Nora von Waldstätten: „Ich werde das Alter umarmen“
...und trotzdem sorgt Nora von Waldstätten vor: Sie hat immer Sunblocker dabei. Warum sie mit Lavendelspray ins Bett geht und als Ballerina gescheitert ist.
Frau von Waldstätten, Dreharbeiten, Cannes, ein Mode-Shooting und Interviews – was haben Sie gemacht, als Sie das letzte Mal frei hatten?
Ich koche wahnsinnig gern, um mich zu entspannen. Dazu gehört für mich auch die Vorbereitung: Ich mag es, auf Wochenmärkten einzukaufen, im Supermarkt in Ruhe Sachen auszuwählen, in einen Feinkostladen zu gehen, um ein Spezialsalz zu suchen. Dann koche ich stundenlang! Letzten Samstag habe ich für zwei Freundinnen Hendl gemacht, gefüllt mit Semmelwürfeln, dazu ganz viel Blechgemüse.
Und was gab’s zum Dessert?
Ich bin ja eher ein Fan von Hauptspeisen und von Herzhaftem. Als Nachtisch gab’s deshalb einfach ein Potpourri aus verschiedenen Schokoladen.
Sie sind dafür bekannt, sehr gern Fleisch zu essen. Kommt es manchmal zu Konflikten mit Freunden, die Vegetarier sind?
Nein. Meine Freunde wissen, dass ich Fleisch sehr achtsam konsumiere. Gerade tendiere ich zum Sonntagsbraten – also dazu, einmal in der Woche richtig gutes Fleisch vom Bio-Metzger zu essen. Die übrige Woche mag ich es dann vegetarisch, am liebsten indisch. Was ich schräg finde, ist Teddybären-Wurst. Oder wenn sich jemand scheut, ein ganzes Huhn zuzubereiten, weil ihm sonst klar wird, dass er wirklich ein Huhn isst.
Würden Sie selbst ein Hühnchen schlachten?
Das kann ich so theoretisch nicht beantworten, doch es wäre nur die logische Konsequenz, um sich zu vergegenwärtigen, was es bedeutet, wenn man Fleisch isst.
Wir vermuten: Die Küche ist Ihre Ersatzbühne.
Mich erinnert das Kochen an einen Theaterabend. Man bereitet sich lange vor, trägt Sachen zusammen, probiert etwas aus. Alles für diesen Abend, für diesen Moment, und dann ist ja alles manchmal innerhalb kurzer Zeit wieder vorbei. Das sind schöne Parallelen zum Theaterschauspiel.
Kürzlich war über Sie zu lesen, Sie wollten sich eine Gitarre kaufen, Russisch lernen und die Eremitage besuchen. Was war da los?
Ich bin großer Kunstfan. Es gibt eine Schauspielübung, da arbeitet man mit Gemälden: Man versucht, die Stimmung eines Bildes in sich aufzunehmen, sich eine Geschichte zu einem Bild auszudenken. Und so ist ein Museum für mich ein Ort voller Geschichten. Leider habe ich es noch nicht in die Eremitage geschafft, doch die Gitarre habe ich mir immerhin schon gekauft – total cool, eine schwarze Akustikgitarre. Ich müsste eigentlich täglich üben, und es kommt leider immer so viel dazwischen, dass ich das nicht schaffe. Dabei fände ich es total lässig, wenn ich Gitarre spielen und dazu singen könnte.
Waren Sie mal Teil einer bestimmten Jugendszene?
Nein. Aber mit 13 war ich schon David-Bowie-Fan. „Absolute Beginners“, „Heroes“, „Five Years“ sind meine Lieblingssongs. Gerade sollte ich für den „Rolling Stone“ das Album meines Lebens nennen. Bei Bowie ist es nicht einfach, sich auf ein Album festzulegen. Ich habe die „Singles Collection“ ausgesucht. Die kam heraus, als ich 12, 13 Jahre alt war, und hat mich sehr geprägt.
Welcher Film Ihrer Kindheit hat Sie am meisten beeinflusst?
Mein erster Lieblingsfilm war „Die unendliche Geschichte“. Ich wollte unbedingt mit Fuchur fliegen und die kindliche Kaiserin kennenlernen. Bis heute geht mir das Herz auf, wenn ich den Soundtrack von Limahl höre. Inzwischen interessieren mich Filme von Michael Haneke oder Christian Petzold, auch von Martin Scorsese, Milos Forman und Billy Wilder. Gerade war ich in Cannes, weil ich in dem Film „Clouds of Sils Maria“ von Oliver Assayas einen kleinen Gastauftritt hatte. Dort habe ich endlich „Paris-Texas“ von Wim Wenders gesehen. Er hatte genau an dem Tag 30-jähriges Leinwand-Jubiläum. Genial und umwerfend.
Sie haben früher Ballett getanzt. Stand es mal zur Debatte, dass Sie das professionell machen?
Als Kind war das schon ein Traum von mir. Ich habe im Badener Stadttheater im Kinderensemble getanzt. Da kam ich das erste Mal in Kontakt mit der Bühne, diesem unglaublich faszinierenden Ort, der an einem Tag ein Wald ist, an einem anderen ein Schloss. Damals wollte ich Ballerina werden. Dann habe ich gemerkt, dass es nicht reichte für eine wirkliche Bühnenreife. Ich konnte nicht genügend Pirouetten drehen, ich konnte nicht so hoch springen wie andere. Das war halb so wild, denn an dem Theater hat man mir auch meine erste Sprechrolle angeboten. Und ich fand es unglaublich bereichernd, als die Sprache als Ausdrucksmittel hinzukam. Das Ballett war also für mich das Entree zur Schauspielerei.
Dachten Sie damals schon sehnsuchtsvoll ans Kino?
Am Anfang kannte ich ja nur die Bühnenarbeit. Ich hatte keine konkreten Vorstellungen, wie man nun tatsächlich Schauspieler wird. Und: Es gab damals noch kein Internet, wo man das alles einfach googeln kann! Ein wichtiger Baustein für meine Entwicklung war die Schauspielschule, in meinem Fall die UdK. Auch für meine Eltern war es wichtig, dass eine Kommission entschied, ich dürfe eine Ausbildung bekommen, das Handwerk lernen. Natürlich ist das Schauspiel ein kreativer Beruf, doch Technik gehört dazu. Ich würde jedem, der Schauspieler werden will, raten, sich diese Zeit zu gönnen. Man zehrt später immer davon, auch von dem Kontakt mit den Dozenten.
Von der Schauspielschule sind Sie direkt auf die Bühne des Deutschen Theaters.
In Elfriede Jelineks „Über Tiere“ durfte ich unter der Regie von Nicolas Stemann mit Heldinnen von mir auf der Bühne stehen: mit Almut Zilcher, Regine Zimmermann und Margit Bendokat. Wir haben das Stück über fünfeinhalb Jahre gespielt. Letztes Jahr war dann leider Schluss.
Matthias Schweighöfer sagt, ein Argument für die Schauspielerei sei, dass man regelmäßig Urlaub von sich selbst nehmen kann. Was ist für Sie das Faszinierende am dem Beruf?
Dass man beim Schauspielern so im Moment ist, gerade bei Theateraufführungen. Das hat eine große Kraft. Man spürt intensiv, nimmt alles wahr, ist ganz wach, ganz achtsam. Beim Drehen ist das eigentlich genauso: Zuerst probt und übt man, und irgendwann bekommt das alles eine Dynamik. Im Film „Oktober November“ waren manche Szenen besonders lang, eine Einstellung dauerte zum Beispiel über vier Minuten. Da war die Dynamik ganz besonders wichtig. Man muss seinen Ort im Raum finden, überprüfen, welche Nähe, welche Distanz zum anderen stimmt, man muss einen Rhythmus finden. Und dann dreht man das ein paar Mal. Es ist vielleicht ein bisschen wie bei Instrumenten, die im Gleichklang klingen. Dieses gemeinsame Schaffen ist einzigartig.
Sie standen in internationalen und in deutschen Produktionen vor der Kamera. Gibt es Unterschiede in der Art zu arbeiten?
Ich finde es spannend, in unterschiedlichen Sprachen zu drehen. Wenn man nicht in seiner Muttersprache dreht, hat man noch mal einen anderen Blick, einen anderen Zugang. Manche gehen ja so weit und sagen, dass man in anderen Sprachen andere Tonlagen hat. Bei „Die Tore der Welt“ zum Beispiel haben viele kanadische und englische Schauspieler mitgespielt, die haben ein schnelles Spieltempo, also eine sehr direkte Art zu spielen.
Welche Ihrer Rollen ist am stärksten beim Publikum haften geblieben?
Ich glaube, dass mich viele zum ersten Mal in dem Bodensee-Tatort „Herz aus Eis“ wahrgenommen haben. Dann in meiner Rolle als Magdalena Kopp in „Carlos“. Ich habe mich sehr lange mit dieser Figur auseinandergesetzt. Viele müssen auch an Gwenda aus „Die Tore der Welt“ denken, wenn sie mich sehen. Einfach, weil diese Figur schon so bekannt war durch den Beststeller von Ken Follett, dieses sympathische und mutige Stehaufmännchen. Und nun die Sonja aus „Oktober November“. Eine Frau, die vermeintlich ihr Leben so im Griff hat, und die implodiert, wenn die Türe zugeht, die abdriftet, wenn sie allein ist.
Wird man als schöner Mensch auf bestimmte Rollen festgelegt?
Jeder hat einen gewissen Look und damit ein gewisses Rollenprofil, auf das natürlich gern Bezug genommen wird. Deshalb fand ich es auch so cool, dass ich aus England für die Rolle der Gwenda, einer Bauerntochter, angefragt wurde. Die haben einfach ganz unvoreingenommen gesagt: Klar, das kriegt die hin, das kann die. Ich merke zum Beispiel jetzt, wo meine Haare blond sind, dass neu auf mich geblickt wird. Ich finde es wichtig, dass man das selbst in die Hand nimmt und nicht nur anderen überlässt, wie man wahrgenommen wird. Deshalb versuche ich, bei der Rollenauswahl auch unterschiedliche Figuren anzunehmen und zu erarbeiten.
Haben Sie eigentlich Heimweh nach Berlin, wenn Sie lange weg sind, um einen Film zu drehen?
Schon. Es gibt Sachen, die mitreisen, zum Beispiel ein Raumspray im Duft Rose und Lavendelspray fürs Kopfkissen. Oft nehme ich auch eine Teetasse mit und ein großes Teesortiment. Das hilft mir, mich überall ein bisschen zu Hause zu fühlen. Die Düfte sind wichtig, weil sie so unmittelbar wirken.
Hartnäckig hält sich das Gerücht, es gäbe für Frauen über 40 keine guten Rollen mehr. Glauben Sie, dass für Schauspielerinnen das Älterwerden ein wichtigeres Thema ist als für andere Frauen?
Ich versuche, mich davon freizumachen. Aber es gibt schon einen generellen Druck, unter dem stehen nicht nur Schauspielerinnen. Ich versuche natürlich, entspannt damit umzugehen, es ist ja nun mal eine Realität, dass wir alle älter werden.
Natürlich, doch bei Lehrerinnen ist es egal, wie alt sie aussehen ...
… aber ist doch cool, wenn man es schafft, in Würde zu altern. Wenn man seine Jahre annimmt. Als ich 30 wurde, habe ich mir gesagt, ich werde jetzt nicht anfangen, über mein Alter zu klagen, ich wollte keine Eitelkeit aufkommen lassen. Ich habe mir gesagt, ich werde das Alter umarmen und dankbar sein. Das heißt jetzt nicht, dass man nicht auf sich achtgeben soll. Klar mache ich auch Sport. Sobald die Sonne rauskommt, verwende ich Sunblocker. Und ich habe vor eineinhalb Jahren mit dem Rauchen aufgehört.
Würden Sie sich für einen Job äußerlich grundlegend verändern?
Man arbeitet sich ja immer in eine Rolle ein, kreiert eine Figur. Und wenn die Haare ab müssen, dann kommen sie eben ab. Wenn ich Kampftraining machen oder Spanisch lernen muss, würde ich das tun. Voraussetzung ist natürlich, dass ich die Rolle unbedingt spielen will.
Hätten Sie keine Angst, die 20 Kilo nicht mehr spurlos herunterzubekommen, die Sie sich für eine Rolle angefuttert haben?
Edgar Ramirez hat damals für „Carlos“ ja etwa 15 Kilo zugenommen. Ihn hat dabei ein Ernährungsberater begleitet. Man isst ja dann nicht einfach unendlich viel, sondern das Zunehmen läuft sehr kontrolliert ab. Nach dem Film begleitet einen der Ernährungsberater auch wieder beim Abnehmen. So würde ich das schon machen. Ich finde, die Gesundheit darf nicht gefährdet werden.
Sie wirken sehr beherrscht. Lassen Sie sich auch mal gehen, bei einer Filmparty zum Beispiel?
So ein öffentliches Event ist für mich Arbeit, weil ich mich gut darauf vorbereite. Außerdem geht man in meinem Beruf ohnehin oft aus sich heraus. Wenn ich den ganzen Abend auf der Bühne geschrien habe und rauf- und runtergelaufen bin, dann reicht mir das.
Fühlen Sie sich denn wohl bei diesen offiziellen Events?
Ich versuche, sie zu genießen. Es hilft mir, wenn ich schon am Tag vorher weiß, was ich anziehe. Ich mag es, wenn man den Anlass mit passender Kleidung würdigt. Und mit der Zeit kennt man solche Situationen besser. Mittlerweile weiß ich zum Beispiel: Auf der Berlinale und in Cannes wird von beiden Seiten fotografiert, sogar oben sind Kameras. Beim Filmpreis war es bisher so, dass alle Fotografen nur auf einer Seite standen. Man lernt einfach mehr und mehr, entspannt mit diesen Situationen umzugehen.
Gute Vorbereitung ist alles?
Ich will nicht in Situationen hineinstolpern. Ich bin auch gern pünktlich, weil ich es einfach gut finde, wenn ich noch mal Zeit habe, durchzuatmen, wenn ich in Ruhe eine Situation beobachten kann.
Sind Sie bei anderen auch so streng?
Bei anderen Menschen finde ich Unpünktlichkeit nicht so schlimm, wenn ich nicht gerade draußen im Regen stehe. Es ist ja an mir, diese Wartezeit zu nutzen. Ich atme dann durch und denke: Ich bekomme gerade Zeit geschenkt!
Haben Sie einen Lieblingsdesigner, in dessen Kleidung Sie sich gewappnet fühlen?
Chanel ist eine gute Art, Respekt zu zollen. Coco Chanel war eine spannende Frau – und Karl Lagerfeld ist einfach ein Genie. Es ist schier unglaublich, auf wie vielen Ebenen er talentiert ist. Das spiegelt sich in allen Facetten dieses Hauses wider. Ich finde Haute Couture inspirierend. Ich könnte mir das als Kunstwerk an die Wand hängen … diese bestickten Stoffe, diese tausend kleinen Perlen.
Kennen Sie auch Erschöpfungsmomente?
Klar. Es gibt Drehtage, an denen ich viel mobilisiert, viel gegeben habe. Im letzten Jahr habe ich ab Mitte Dezember meine Weihnachtspause eingeläutet. Weihnachten bietet sich ideal an für eine Pause: Alles wird ruhiger, es kommen jeden Tag weniger E-Mails rein. Ich versuche auch bewusst, das Jahr langsam ausklingen zu lassen, die Adventszeit zu genießen und zu backen. Allgemein finde ich es gut, wenn man mit den Jahreszeiten geht, und im Winter eben ruhiger wird.
Hat Ihr emotionaler Zustand Einfluss auf Ihr Spiel?
Eleonora Duse hat mal gesagt, im Idealfall können Schauspieler Emotionen ungestört fließen lassen. Da soll nichts im Weg sein, das die Gefühle blockieren könnte. Bei den Dreharbeiten von „Oktober November“ gab es zum Beispiel eine Woche, in der es um das Sterben ging. In dieser Zeit wurde am Abend besonders viel gelacht und gelebt. Es ist wichtig, dass man für schwere Themen einen Ausgleich findet.
Wie steigen Sie gut aus einer schwierigen Figur aus?
Es hilft, wenn man erdende Sachen macht. Nach einer Produktion hatte ich mal einen Back-Flash und hab’ jede Menge Cheesecake gebacken.
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