Ein krachender Verriss gefällig? Vielleicht in zwei Wochen wieder, heute nicht, tut mir leid. Im „Facil“ gibt es nichts zu kritisieren – im Gegenteil: Wie hier eine lange zusammenarbeitende Mannschaft die Qualität Jahr für Jahr weiter steigern konnte, nötigt mir Bewunderung ab. Die immer wieder gestellte Frage „Welches ist denn Ihr Lieblingsrestaurant?“ würde ich im Moment relativ schnell beantworten. In Berlin? Das hier.
In diese Bewertung fließt nicht nur die Küche Michael Kempfs ein. Er liegt jetzt gleichauf mit Christian Lohse und Tim Raue, den Besten der Stadt, dazu gleich mehr. Denn das „Facil“ ist erst einmal das schönste Berliner Restaurant. Das glitzernde Millionending mit den Glaswänden und der verschiebbaren Decke hat in den fast neun Jahren seit der Eröffnung keine Patina angesetzt, es ist frisch wie am ersten Tag, und das bedeutet: Komfort, funktionelle Präzision, ästhetische Perfektion. Nichts beleidigt das Auge, die Tische – und damit die Teller – sind gut beleuchtet.
Noch wichtiger: Die beiden wichtigsten Servicepositionen, Restaurantleiter und Sommelier, sind seit Eröffnung in den Händen von Manuel Finster und Felix Voges. Diese Kontinuität macht den Unterschied aus, hier läuft die Sache wie ein Uhrwerk, genau, diskret, ohne großes Getue. Hier wissen alle, dass ein abgegessener Teller eine eindeutige Botschaft vermittelt: Es hat geschmeckt. Und deshalb wird die nervende Frage im Normalfall nicht gestellt. Und kein Gast bekommt ungefragt ein Weinseminar aufgedrückt, es sei denn, er will es unbedingt.
Ah, die Küche. Kempf hat mal als Mittelmeeriker angefangen; jetzt ist sein Stil nicht mehr einzuordnen. Das heißt: Er hat einen eigenen gefunden. Dieser Stil ist vor allem hinreißend leicht. Bemerkenswert oft tauchen Salatzubereitungen auf seinen Tellern auf, frische Kombinationen, die oft eine genau dosierte Bitternote ins Spiel bringen und durch dezente, ebenso genau dosierte Süße ausbalanciert sind. Zur schmelzend zarten Taubenbrust mit Sauce von Akaziensamen ist das beispielsweise ein Gemisch aus Rucola, Pomelo-Würfeln und Macadamia-Nüssen; den herrlich gradlinig ohne Schnörkel in der Pfanne gebratenen Müritz-Lammrücken bereichert eine kleine Anrichtung aus Radicchio und rohen Schwarzwurzelscheiben, die in Portwein und Hibiskussalz mariniert sind. Sättigungsbeilagen sind abgeschafft.
Wie genau hier gearbeitet wird, zeigen aber alle Kombinationen. Die maritime Vulgarität eines Makrelenfilets fängt Kempf mit der sahnigen Glätte geschmolzener Gänseleber auf und setzt Kontrapunkte mit Kressepüree und Mangowürfeln, ein Spritzer Holzkohleöl spendet kaum merkliches Raucharoma. Bei der Langustine mit Perlhuhnschinken und Apfel/Avocado/Papaya-Salat setzt ein kleiner Hauch Arabien den Effekt, beim schon erwähnten Lamm ist es die deftig-fruchtige Barbecue-Sauce. Und Kempf schafft es auch, den knusprigen Schweinebauch trotz Miso-Sauce, Rettich und Soba-Nudeln eben nicht exotisch wirken zu lassen. Es handelt sich also um eine komplizierte, in ihren sensorischen Details genau durchdachte Küche, die aber einfach wirkt und immer auf einen Schwerpunkt ausgerichtet ist, statt mit konkurrierenden Effekten zu nerven.
Es muss noch ein Name fallen: Joachim Gläser, der Patissier, ist ebenfalls schon fast von Anfang an dabei. Er hat seine Fertigkeiten so konsequent weiterentwickeln dürfen, dass er in Deutschland keine Konkurrenz mehr zu scheuen hat. Seine filigrane Konstruktion aus hauchdünnen goldenen Knusperröllchen, in denen sich ein Ananaskompott mit der belebenden Säure von Kalamansi befindet, mit einem Passionsfrucht-Törtchen und Litschi-Eis ist für mich das Dessert des Jahres; nur eine Winzigkeit dahinter der Cox-Orange-Apfel mit leichter Schokocreme und Cassis-Sorbet; herrlich, wie hier alles knuspert und schmilzt. (Menüs 85/125 Euro, Hauptgänge um 45 Euro.)
So kann’s gehen, wenn ein Hoteleigner gute Leute nicht nur effektvoll einstellt, sondern ihnen auch Zeit zur Entfaltung lässt. Für mich ist das glattes Zwei-Sterne-Niveau.
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