Müsli vom Blech: Granola selber machen
Granola ist mit Honig gebackenes Müsli. Das klingt einfach, doch die Variationen gehen ins Unendliche. Seine Geschichte ist mitunter bizarr.
Am Anfang war der Geiz. Da bin ich nicht stolz drauf, aber so war es nun einmal.
Ich liebe Frühstück, und ich liebe Müsli. Besonders die knusprige Variante namens Granola, seit ich bei einem Schüleraustausch in die USA auf den Geschmack gekommen bin. Inzwischen gibt es die ja auch hierzulande, wer allerdings an den Supermarktregalen mit den Müslimischungen vorbeigeht, muss mitunter glauben, er sei in eine Folge von „Versteckte Kamera“ gestolpert.
Was für Preise da für ein paar Haferflocken mit Mandelsplittern aufgerufen werden, grenzt an Satire. Ein Anbieter im Internet, bei dem man sich sein Müsli selber zusammenstellen kann, verlangt für das Kilo „Crunchy Honey Granola“ stolze 8,50 Euro. Für nichts anderes als Haferflocken, Honig und Sonnenblumenöl wohlgemerkt. Packt man noch Sesam dazu und ein paar Nüsse, landet man schnell bei zehn Euro pro Kilo. Bei Amazon kann man aber auch locker 27 Euro für 1000 Gramm ausgeben. Das sind Gewinnspannen, wie sie sonst nur die Turnschuhindustrie kennt.
So schwierig kann das ja nicht sein.
Ohne mich, denke ich. Granola selbst zu machen, kann ja nicht so schwierig sein. Haferflocken, Nüsse, Honig, fertig. Oder?
Das erste vielversprechende Rezept, das ich im Internet finde, stammt von der britischen Star-Köchin Nigella Lawson. „Dies ist schlicht das beste Granola, das du jemals in deinem Leben essen wirst“, tönt sie vollmundig. Die Zutatenliste ist allerdings erstaunlich lang und umfasst nicht nur Haferflocken und Mandeln, sondern unter anderem auch Maldonsalz und Reissirup. Das muss man erst einmal finden. Reissirup hat der Asia-Shop um die Ecke, und das flockige, milde Maldonsalz entdecke ich nach etwas Suchen zu einem absurden Preis in einem Feinkostgeschäft mit absurd unfreundlichem Personal am Helmholtzplatz. Schönen Gruß auch.
Zurück in der Küche mixe ich Flocken, Sesam, Mandeln und selbstgekochtes Apfelmus, gemahlenen Ingwer, Zimt und … was? 100 Gramm Zucker? Das ist ja schlimmer als in den eh schon häufig völlig überzuckerten Fertigmischungen aus dem Supermarkt. Ich nehme fürs Erste die Hälfte. Umrühren. Die klebrige Mischung reicht für zwei Backbleche. 160 Grad. Die Uhr stelle ich auf 25 Minuten.
Was Granola mit Jesus zu tun hat
Zeit, sich mal mit der Geschichte des Backofenmüslis zu beschäftigen. Freunde, denen ich von meinem Selbstversuch erzählt habe, guckten mich erst einmal fragend an. Granola? Was ist das? Im Duden sehe ich, steht das Wort nicht, auch die deutsche Wikipedia listet unter dem Stichwort nur die gleichnamige „mittelfrühe, vorwiegend festkochende Kartoffelsorte“ und nicht jenes Müsli, das mit Honig oder Sirup im Ofen zu knusprigen Klumpen gebacken wird. Und das, nachdem die Hippies es in den 60ern schon einmal entdeckt hatten, seit einigen Jahren zum Thema gesundheitsbewusster Food Blogger geworden ist, die auf der Suche nach einer Alternative zu gezuckerten Industrieflocken waren. Mit Maja Netts „What’s for Breakfast? Müsli!“ erschien kürzlich auch eines der ersten deutschen Kochbücher, das eine ganze Reihe Granola-Rezepte enthält. Sogar in der Spitzengastronomie ist das gebackene Müsli inzwischen angekommen. Das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant Eleven Madison Park in Manhattan verteilt nach jedem Essen einen Becher zum Mitnehmen.
Die Geschichte des Granola, lerne ich dann, ist lang und mitunter bizarr: Im Jahre 1863 stellte ein gewisser James Caleb Jackson, US-amerikanischer Gesundheitsapostel und Spa-Direktor, aus zweifach gebackenem und zerbröseltem Vollkornmehl „Granula“ her. Der Name soll vom lateinischen Granum (Korn) abstammen.
Haferflocken gegen Wollust
Sein Granula, behauptete Jackson, sei ein reines Nahrungsmittel, dass nicht nur sexuelle Lust zu zügeln imstande sei, sondern auch die Rückkehr Christi beschleunige. Hallelujah!
1878 dann stellte John Harvey Kellogg, Sieben-Tage-Adventist, Chef des Battle-Creek-Sanatoriums und späterer Erfinder der Corn Flakes, seine Mischung aus zweifachgebackenem Vollkorn vor, die er ebenfalls Granula nannte. Nachdem er von Jackson verklagt wurde, änderte Kellogg den Namen in Granola, zeigte dann aber weiter kein Interesse, das Produkt anständig zu vermarkten. Das macht stattdessen einer seiner Patienten, der sein eigenes Rezept 1897 unter dem Namen „Grape Nuts“ erfolgreich auf dem Markt etablierte.
Zurück zum heimischen Ofen. Frau Lawsons Granola ist inzwischen fertig gebacken. „Was riecht denn hier so gut nach Weihnachten?“, fragt die Familie und will kosten. Erster Geschmackseindruck: brutal lecker, aber auch brutal süß. Das geht besser, denke ich, und fange an zu experimentieren. Zucker komplett weglassen: schon besser. Salz statt Maldonsalz? Kein Unterschied und deutlich billiger. Ahorn- statt Reissirup? Oh, das ergibt eine interessante Karamell-Note. Pfirsich- statt Apfelmus? Nicht verkehrt.
Weil mein Granola nicht nur mir sondern auch meinen Freunden schmeckt, besteht immer Bedarf an Nachschub. Blech nach Blech schiebe ich Woche nach Woche in den Ofen.
Das Basis-Rezept
Die meisten Rezepte aus dem Netz enthalten viel zu viel Öl und Honig, merke ich schnell. Mit variierendem Fett- und Sirupgehalt ändert sich die Backzeit etwas, aber dafür bekommt man schnell ein Auge. Goldgelb reicht. Bleibt das Müsli zu lange im Ofen, werden die Nüsse bitter.
Und auf jeden Fall muss man das Granola gut abkühlen lassen, bevor man es in Gläser umfüllt. Sonst klumpt es nicht richtig. Nach einigen Versuchen habe ich ein Basis-Rezept raus, auf dessen Grundlage weiterführende Experimente stattfinden können.
Als erstes tausche ich Honig gegen Erdnuss-Butter und Mandeln gegen Erdnüsse. Nach dem Backen hacke ich noch einen kleinen Schokoriegel rein. Wahnsinn! Allerdings dann wohl doch eher nichts, was man jeden Tag frühstücken sollte und was mit dem Plan, den Zuckergehalt zu senken, in Einklang zu bringen ist. Bei der nächsten Runde ersetze ich den Honig deshalb komplett durch zermatschte Banane. Das funktioniert problemlos und schmeckt fast genau so gut.
Mit Kardamom? Warum nicht
Ein anderes Mal geht es in Richtung Orient. Mein Nachbar ist Koch und hat ein paar Kardamomkapseln übrig. Die zermahle ich in meine Flockenmischung, mixe nach dem Backen gehackte Datteln dazu. Lecker, und das nicht nur zum Frühstück, sondern auch zum Verfeinern von Nachtisch.
Gelegentlich klappt auch mal etwas nicht: Marmelade statt Honig zu nehmen führt beispielsweise zu einem etwas matschigen Ergebnis, eine Variante mit Orangenschale, frisch gepresstem Orangensaft und gehacktem Ingwer entschädigt dann jedoch wieder gewaltig. Und das alles zu einem Bruchteil des Preises der Fertigmischungen aus dem Supermarkt.
Was steht als nächstes an? Eine Kollegin bot mir kürzlich Geld, wenn ich sie regelmäßig mit Granola versorgen würde. Mal gucken. Vielleicht schreibe ich auch erst ein Granolabackbuch. Da besteht ja anscheinend noch Bedarf. Vorher gilt es jedoch, noch zu experimentieren. Was mir gerade vorschwebt, ist eine Version für Erwachsene. Ein Daiquiri-Granola. Mit Limettenschale und Rum.
Basis-Rezept:
250 Gramm Haferflocken
1 Tasse Mandeln
1-2 Tassen Sesamsamen, Sonnenblumenkerne, gepuffter Amaranth
80g Ahornsirup oder Honig
60g Kokosöl
1/2 Teelöffel Salz
Zimt
1) Alle Zutaten in einer Schüssel vermischen
2) Die klebrige Masse dünn auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech streichen
3) Rund 20 Minuten im Ofen goldbraun backen (160° Ober- und Unterhitze)
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