"Made in Berlin": Babbel will Weltmarktführer werden
Das Berliner Start-up Lesson Nine bietet unter dem Namen Babbel Online-Sprachkurse an. Jetzt expandiert das Unternehmen nach New York.
Es wird schon wieder eng. Es ist erst 18 Monate her, da hat Babbel zwei Etagen in einem Hinterhof in der Kreuzberger Bergmannstraße bezogen. Doch inzwischen ist die Belegschaft auf knapp 300 Leute angewachsen. „Bald müssen wir uns wieder nach neuen Räumen umsehen“, sagt Geschäftsführer Markus Witte. Stolz ist er nicht nur auf die große Zahl der Mitarbeiter, sondern auch auf die Mischung: Babbel beschäftigt Menschen aus 26 Nationen. „Ich freue mich immer, wenn ich Polnisch oder Norwegisch auf dem Gang höre“, sagt Witte.
Am Anfang ging es um Musik
Weil die Stadt für viele Menschen von überall auf der Welt attraktiv ist, ist Berlin ein idealer Standort für das Unternehmen, denn Babbel ist eine Online-Sprachschule. Ohne Muttersprachler ginge das gar nicht. Dabei war es einfach nur ein Zufall, wie Witte sagt, der seine Mitgründer Lorenz Heine, Thomas Holl, Toine Diepstraten und ihn auf Online-Sprachkurse gebracht hat: Zunächst haben die drei an Musiksoftware für Bands und DJs gearbeitet, später an Lernsoftware für Musikinstrumente. „Dann wollte Lorenz Spanisch lernen und fand online einfach nichts Vernünftiges“, erzählt Witte. „Wir haben uns gefragt, wie das sein kann, dass es kein Sprachlernangebot im Netz gibt. In der Musik ist das anders, da gibt es eine Menge leidenschaftlich gute Produkte.“
Ein paar Monate haben Witte und seine Mitgründer überlegt. „Wir haben diskutiert, ob wir das können, richtig gute Online-Sprachkurse entwickeln“, erzählt er. „Wir kamen zu dem Schluss, wenn die Liebe zum Produkt das wichtigste ist, dann können wir das.“ Dann haben die Gründer eine steile Lernkurve hingelegt, wie Witte sagt, und sich viele Talente mit an Bord geholt: Didaktiker, Lehrer, Psychologen, Muttersprachler und natürlich auch Produktdesigner, Software-Entwickler, Autoren und Sprecher, die die Kurse umsetzen.
Sprachkurse für jeden
„Unsere Kernidee war: Es muss für alle funktionieren“, sagt Witte. Jeder soll mit Babbel seine Wunschsprache lernen können und zwar möglichst unkompliziert. „Es geht nicht darum, eine Sprache in 14 Tagen zu lernen, sondern in zweimal fünf Minuten am Tag, wann immer man Zeit hat und wo immer man gerade ist.“ Babbel speichert die Lernfortschritte in der Cloud. So kann man jederzeit weiterlernen – auf dem Computer, dem Tablet und dem Smartphone.
Der Anfang war dagegen nicht so unkompliziert, jedenfalls was den Namen betrifft: Babbel durfte sich das Unternehmen nämlich nicht nennen, weil das auch ein Familienname ist, zum Beispiel vom Ex-Fußballnationalspieler Markus Babbel. So gründeten die Vier im Juli 2007 die Firma Lesson Nine und nannten das Produkt Babbel. „Babbel, Babel, Babylon, Babbeln – diese Worte werden im ganzen Sprachbereich benutzt“, sagt Witte. „Dabei wird die Sprachvielfalt, die beim Turmbau zu Babel herrschte, heute eher positiv gesehen.“
Die ersten 18 Monate finanzierten die Gründer, damals zwischen 30 und 35 Jahre alt, aus der eigenen Tasche. „Wir hatten ja vorher alle Jobs gehabt und recht schnell auch ein Produkt im Markt“, berichtet Witte. Im Januar 2008 ging Babbel online. „Wir hatten sehr schnell mehr als 80 000 Nutzer.“ Sogar die „Times of India“ habe damals über das Berliner Start-up berichtet, was Inder für eine Weile zur größten Nutzergruppe machte. „Doch wir stellten fest, dass Inder gern indisches Englisch lernen wollen“, sagt Witte. „Das konnten wir damals aber nicht anbieten.“
14 Lernsprachen im Angebot
Aktuell im Angebot sind sieben Ausgangs- und 14 Lernsprachen. Das heißt: Es gibt Spanisch für deutsche Muttersprachler aber auch Türkisch für schwedische oder Indonesisch für portugiesische Muttersprachler. Mit Babbel lernen Brasilianer Russisch und Franzosen Dänisch. Ein Monat Sprachkurs kostet 9,95 Euro oder 4,95 Euro wenn man ein Jahr im Voraus bezahlt. Im Schnitt gibt es pro Monat 20 neue Kurse, das sind etwa 100 Stunden Sprachkurs. Konkurrenz im Netz machen Rosetta Stone oder Busuu.
Inzwischen hat Babbel bereits zwei Finanzierungsrunden hinter sich. Zuletzt sammelte die Firma 2013 zehn Millionen Dollar bei Investoren ein, beteiligt waren Reed Elsevier Ventures aus London, Nokia Growth Partners sowie die ursprünglichen Investoren IBB Beteiligungsgesellschaft und Kizoo Technology Ventures. Nach eigenen Angaben ist Lesson Nine seit drei Jahren profitabel. Über Umsatz oder Nutzerzahlen verrät Witte allerdings nichts. Nur so viel: „Wir verdoppeln uns jedes Jahr – was Kunden, Umsatz und fast auch Personal betrifft.“ Und: „Wir wollen einen Weltmarktführer bauen.“ So wird auch das Geld der Investoren für die Expansion eingesetzt. Ein Büro in New York gibt es bereits.
„Die Investoren sind für die Firma da.“
„Wir bauen keine Firma für Investoren“, diese Feststellung ist Witte wichtig. „Die Investoren sind für die Firma da.“ Es gibt eine Art Beirat mit dem er sich regelmäßig austauscht. „Manchmal sind einsame Entscheidungen nicht mehr gut genug“, hat er gelernt. „Das Schwierige ist, dass der Markt nicht klar definiert ist.“ Das mache es auch für die Kunden schwierig zu beurteilen: Stimmt die Qualität? Was ist ein fairer Preis? Möchte ich in einem werbefinanzierten Umfeld lernen? „Aus unserer Sicht ist es am besten, wenn der, der den Nutzen hat, auch die Rechnung bezahlt“, sagt Witte. Was wiederum dazu führt, dass die App eben nicht kostenlos ist, wie so viele andere.
Wer die Sprachkurse tatsächlich nutzt, darüber weiß Babbel nicht viel. „Wir sammeln keine Daten über unsere Nutzer, Nutzungsdaten aber sehr wohl“, sagt Witte. Wenn also viele Lernende an einer bestimmten Stelle im Kurs aussteigen, wird nachgebessert. „Wir wollen Sprachen lernen kinderleicht machen“, sagt Witte. „Das ist schon ein dickes Brett.“