zum Hauptinhalt
Juckreiz quält Neurodermitis-Patienten besonders - und verschlimmert die Krankheit.
© Fotolia

Neurodermitis: Endlich Hilfe für die gequälte Haut?

Bislang war es in schweren Fällen kaum möglich, Neurodermitis ausreichend zu behandeln. Ein neues Medikament verspricht nun Abhilfe.

Es ist nicht nur die trockene und entzündete Haut, die Neurodermitis-Kranken zu schaffen macht. Es ist vor allem der Juckreiz. Er raubt den Schlaf. Das Kratzen macht dann alles noch schlimmer, es entstellt die Haut und bringt die Krankheit erst so richtig in Gang. In schweren Fällen erweist sich die Behandlung noch immer als schwierig, echte medizinische Fortschritte gab es in den letzten Jahren kaum.

Das könnte sich zum Glück nun ändern. In dieser Woche wurde von der Europäischen Kommission ein neuartiger Wirkstoff gegen Neurodermitis für die EU zugelassen. Die Substanz mit Namen Dupilumab ist ein „wirklicher Durchbruch“ nach langer Stagnation, sagt Torsten Zuberbier, Leiter des Allergie-Zentrums der Berliner Charité.

Neurodermitis, auch atopisches Ekzem oder atopische Dermatitis genannt, ist häufig. Bis zu 30 Prozent der Kinder erkranken, zum Glück verschwindet das Hautleiden bei den meisten sang- und klanglos vor dem Erwachsenwerden. Aber bei einigen nicht. Sie haben auch später noch mit Neurodermitis zu kämpfen. Die macht sich dann vor allem an Kopf, Hals, Ellenbogen und Kniekehle bemerkbar.

Gene und Umwelt wirken zusammen

Neurodermitis ist eine Sache der Veranlagung. Die Ursache dürfte in den Genen liegen, die Auslöser des Leidens sind dagegen vielfältig. Genetische Faktoren begünstigen zunächst eine „Barrierestörung“ der Haut. Das heißt, dass die Haut ihre Aufgabe, den Organismus gegen die Außenwelt abzuschirmen, nicht erfüllen kann.

In einem zweiten Schritt kommt dann das Immunsystem ins Spiel, das nach Verletzungen der trockenen Haut (etwa durch Kratzen) übereifrig, „allergisch“ reagiert. An sich harmlose Stoffe – Pollen, körpereigene Eiweiße – führen zu falschem Alarm der Körperabwehr. Das schadet der Hautbarriere zusätzlich, es kommt zu Infektionen und die Haut juckt noch mehr. Ein Teufelskreis. Etliche weitere Faktoren, etwa Stress oder trockene Luft und zu häufiges Waschen können die Probleme noch verschlimmern.

Der neue Wirkstoff löscht die "Zündschnur" des Leidens

Der neue Wirkstoff Dupilumab (Handelsname „Dupixent“) bremst das „aufgekratzte“ Immunsystem, indem er die Signalmoleküle Interleukin 4 und 13 blockiert. Sie sind so etwas wie die Zündschnur der Neurodermitis. Wird sie ausgetreten, beruhigt sich die Haut und der Juckreiz schwindet.

„Wir konnten deutliche Verbesserungen bei Patienten mit schwerer Neurodermitis feststellen“, sagt der Charité-Experte Zuberbier. Zugleich erwies sich das Medikament – es muss alle zwei Wochen unter die Haut gespritzt werden – als gut verträglich. Es kann jedoch sein, dass Lippenherpes oder Lidrandentzündungen etwas häufiger auftreten, hat Zuberbier beobachtet.

Den Krankenkassen wird das neue Medikament einige Kopfschmerzen bereiten. Antikörper sind Eiweißmoleküle und aufwändig in der Herstellung. Zudem lassen sich die Firmen echte Neuerungen gut bezahlen. Der Preis für eine Jahresdosis Dupilumab dürfte daher wohl kaum unter 20 000 Euro liegen.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels und schreibt an dieser Stelle alle vier Wochen. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht? Bitte an: sonntag@tagesspiegel.de

Zur Startseite