolle, aber die Kompositionen bleiben übersichtlich und brauchen keine Erklärung. Der herrlich würzige Schweinebauch in einem Teriyaki-Sud auf Algen mit Litschis ist eine rein asiatische Idee mit europäischer Technik – wunderbar.
Natürlich ist der Spargel hier in der Saison präsent, aber eben modern, ausgetüftelt. Sehr schön schon als Amuse-Gueule, bissfest gekocht und als Mousse mit gebeizten Forellen und sanften Roten Beten. Dann kommt er, grün und weiß, mit einem Oktopus-Carpaccio, einem Hauch von Zitronengras als Schaum; dazu gibt es Mandeln, die in indonesischem Pfeffer geröstet wurden, ein köstlicher, lange nachwirkender Akzent. Saftig zart ist die Jakobsmuschel, zu der es auch das orangefarbene, von Köchen meist weggelassene Corail gibt – aber in einer knusprigen Hülle gebacken, die den etwas fischigen Nachhall erstaunlich gut dämpft. Als elegante Begleiter fungieren Gurkenrelish und Gelkleckse von Gingerale.
Dann wird es regional, was die Zutaten angeht, jedenfalls fast. Denn zum Beelitzer Kaninchen gibt es, selbstverständlich, Beelitzer Spargel, dazu Schnippelbohnen, die aber mit Papayastreifen vermischt sind, eine wunderbare Idee, die eine genau kalkulierte Dosis Süße ins Spiel bringt. Vom Kaninchen gibt es die Leber, schön rosa, und Rückenfilets, eingerollt in den mit Ingwer aromatisierten Bauchlappen, der etwas schwer zu schneiden, aber gut zu essen ist.
Fast schon brav in der Kombination, doch sehr genau abgestimmt kommt der Lammrücken mit breiten Bohnen, Zwiebeln und einer Olivencreme, die weniger intensiv schmeckt als die übliche Tapenade und deshalb gut die Balance hält. Kein Nachlassen bei den Desserts: Crème Caramel, durch Campari errötet, mit Pfirsichparfait, kleinen Schoko-Tee-Scheiben und zwei erfrischenden sauren Gels. Oder Rhabarber, mit Scheiben von geliertem Joghurt und einem Crumble-Boden zu einer Art Lasagne geschichtet. (Menüs 42,50/62,50 Euro, auch à la carte)
Das alles reicht schon jetzt zu einem Platz unter den besten fünf im Lande. Hinzu kommt, dass der Service von Patron Frankenhäuser und seiner Frau bestens funktioniert. Ihren Weinempfehlungen aus der rein deutschen, auf beste Erzeuger konzentrierten Karte kann man sich bedenkenlos anvertrauen, zumal vieles auch glasweise zu haben ist – eine Souveränität, die in Brandenburg auf dem Lande selten ist. Das Restaurant ist mit seiner Backsteinwand beispielhaft schlicht-modern eingerichtet bis hin zu den edlen Wasserbechern der Berliner Keramikerin Claudia Landbeck, und auch das Mobiliar der Terrasse hat gegenüber den ersten Monaten sehr an Qualität gewonnen. Mithin: ein Pflichtbesuch für alle, die in Beelitz mehr als nur die Stadt der Spargelgebirge sehen.
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