Mode: Fashion Week Berlin: Kleider für moderne Nomaden
Nobieh Talaei erzählt mit ihrer Kollektion von ihrer asiatischen und ihrer europäischen Heimat. Sie ist die Designerin der Stunde.
Das Atelier von Nobieh Talaei hat große Räume, an den Wänden hängt textile Kunst wie japanische Seidenmalerei, dazu ausgesuchte Möbel der fünfziger Jahre, drapierte Kleider und Blusen liegen auf orientalischen Teppichen.
Auf zwei Etagen in einem Hinterhof in der Auguststraße hat sich die Designerin eine Umgebung geschaffen, die genau so fein und ausbalanciert ist wie ihre Kleider. Hier steht nichts einfach herum, auch nicht in der Werkstatt. Die Zuschneidetische sind in Berlin angefertigte Arbeitstische, darauf stehen Profi-Nähmaschinen. Die Mitarbeiterinnen sitzen wenige Tage vor der Modenschau über Schnitte gebeugt oder sind in den Produktionsplan vertieft.
Kaum zu glauben auch, wie professionell die Kollektion ist. Ein Wollponcho mit Ärmeln, eigentlich ein Rechteck, wird erst durch Wickeln zum Mantel. Ein Kleid mit offenen Seitennähten wird erst durch einen Bindegurt in der Taille geschlossen, eine Bluse mit angeschnittenen Ärmeln kann man in einer Falte zum Halsausschnitt legen, die Ärmelweite einer handschuhweichen Velourslederjacke kann man mit einem Band verändern.
Alles ist in Wüstenfarben gehalten: Greige, Rostrot, ein tiefes Grün, Sandfarben und Schwarz. Nicht zufällig erinnern die Kleider an die langen Umhänge der Nomaden. Nobieh Talaei kam mit elf Jahren mit ihren Eltern aus dem Iran, ihrer Großmutter hat sie oft dabei zugeschaut, wie sie traditionelle Kaftankleider für ihre Nachbarinnen schneiderte. Heute versucht sie ihre asiatische Herkunft und auch ihre europäische Sozialisierung zu nutzen, um daraus Kleidung zu machen, die überall funktioniert.
Das ist keineswegs selbstverständlich. Improvisieren gehört in der Berliner Modeszene zum Handwerk – aber nicht bei Nobieh Talaei. Kein Wunder, dass jeder hingerissen ist von der zarten Frau, die natürlich selbst die perfekte Trägerin ihrer Entwürfe ist. Schon im Sommer wurde sie zusammen mit Marina Hoermanseder ins Förderprogramm des neu gegründeten Fashion Council Germany aufgenommen, Ihre Kollektion für Frühjahr/Sommer wird jetzt beim Luxus-Onlinehandel Stylebob und im KadeWe verkauft.
Heute zeigt sie ihre Entwürfe noch einmal in Berlin im Vogue Salon im Kronprinzenpalais, ihre Kollektionsbilder flackern jetzt während der Fashion Week in der Berliner U-Bahn über die Bildschirme – und das alles, bevor sie überhaupt ihre erste richtige Modenschau hatte.
Dabei hat sie lange gewartet. Ihren Abschluss hat sie schon 2003 an der Modeschule Esmod gemacht. Lange arbeitete sie im Einzelhandel, später spezialisierte sie sich auf das Einrichten von Wohnungen, bevorzugt mit Möbeln der fünfziger Jahre – was ihr jetzt sehr bei der Möblierung ihres Ateliers zupass kam. Sie scheint im Stillen alles genau überlegt zu haben. Die 38-Jährige will eine Geschichte erzählen, und die hat sie sich in langen Nächten in ihrer Wohnung schräg über den Hof von ihrem heutigen Atelier mit Showroom genau überlegt. „Da habe ich getüfelt“, sagt sie. Bis sie sah, dass jemand auszog und sie hier ihr Label gründen konnte.