Falsche Namen beim Kaffeeholen: Heute heiße ich Brunhilde
Bei Starbucks wollen sie Rufnamen? Bitte, hier bekommen sie einen richtig schlimmen.
Lass doch mal bei Starbucks einen richtig peinlichen Namen ausrufen, sagte Andrea. Für deine Kolumne! Hm, machte ich, ziemlich albern fand ich das. Überhaupt: Starbucks?
Wir waren gerade aus den USA zurückgekommen, da tapert man morgens so selbstverständlich dorthin wie vom Bett ins Badezimmer. Aber in Berlin? Hier gibt es anderswo besseren Cappuccino.
Nur keinen Iced Soy Latte mit Caramel Topping. So kam es, dass ich unlängst eine Bekannte traf: Gundula. Ich erkannte sie in dem Moment, als sie als „Lisa“ ausgerufen wurde. Gundula gestand mir, dass ihr Name ihr zu altmodisch erscheine für diesen Ort.
„Kann ich deinen Namen haben?“, fragen die Grünbeschürzten standardmäßig. Bei Starbucks ist alles jung, stylish und total persönlich, und weil jeder Kunde mindestens so individuell ist wie sein Getränkewunsch, kann ein Besuch ebenso identitätsbildend wie -zerstörend wirken.
Mein Name ist nicht Marquess
In einem Youtube-Hit schildert der Comedian Paul Gale als Starbucks-Mitarbeiter, wie er Namen absichtlich falsch schreibt und so Empörung und Entsetzen auslöst. Und das Portal whatsmystarbucksname.com macht aus meinem Vornamen Maress, Marquess oder Maurice.
Sogar reife Persönlichkeiten beschäftigt ihr Starbucks-Name: So las ich kürzlich in dieser Zeitung von einem Kollegen, der es genießt, sich seinen auszudenken. „Norbert“ verriet, dass er sich gern als „Kevin“ ausgibt, weil das lustig sei, wenn ein Grauhaariger den Becher holt.
Ein Br wie in Brownie
Um Gundula aufzuheitern, kaufte ich einen Kaffee unter dem Namen Brunhilde. Tatsächlich ließ der Enddreißiger hinter mir seinen Blick kurz vom Mallow Top Toffee Banana in der Vitrine zu mir wandern.
Und ich musste lachen, weil der Barista das „Br“ in Brunhilde weich wie in „Brownie“ rief, so klang es definitiv starbuckskonformer. „Das macht dir nichts aus, weil du nicht wirklich so heißt“, sagte Gundula.
Zweifellos Grundschulniveau
Mir kam Andreas Vorschlag in den Sinn. Als ich wieder in der Schlange stehe, denke ich daran, wie einmal jemand an der Tafel hinter dem Rücken der Lehrerin aus „Die Hühner picken“ „Die Hühner ficken“ machte. Das hier hat zweifellos Grundschulniveau.
„Ist das nicht bloß eine Ausrede, die Sache als zu kindisch abzutun, weil du dich insgeheim schämst?“, fragt Gundula.
Also gut. „Vagina.“ „Wie bitte?“, fragt die Angestellte. Um nicht rot zu werden, rede ich mir ein, dass es nicht darum geht, mich auf die Probe zu stellen, sondern Starbucks. Lauter wiederhole ich: „Vagina. Mit V.“
Zwei Männer tuscheln
Die Dame zögert kurz, schreibt „Vanina“. Ich korrigiere und buchstabiere. Ihr Mundwinkel zuckt kein bisschen. Doch als sie den Becher weiterreicht, bemerke ich, dass sie dem Kollegen etwas zuflüstert. Auch zwei junge Männer neben mir tuscheln.
Ich wähle einen Sessel am Fenster und gucke angestrengt nach draußen. Gleich wird es so weit sein. „Strawberry Cream Frappuccino!“, schallt es. Ich rühre mich nicht.
Erneut ruft der Mann an der Ausgabe: „Strawberry Cream!“ Feigling! „Ach, ist das schon meiner?“, erkundige ich mich. „Ich weiß nicht“, sagt der Barista. „Wie ist denn der Name?“, fordere ich ihn heraus. Er sagt nüchtern: „Kann ich leider nicht lesen.“
Endlich ein Publikum
Womöglich erlebt er solche Mätzchen regelmäßig. Ich fühle mich töricht und nehme ohne weitere Worte mein Getränk.
Jemand tippt mir auf die Schulter. „Können wir ein Foto mit dir machen?“, fragt einer der Jungs kichernd. „Und dem Becher“, ergänzt der andere. Sie tragen das gleiche T-Shirt: „ABIpunktur 2016.“ Immerhin, tröstet Gundula: Nicht bloß Grundschulhumor.
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