Mode und soziale Netzwerke: Klick sells!
Designer brauchen die Aufmerksamkeit der sozialen Netzwerke. Ein Entwurf muss auf den ersten Blick einprägsam sein – oder er geht in der Bilderflut unter.
Wer während der Schauen der Fashion Week einen Blick ins Publikum wirft, wird kaum jemanden finden, der einfach nur auf den Laufsteg schaut. Stattdessen starren die meisten auf die Bildschirme ihrer Smartphones, die sie vor sich in die Höhe halten.
Wer einen weiteren Beweis dafür braucht, wie sehr sich die Modewelt seit Einzug der digitalen Medien verändert hat, findet ihn in Person der Bloggerin Caro Daur, die zurzeit in Berlin unterwegs ist. Noch Anfang der Woche war sie in Mailand. Dort nämlich schickte das italienische Traditionshaus Dolce & Gabbana statt Models eine Riege „Millenials“ über den Laufsteg. Gemeint sind jene jungen Menschen in ihren Zwanzigern, die eine enorme Menge an Followern in den sozialen Netzwerken hinter sich versammelt haben. Solche wie Caro Daur, die als eine von nur zwei Deutschen in der Show von Dolce & Gabbana lief und die bei Instagram über 800 000 Follower hat.
Die jungen Social-Media-Stars sollen die Millionen, die ihnen bei Facebook, der Foto-App Instagram oder dem Videodienst Snapchat folgen, quasi minütlich mit Fotos und Filmchen der Veranstaltung füttern. Dolce & Gabbana kam ihnen dabei entgegen, mit opulenter, funkelnder Mode, wie geschaffen, um sie zu posten. Es stellt sich also die Frage, was es mit der Mode macht, wenn sich ihr Wert immer mehr daran bemisst, wie oft sie fotografiert und online geteilt wird.
Die App Instagram mit ihren 600 Millionen Nutzern gilt inzwischen als einer der wichtigsten Stimmungsbarometer und Antriebsmotoren der Mode. Was den Menschen hier gefällt, hat das Potenzial zum Hype, der sich auch in den Verkaufszahlen widerspiegelt. Die Zeiten des geschlossenen Kreises aus Einkäufern und Pressevertretern, die sich einst bei Modewochen unter ihresgleichen tummelten und ihr Wissen erst Monate später preisgaben, ist vorbei. Heute posten Schauengäste ihre Schnappschüsse noch während der Show. Als Folge beziehen Designer beim Entwerfen einer Kollektion immer bewusster deren digitale Wirkung mit ein. Alexander Wang war einer der ersten Modeschöpfer, die öffentlich bekannten, eher darüber nachzudenken, wie Kleidung auf einem Foto aussehen wird als auf der Kleiderstange. Einige Designer scheinen dieses Prinzip besser verstanden zu haben als andere. Zwischen den Kollektionen der It-Labels der Stunde kann man erstaunliche Parallelen beobachten: So zeigt Wangs Nachfolger beim Modehaus Balenciaga, der Deutschgeorgier Demna Gvasalia, ins Absurde getriebene Proportionen und grelle, sich beißende Farben. Mit seinem eigenen Label Vetements geht er noch einen Schritt weiter: plakative Logos und eingängige Slogans in Gothic-Typologie zieren Kleidungsstücke in Oversize. Die Vetements-T-Shirts mit rotem DHL-Logo auf gelbem Grund gelten inzwischen als geradezu ikonisch.
Eine in vielen Punkten ähnliche Ästhetik weisen auch die Kollektionen des russischen Designers Gosha Rubchinskiy auf, der seine Entwürfe großflächig mit Logos von Sportmarken der 90er-Jahre wie Fila bedruckt. Ob beabsichtigt oder nicht: Diese Art von Mode ist dank ihrer grafischen Elemente prädestiniert für die bildbasierte Welt von Social Media. Hier ist kein Platz für lange Erklärungen. Ein Entwurf muss auf den ersten Blick einprägsam sein – oder er geht in der täglichen Bilderflut unter.
Die Zukunft der Mode ist zweidimensional
Entwürfe, die auf subtilen Details und komplizierter Schnittführung beruhen, haben hingegen oft das Nachsehen und das nicht nur in den sozialen Netzwerken. Schlichte, weiße Kleider sind in Onlineshops kaum vom Hintergrund zu unterscheiden, sie verschwinden auf dem zweidimensionalen Bildschirm. Und auch schwarze Stücke mit aufwendigen Faltenwürfen wirken auf Fotos oft flach und verlieren ihren Reiz.
„Die Zukunft ist zweidimensional“, sagte Avantgardedesignerin Rei Kawakubo schon 2012 und steckte Models in knallbunte Kleider, die sie aussehen ließen wie Papierpüppchen, die gerade aus einer Schablone ausgeschnitten wurden. Von einigen Seiten erntete sie dafür Skepsis. Heute hingegen zeigt Moschino-Chefdesigner Jeremy Scott ganz selbstverständlich Kleider, auf denen der Faltenwurf nur noch aufgedruckt ist. Eine optische Illusion, sozusagen der Gipfel der Zweidimensionalität. All diese Entwicklungen machen nicht bei Kleidungsstücken Halt, sondern existieren auch bei Accessoires. Wer überleben will, braucht eine starke visuelle Identität. Der Berliner Designerin Lili Radu ist das mit Taschen, auf denen sich bunte Lederstreifen in V-Form verflechten, gelungen. „Damit haben wir einen riesigen Wiedererkennungswert auf den Social-Media-Kanälen“, sagt sie. „Und natürlich habe ich das im Hinterkopf, wenn ich eine Kollektion entwerfe.“
Nicht nur die Mode selbst, sondern auch ihre Präsentation verändert sich. Für die Kollektion seines Labels Yeezy inszenierte Rapper Kanye West im vergangenen Jahr keine klassische Laufstegshow, sondern ein Standbild, für das die Models, gleich Zinnsoldaten, mehrere Stunden still in der Sonne stehen mussten. Was bei einigen der jungen Frauen zu Ohnmacht führte, zahlte sich im World Wide Web aus. Die Fotos des imposanten Arrangements verbreiteten sich tausendfach. Auch deshalb, weil es bei einer solchen Art der Präsentation leichter fällt, die Looks zu fotografieren.
Das wissen auch Modehäuser wie Chanel und bauen für die zur Show geladenen „Influencer“, wie man die Meinungsmacher im Web nennt, ganze Supermärkte oder Spielkasinos nach. Schauen wandeln sich zu Social-Media-Ereignissen, und die veränderten Ansprüche erfordern mehr Engagement von Designern. Die Frage ist: Wie kann ich für mein Produkt eine Kulisse schaffen, die es „wert“ ist, fotografiert zu werden? Für ihre Präsentation im Rahmen des Berliner Modesalons drapierte Designern Lili Radu ihre Taschen deshalb auf einer aufwendigen Skulptur aus Acapulco Chairs. „In Netzwerken wie Instagram geht es um Ästhetik, und man muss den Leuten ein Gesamtkunstwerk bieten, vor dem sie die Taschen fotografieren können. Die wollen ihren Followern ja etwas bieten und etwas Spannendes kommunizieren.“
Auch der Berliner Modedesigner Dawid Tomaszewski bezieht derlei Überlegungen vor seinen Schauen mit ein, äußert allerdings Bedenken. „Am Ende ist mir wichtig, dass die Looks toll aussehen und das Ganze meine Seele widerspiegelt. Alles andere lässt sich einfach nicht erzwingen. Den Bildeffekt sehe ich als zweitrangig.“