zum Hauptinhalt
Farina Kerekes, 30, arbeitet als Kassiererin im Supermarkt.
© privat

Kassiererin über den Corona-Lockdown: „Es hat sich ausgehamstert“

Kunden suchen Streit und weigern sich, die Maske zu tragen. So erlebt die Einzelhandelskauffrau Farina Kerekes die Coronakrise. Ein Protokoll.

Farina Kerekes, 30, ist Einzelhandelskauffrau in einem Supermarkt im Ruhrgebiet. Zu Beginn des Lockdowns hatte sie hier ihrem Ärger über Kunden Luft gemacht, die in der Corona-Krise alle Manieren vergessen. Wir haben sie gefragt, wie es ihr gerade ergeht. Ein Protokoll.

Seit letzter Woche hat es sich endlich ausgehamstert! Bei uns im Ruhrgebiet, wo so viele Menschen leben, hat es wohl etwas länger gedauert als im Rest der Republik, aber jetzt ist Klopapier wieder regulär zu haben. Nur das Desinfektionsmittel ist noch knapp.

Was nicht besser geworden ist: die Stimmung. Zu Beginn der Pandemie gab es eine Welle der Solidarität, manche haben uns Kassierern sogar Süßigkeiten geschenkt. Das hat nicht lange angehalten.

Viele sind gestresst vom Lockdown, ständig werde ich in Diskussionen über Verschwörungstheorien verwickelt. Manche kommen nur, um Streit mit uns anzufangen. Wir sind der falsche Adressat dafür!

Mehr Diebstähle

Auch die Security ist nur noch mit Leuten beschäftigt, die sich weigern eine Maske zu tragen oder sie korrekt über Mund und Nase zu ziehen. Es wird auch viel mehr geklaut - vielleicht, weil die Menschen denken, wir stehen eh am Abgrund und die Plünderungen sind nah.

Ich bin so dankbar für die umfassende Maskenpflicht bei uns in NRW. Natürlich ist es ultra anstregend zehn Stunden diese Hitze des Ausatmens zu ertragen, meine Haut ist schon ganz gereizt.

Aber es ist die einzige Möglichkeit, uns zu schützen. Neulich hat mich eine ältere Dame angehustet, ich konnte die Tröpfchen auf meinem Arm spüren - das wäre mit Maske nicht passiert.

[Behalten Sie den Überblick über die Corona-Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.]

Die Plexiglasscheiben vor meiner Kasse helfen eher wenig, ich müsste in einer richtigen Kabine sitzen, um mich sicher zu fühlen. Beim Einpacken der Ware kommen mir die Kunden doch recht nahe. Und den geforderten Abstand von anderthalb Metern können wir in unseren engen Gängen nicht wirklich einhalten.

Keinen Bock zu sterben

Ich habe Angst vor einer zweiten Welle und frage mich, warum die Regierung auf die Wirtschaftslobby statt auf die Virologen gehört hat. Inzwischen habe ich einen Heidenrespekt vor dem Virus. Ich habe keinen Bock zu sterben, nur weil jemand nicht richtig niesen kann.

Wir im Handel müssen uns jetzt mit anderen systemrelevanten Berufen zusammentun - denn wir haben eines gemeinsam: wir sind schlecht bezahlt, schlecht angesehen und meist weiblich.

Ich habe eine Petition gestartet, in der ich eine Gefahrenlage fordere und endlich allgemeinverbindliche Tarifverträge. Bislang haben 17 500 Leute unterschrieben.

Ich habe mich auch schon mit Menschen, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege einsetzen, getroffen. Es ist unser Moment, endlich Forderungen zu stellen. So kann aus dieser Krise vielleicht noch etwas Gutes entstehen.

Zur Startseite