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Majestätisch. Der Tejo ist der längste Fluss der Iberischen Halbinsel und mündet kurz hinter der Hängebrücke in den Atlantik.
© Turismo de Portugal

Lissabon: Fünf Hügel am Tejo

Pasteis de Nata probieren und der Fado-Musik lauschen: Mehr Besucher denn je erkunden die portugiesische Hauptstadt. Das geht am besten zu Fuß.

Römer, Mauren, Portugiesen. Seit knapp 2000 Jahren hinterlassen Seefahrer ihre Spuren in der Stadt an der Tejo-Mündung. Von hier aus begann für Portugal im 16. Jahrhundert der Aufstieg zur Kolonialmacht und setzte nach dem verheerenden Erdbeben 1755 der wirtschaftliche Niedergang des Landes ein. Heutzutage suchen Touristen die Melancholie des Fado und probieren die wohlschmeckendsten Puddingtörtchen der Welt, die Pasteis de Nata. Lissabon ist in den vergangenen Jahren geschrumpft, von 800 000 auf etwas mehr als eine halbe Million Einwohner. Dafür streifen mehr Touristen denn je durch die Baixa, die Unterstadt am alten Hafen, und das Bairro Alto, das Ausgehviertel auf einem der zahlreichen Altstadthügel.

UMSONST UND DRAUSSEN

Lissabon ist eine ehemalige Schifffahrts- und Handelsmetropole – mit modernen Infrastrukturproblemen. Ehemalige Werften und Lagerhäuser verwahrlosen. In der LX Factory an der großen Hängebrücke über den Tejo ist deshalb aus dem Industrie- ein Kreativviertel geworden. Bei „Muito muito“ gibt es Antiquitäten, nebenan Burgerlokale, ein kleines Hostel, portugiesische Designläden und in der vierten Etage eines Speichers das Café „Rio Maravilha“ mit einem grandiosen Blick auf die Brücke und den weiten Himmel zum Atlantik hin. Das Panorama ist gratis, alles Weitere kostet.

AKTIV

Zu Fuß die portugiesische Hauptstadt zu erkunden, genügt völlig, um sich die Puddingtörtchen wieder abzutrainieren. Lissabon liegt auf fünf Hügeln, die Aufstiege sind dermaßen steil, dass alpine Erfahrung und eine Bergsteigerkondition nicht schaden. Einfach in Ruhe die schmalen Treppen hinaufschnaufen und zwischendurch den Blick über die Dächer der Stadt genießen.

ALT UND BEWÄHRT

Sie ist nicht die größte Kirche Lissabons, aber die älteste: die Catedral Sé Patriarcal im Stadtteil Alfama. Sie wurde im 12. Jahrhundert an der Stelle einer Moschee errichtet, um damit weit sichtbar den Sieg über die Mauren zu feiern, und ist trotz kleiner Ausmaße bis heute die Hauptkirche der Stadt. Zwei romanische Türme recken sich in den Himmel, viereckige Klötze mit Dutzenden Zinnen, die eher an eine Festung als ein Gotteshaus erinnern. Die Innengestaltung ist ebenso schlicht. Auch dieses Bauwerk steht nahe einem spektakulären Aussichtspunkt: Auf halbem Weg hoch zum Kastell schaut man auf den Tejo hinunter. Am Sonntagvormittag können Besucher der Messe beiwohnen – eine sehr ergreifende Erfahrung in den alten Gemäuern.

Malerisch. Die Catedral Sé Patriarcal in der Alfama wurde vor mehr als 800 Jahren errichtet.
Malerisch. Die Catedral Sé Patriarcal in der Alfama wurde vor mehr als 800 Jahren errichtet.
© Turismo de Portugal

EIN ORT ZUM AUSRUHEN

Sightseeing artet in der Altstadt schnell in Leistungssport aus. Für eine Pause eignet sich der Jardim da Estrela, der Sternengarten. Er ist kleinstädtisch beschaulich und einen 20-Minuten-Spaziergang vom Bairro Alto entfernt. Im Teich schnattern fette weiße Enten, im Terrassencafé turteln Paare miteinander und im Jugendstil schweigt der Musikpavillon majestätisch. Die Zeiten der Nachmittagsorchester scheinen lange zurückzuliegen. Das Schönste nach einem Spaziergang, bei dem die Socken rauchten: Der Park liegt auf einem Plateau, es gibt keine nennenswerte Steigung zu bewältigen.

Was empfiehlt der Koch zum Digestiv?

Die Street Art im Stadtteil Alcantara ist erst ein paar Jahre jung.
Die Street Art im Stadtteil Alcantara ist erst ein paar Jahre jung.
© Ulf Lippitz

GUTER MARKT

In der Nähe des Jardim liegt das Viertel Campo de Ourique, das Charlottenburg von Lissabon – bürgerlich, etwas konservativ. Nur wenige Touristen finden ihren Weg hierher. Das soziale Zentrum bildet die 80 Jahre alte Markthalle. Sie ist seit einer Renovierung vor drei Jahren zweigeteilt: in den regulären Gemüse- und Fischmarkt für die Anwohner und einen Gastromarkt für Foodies. Um vier große Stände herum gruppieren sich Delikatessenanbieter. Es gibt Schokolade aus dem nahen Cascais, Rührei mit Spargel aus dem Alentejo und natürlich vegane Burger oder Gojibeerenmüsli. Am Wochenende wird es ab mittags richtig voll.

RESTAURANT MIT JUNGER KÜCHE

Jahrelang stand die portugiesische Küche im Schatten der spanischen mit ihren innovativen Tapas. Das soll sich ändern. Auch dank der „Casa de Pasto“, übersetzt: Landhaus (Rua de Sao Paulo 20). Hinter einer versteckten Tür gehen Gäste eine Treppe in die erste Etage hinauf, wo sie eine kitschige Wunderkammer in Wohnzimmeratmosphäre empfängt. Alte Tapeten kleben an den Wänden, von der Decke hängen Plastikhühner, die krähen, wenn man auf den Gummibauch drückt, und im Raucherraum sausen Schweine durch die Luft. Denkt man jedenfalls, wenn man die dünnen Fäden nicht sieht, an denen sie baumeln. Herr des Hauses ist Hugo Dias de Castro, ein junger Koch mit flottem Kaiserschnurrbart und zurückgegelten Haaren. Er will, dass die Gäste sich ihre Mahlzeiten teilen und deshalb gleich mehrere Teller bestellen. Zum Beispiel den Kabeljau mit Kichererbsen und Kohl, die kräftige Suppe aus schwarzen Bohnen oder das stundenlang geschmorte Schweinefleisch, das er mit einer bitteren Orangencreme serviert. Was empfiehlt der Koch zum Digestiv? Hugo und seine Bartspitzen weisen nach draußen, vor die Tür, wo zwischen altem Hafen und Bairro Alto die besten Spelunken liegen. Dort gehe er auch manchmal hin, um den Stress nach der Arbeit dezent herunterzuspülen.

TOLLE BAR

Gleich um die Ecke der Casa de Pasto liegt das „Pensao Amor“. Das ehemalige Bordell wurde in ein verzweigtes Etablissement mit Lesezimmer, Tarot-Raum und Plüschbar umgebaut. Originelles Dekor, aber am Wochenende überrannt von britischen Sauftouristen. Lieber weiter oben an der Straße (ja, ein kurzer steiler Fußmarsch bergauf) probieren. Dort liegt das Bairro Alto Hotel (Praça Luís de Camões 2), das zwei klassische Hotelbars hat. Eine davon befindet sich auf der Dachterrasse in der sechsten Etage, die obligatorische Rundumsicht auf die Stadt und den Fluss inklusive. Hier arbeitet Marco Sousa, ein 28-jähriger Barmann, der wundervolles Londoner Englisch redet. Seine Devise für Drinks: einheimische Zutaten favorisieren. Den eigens kreierten „Spice Honey Flavour“ auf Gin-Basis verfeinert er mit Zitronensaft, Orangensaft, Chili und Honig. Schmeckt erst ziemlich scharf, bis der Honig den Mund beruhigt. Sousa mag die bohemienhafte Atmosphäre des Bairro Alto, diese Mischung aus Lebenskünstlern und Studenten, die Gassen, in denen man sich an die Mauern quetschen muss, wenn ein Auto vorüberfährt, und die Aussicht, die man vom Miradoura de Sao Pedro auf die Unterstadt hat. Den schönsten Blick allerdings, sagt er, finde man woanders.

Das Viertel Graca ist vom Tourismus noch unentdeckt

Ein Mural in der LX Factory interpretiert Adam und Eva neu.
Ein Mural in der LX Factory interpretiert Adam und Eva neu.
© Ulf Lippitz

BESTES PANORAMA

Marco Sousa empfiehlt einen weiteren Miradour, einen von sieben Aussichtpunkten auf die Stadt, nämlich den hinter der Kirche von Graca. Von hier aus hat man sowohl die Festung linkerhand, und den Tejo, als auch die riesige Hängebrücke und das Bairro Alto rechterhand im Blick. Außerdem können Gäste direkt an der Mauer einen Cappuccino trinken, an einem kleinen quiosque. Dort sitzt schon Telmo Pires, ein in Deutschland aufgewachsener portugiesischer Fado-Sänger, der in Berlin und Lissabon lebt. Für ihn ist der Blick von hier oben eine ständige Selbstbestätigung des Pendlerlebens: Alles richtig gemacht.

Fado-Sänger Telmo Pires pendelt zwischen Berlin und Lissabon.
Fado-Sänger Telmo Pires pendelt zwischen Berlin und Lissabon.
© Mike Wolff

NEU UND ÜBERRASCHEND

Das Viertel Graca hinter dem Aussichtspunkt ist vom Tourismus noch unentdeckt. Für Telmo Pires ist es eines der schönsten von Lissabon. Hier leben noch Arbeiter, die Kommunistische Partei hat ihre Zentrale an der Hauptstraße und einige der architektonisch schönsten Beispiele für genossenschaftliches Wohnen finden sich in Graca. Ein paar Gassen hinter der Kirche liegt beispielsweise die Vila Berta, eine Straße am Hang, die vor 100 Jahren im Jugendstil errichtet wurde: schmiedeeiserne Balkone und bunte Fassadenfliesen, die florale Muster formen, große Balkone und kleine Vorgärten. Auf der anderen Bergseite, im „Giradiscos“ (Caminho do Monte 30), einem Cafe mit einem Plattenschrank, alten Covern und bunten Plakaten, trinkt Telmo Pires gern einen Vino Verde. Hier ist er unter Freunden. Manchmal singt er für sie und Passanten in der Bar seine Fado-Lieder.

ARCHITEKTONISCHES HIGHLIGHT

Telmo Pires erzählt begeistert von einem umgebauten Stadtpalast aus dem 19. Jahrhundert, der jahrelang im Dornröschenschlaf versauerte und nun zu einem kleinen Designkaufhaus umfunktioniert wurde. Die „Embaixada“ (Praça do Príncipe Real 26) im Bairro Alto sieht von außen wie ein Palast aus 1001 Nacht aus, ihn schmücken eine Zwiebelkuppel und bauchige Fensterbögen. In der Haupthalle bietet ein Restaurant portugiesische Fleischgerichte an, im Sommer auch draußen im Garten. Auf zwei Etagen sind lokale Designer in die ehemaligen Wohnräume eingezogen und verkaufen Kleidung, Accessoires oder Keramik. Armando Cabral entwirft schnieke Lederschuhe für Herren, Organii Bebe deckt die Bedürfnisse von ökologisch bewussten Eltern ab und Urze verkauft Kleider aus Wolle und Leinen. Das ist alles sehr geschmackvoll, aber nicht immer billig. Unbezahlbar ist hingegen das Gefühl, wenn man auf der eleganten Freitreppe im Foyer steht und sich wie der König von Lissabon fühlt. Mindestens.

Reisetipps für Lissabon

Das Bairro Alto mit den gekachelten Wänden.
Das Bairro Alto mit den gekachelten Wänden.
© Turismo de Portugal

ANREISE

Von Tegel fliegt die portugiesische TAP zwei Mal täglich nach Lissabon (ab etwa 230 Euro hin und zurück). Ab Schönefeld gibt

es täglich Verbindungen mit Easyjet und Ryanair – auch diese kosten in der Hochsaison um die 200 Euro.

UNTERKUNFT

Das „Hotel Lisboa Plaza“ liegt in einer Seitenstraße hinter der Avenida da Liberdade, den Champs-Élysées von Lissabon. Fast alle Wahrzeichen sind zu Fuß erreichbar, nur zum Kastell lohnt sich die Benutzung der Tram. Doppelzimmer ab 115 Euro.

STADTFESTE

Im Sommer finden in einigen Vierteln Open-Air-Partys statt. In der Vila Berta (siehe Text) feiert beispielsweise vom 2. bis 13. Juni der Bezirk Graca sich selbst. Der Schutzheilige der Stadt, Santo Antonio, wird mit einem Fest am 12. Juni geehrt. Abends laufen tausende kostümierte Menschen auf der „Marchas Populares“ über die Avenida da Liberdade.

INFO

Alles Wissenswerte über die Stadt findet sich auf visitlisboa.com, der Website des städtischen Tourismusbüros.

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