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Anlässlich des 19. Bundesparteitages der FDP diskutiert Ralf Dahrendorf (2.v.r.) vom FDP-Bundesvorstand mit dem SDS-Chefideologen Rudi Dutschke (links erhöht) vor mehreren tausend Zuhörern in Freiburg.
© dpa

1968 im Tagesspiegel: Mende warnt die FDP auf dem Freiburger Parteitag vor "verwirrenden Richtungskämpfen"

Der Tagesspiegel berichtete über den Beginn des FDP-Bundesparteitag und die Debatte zwischen Rudi Dutschke und Ralf Dahrendorf.

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 30. Januar ging es um den FDP-Bundesparteitag in Freiburg und die Debatte zwischen Rudi Dutschke und Ralf Dahrendorf.

wg. Freiburg. Der bisherige FDP-Vorsitzende Erich Mende hat sich am Montag mit einem eindringlichen Appell an seine Partei verabschiedet, die innere Einheit zu wahren, damit die FDP bei der nächsten Bundestagswahl ihre Chancen nutzen könne. Mende sprach auf dem gestern eröffneten Bundesparteitag der FDP in Freiburg. Er wurde dort mit starkem Beifall begrüßt; nur vereinzelt kam es zu Mißfallenskundgebungen aus dem Kreise der Jungdemokraten. Nach den ersten Stunden des Parteitags herrschte allgemein die Auffassung, daß die gemäßigten Kräfte in der Partei auch diesmal die Oberhand behalten werden.

Entschieden wandte sich Mende, der im Laufe des Parteitags von Walter Scheel abgelöst werden soll, gegen das Programm, das die Jungdemokraten dem Parteitag vorgelegt haben. Besonders scharf verurteilte er die Forderung auf Anerkennung der "DDR". Ein solcher Schritt, erklärte Mende, würde nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch der liberalen Anschauung widersprechen. Eine Lösung der deutschen Frage sei nur noch im Rahmen einer europäischen Friedensordnung möglich; deshalb hätten die Bemühungen um eine europäische Einigung Vorrang.

Allgemeinen Beifall fanden die heftigen Angriffe Mendes gegen die Große Koalition, die er als ein Bündnis des Mißtrauens und der Schwerfälligkeit charakterisierte. In der Großen Koalition, werde "die Demokratie wie ein Stück Seife zwischen zwei Händen verwaschen - einer schwarzen und einer roten". Die Bestrebungen, die FDP durch eine Änderung des Wahlrechts aus dem Rennen zu werfen, seien "ein Skandal". Bei dem Opportunismus der Fraktionsvorsitzenden Barzel und Schmidt könne einem "speiübel" werden. Angesichts dieser Situation sagte Mende seiner eigenen Partei für die Bundestagswahl 1969 gute Aussichten voraus. Notwendig sei aber, daß sich die FDP nicht in "völlig unnötige, die Bevölkerung verwirrende und nichtssagende Richtungskämpfe" verwickeln lasse.

Kurz vor Beginn des Parteitags hatte sich ein heftiger Kampf um den Posten des Bundesschatzmeisters abgezeichnet. Wolfgang Rubin, der dieses Amt seit vielen Jahren versieht, wird von mehreren Landesverbänden angegriffen, weil er sich an die Spitze der überwiegend linksgerichteten "Reformer" gestellt hat. Daran, ob er wiedergewählt wird, wird sich die Stimmung in der Partei ablesen lassen. Mendes Rede, die durchaus nicht den Charakter eines politischen Vermächtnisses hatte, verfolgte offenbar das Ziel, die "Reformer" als schädliche Wirrköpfe hinzustellen. Mende sprach von "Monomanen und Radikalen", denen die Partei nicht zum Opfer fallen dürfe. Es fiel auf, daß der "Spiegel"-Herausgeben Augstein, obwohl er zum Delegierten für den Parteitag gewählt wurde, nicht in Freiburg erschienen ist

Am Nachmittag wurde die Aufmerksamkeit von dem Parteitag durch eine Veranstaltung des SDS abgezogen. Annähernd 2000 Zuhörer, meist Studenten, hatten sich vor der Freiburger Stadthalle versammelt, in der die FDP tagt. Die Stimmung glich anfangs einer Volksbelustigung, wurde aber lebhafter, sobald Rudi Dutschke das Wort ergriff und die FDP-Politiker zu einer öffentlichen Diskussion aufforderte. Dutschke wiederholte das Wort von den "Fachidioten der Politik", das er unter anderem auf den Regierenden Bürgermeister Schütz bezog, und forderte, die Hälfte des Verteidigungshaushalts solle für neue Universitäten zur Verfügung gestellt werden.

Der neue stellvertretende FDP-Vorsitzende von Baden-Württemberg, Professor Dahrendorf, antwortete Dutschke. Er gab zunächst das Wort von den "Fachidioten der Politik" zurück, in dem er sagte, er habe das Gefühl, daß es auch "Fachidioten des Protestes" gebe. Mit Nachdruck warf er Dutschke vor, Töne angeschlagen zu haben, wie man sie sonst nur bei der NPD höre. Dutschke sprach dann von der Gefahr, daß die Bundesrepublik, wenn sie die NATO nicht verlasse, in einigen Jahren gezwungen sein werde, Bundeswehr-Einheiten nach Laos, Kambodscha und Griechenland zu schicken. Dahrendorf antwortete darauf, die "außerparlamentarische Opposition" solle sich besser mit innenpolitischen Problemen beschäftigen als auf Weltprobleme auszuweichen. Als der SDS-Vorsitzende Wolff daraufhin erklärte, dies sei angesichts des amerikanischen Imperialismus" sinnlos, erntete er bei einem großen Teil der Zuhörer lebhaften Widerspruch. Zu einem "go-in" in die Stadthalle kam es nicht, weil das Interesse mit der Dauer der Versammlung merklich abflaute.

Vietnam-Entschließung

Nach einer leidenschaftlichen Debatte hat sich der FDP-Parteitag am Montagabend für die sofortige Einstellung der Bombardierung Nordvietnams ausgesprochen und die Einstellung aller Operationen nordvietnamesischer Streitkräfte auf südvietnamesischem Gebiet gefordert. Gleichzeitig wurde die Bundestagsfraktion der FDP aufgefordert, im Plenum eine Debatte über das Vietnam-Problem zu verlangen.

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