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Virginia Roberts Giuffre spricht im Fall Epstein mit Journalisten vor einem Gericht in Manhattan.
© Bebeto Matthews/dpa

Epstein-Opfer sagt erneut gegen Prinz Andrew aus: „Es war ekelhaft“

Prinz Andrew hat sie als Sexsklavin missbraucht, behauptet ein Opfer. Jeffrey Epstein soll sie an ihn vermittelt haben.

Das britische Königshaus kommt nicht aus den Schlagzeilen. Ausgerechnet am Vorabend eines festlichen Empfangs für die Staats- und Regierungschefs der Nato im Buckingham-Palast strahlte die öffentlich-rechtliche BBC erneut eine Sendung aus, die sich mit den Sex-Vorwürfen gegen Prinz Andrew beschäftigte. Den Lieblingssohn von Königin Elizabeth II wollen fünf Amerikanerinnen zu einer Aussage über seine Freundschaft mit dem verurteilten Sexualverbrecher Jeffrey Epstein bewegen.

Kernstück der „Panorama“-Magazinsendung vom Montagabend war ein ausführliches Interview mit der Hauptbeschuldigerin des Herzogs von York. Epstein und dessen englische Partnerin Ghislaine Maxwell hätten sie Anfang des Jahrhunderts zur „Sexsklavin“ gemacht und an diverse Männer, darunter auch Prinz Andrew, ausgeliehen, beteuerte Virginia Giuffre. Ausführlich schilderte die Zeugin einen Märzabend im Jahr 2001, an dem sie, damals 17, in London dem damals 41-jährigen Prinzen vorgestellt worden sei. Gemeinsam habe man die Promi-Disco Tramp besucht, wo der „furchtbar schlechte Tänzer“ Andrew sich stark schwitzend zur Musik bewegte. Später sei sie von Maxwell zu deren Haus gefahren und dazu aufgefordert worden: „Du musst für Andrew machen, was du auch für Jeffrey machst.“ Nach einem gemeinsamen Foto sei es dann zum Geschlechtsverkehr mit dem Prinzen gekommen, wie später noch je einmal in Epsteins New Yorker Anwesen sowie auf einer Karibikinsel, die dem Finanzjongleur gehörte. Sie habe sich davor geekelt, sagte die Amerikanerin. „Aber ich wusste, ich musste ihn glücklich machen.“ Und: „Es dauerte nicht sehr lange, die ganze Prozedur. Es war ekelhaft“, erinnerte sich Giuffre.

Die heute 35 Jahre alte Mutter von drei Kindern bat die britische Öffentlichkeit um Unterstützung: „Bitte helfen Sie mir in meinem Kampf. Dies ist keine Schmuddelsex-Geschichte; es geht um Menschenhandel und Missbrauch.“ Selbstsicher reagierte die eigenen Angaben zufolge bereits als Siebenjährige von einem Familienmitglied missbrauchte Frau auf Einwände des Interviewers, wonach ihre Aussagen nicht immer stimmig gewesen seien. Sie legte zudem offen, dass eine britische Zeitung ihr 2015 umgerechnet 144000 Euro für ihre Aussage bezahlt hatte.

Der Herzog von York hatte an seiner Freundschaft mit Epstein noch festgehalten, nachdem dieser bereits 2008 als Sexualverbrecher verurteilt worden war. Einen fünftägigen Aufenthalt im New Yorker Anwesen des Multimillionärs im Winter 2010 rechtfertigte Andrew damit, er habe das Verhältnis persönlich beenden wollen. „Das liegt an meiner Tendenz, besonders ehrenhaft zu sein“, teilte er Mitte November einer BBC-Interviewerin mit. Diese und ähnliche Aussagen („Ich konnte nicht schwitzen, weil ich im Falkland-Krieg beschossen worden war“) führten zu einem Sturm der Entrüstung, der Andrews Rückzug von allen öffentlichen Funktionen notwendig machte.

Laut Staatsanwaltschaft hatten Epstein und Maxwell einen Sexhandelsring betrieben und Hunderte junger Frauen ausgebeutet und missbraucht. Das Duo hat alle Vorwürfe stets zurückgewiesen. Seit dem Selbstmord des Finanzjongleurs in einem New Yorker Gefängnis im August tobt in den USA ein Rechtsstreit um Ansprüche gegen den Nachlass des 66-Jährigen, dessen Vermögen zuletzt mehr als eine halbe Milliarde Dollar betragen haben soll.

Andrew darf nicht mehr an Staatsempfängen teilnehmen

Andrews katastrophales Interview überschattete einen lang geplanten einwöchigen Besuch von Prinz Charles und seiner Gattin Camilla in Neuseeland, einer der 15 früheren britischen Kolonien, deren Staatsoberhaupt Elizabeth II. bis heute ist. Dass der 71-jährige Thronfolger seiner Mutter dereinst nachfolgen kann, wird durch Skandale im Königshaus gelinde gesagt nicht wahrscheinlicher. Dementsprechend sauer soll Charles auf die unwillkommene Ablenkung durch den Bruder reagiert haben, von dem er einmal sagte: „Andrews Problem ist letzten Endes, dass er an meiner Stelle sein möchte“ – wie viele nachgeborene Prinzen vergangener Jahrhunderte auch.

Nun darf er nicht einmal mehr an Staatsempfängen teilnehmen wie der festlichen Begrüßung, die das Königshaus am Dienstagabend für die Staats- und Regierungschefs der Nato ausrichtete. Während die Royals der mittleren Generation geschlossen antreten wollten, musste Andrew zu Hause bleiben.

Wie Maxwell sowie der ebenfalls beschuldigte US-Staranwalt Alan Dershowitz hat auch der Prinz die Vorwürfe Giuffres stets zurückgewiesen: „Ich bin dieser Lady nie begegnet.“ Die Hauptbeschuldigerin wie vier andere Frauen aus Epsteins Umfeld wollen Andrew nun zu einer Zeugenaussage bewegen über die Vorgänge in den diversen Anwesen des verstorbenen Multimillionärs, in denen der Prinz um die Jahrhundertwende teilweise eine Woche und länger verweilte.

Im BBC-Film waren Ausschnitte aus einer gefilmten Hausdurchsuchung durch die Kripo von Palm Beach in Florida zu sehen. Sie zeigten Wände voller Aktfotos von durchtrainierten, jungen Frauen. Dass bei Epstein junge bis sehr junge Frauen ein – und ausgingen, sei ihm nie aufgefallen, hatte der Prinz beteuert. Er stehe, „falls notwendig“, für Auskünfte an die beteiligten Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung.

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