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Recht sumpfig, bitte. Der Mandschurenkranich liebt es feucht. Trockenlegung für die Agrarwirtschaft hat seinen Wildbestand stark verringert.
© Imago

Mandschurenkranich: Ein Promi ohne Publikum

In Ostasien wird er verehrt und auf Kunstwerken verewigt, im Berliner Tierpark aber kommt der Mandschurenkranich gegen knuffige Konkurrenz nicht an.

Beflissen watet er durch die Sumpflandschaften der japanischen Insel Hokkaido, anmutig vollführt er seinen berühmten Balztanz in den überfluteten Küstengebieten Koreas und des nördlichen Chinas. Das ist seine Bühne, hier ist der Mandschurenkranich ein Star, seit Jahrhunderten verewigt auf jedem zweiten Kimono und jedem dritten Paravent. Er gilt als Symbol für Glück, ein langes Leben und Treue, denn so ein Kranichpaar hält bis zum Tod zusammen. Auch in buddhistischen Tempeln taucht das Tier auf, als vergoldete Figur säumt es die heiligen Objekte und Opfergaben. Nicht zuletzt dient es als Vorbild für den gefalteten Origamikranich.

Gut möglich, dass der Mandschurenkranich auch dank seines Äußeren zum ostasiatischen Kulttier wurde. Denn schaut man genau hin, erkennt man in ihm eine vogelgewordene Geisha: Das Federkleid ist zum größten Teil weiß wie die gepuderte Porzellanhaut der japanischen Unterhaltungsdamen. Die langen Beine, Teile des Kopfes, des Halses und der Flügel bilden dazu einen schwarzglänzenden Kontrast. Und so wie tiefroter Lippenstift das puppenhafte Gesicht einer Geisha kennzeichnet, trägt der Mandschurenkranich einen leuchtend roten Hautfleck kronengleich auf seinem Kopf.

Um Aufmerksamkeit betteln ist unter ihrem Niveau

Ihr edles Aussehen und der Ruhm bewahrt die Kranichart jedoch nicht vor Problemen. Es gab Zeiten, da galt sie in Japan als ausgestorben – der Mensch bewunderte das Tier zwar, jagte es aber auch und legte viele Feuchtbiotope für die Landwirtschaft trocken, irgendwann umfasste die Population nur noch wenige tausend wilde Exemplare. Seit der Mandschurenkranich offiziell als besonders gefährdet gilt, ändert sich das langsam. Von einem echten Comeback, vom ganz großen Auftritt, kann aber keine Rede sein. Auch nicht im Berliner Tierpark.

Hier lebt ein Mandschurenkranichpärchen, doch kein Glamour weit und breit. Stattdessen: nervige Nachbarn, Blick auf Plattenbauten, kaum Verehrer. „Wie alle Vögel bekommen sie von den Zoobesuchern wenig Aufmerksamkeit“, seufzt Revierleiter Ronald Richter. Knuffig ist Trumpf, so ist das heute. Die beiden Mandschurenkraniche tragen es mit Fassung und geben sich bodenständig. Wie jedes Jahr um diese Zeit brüten sie gemeinsam. Sie sind erfahren und zuverlässig, deshalb schlüpfen meistens aus beiden Eiern Küken. Selbst Kainismus, den unter jungen Mandschurenkranichen verbreiteten Brudermord, kann das Paar in der Regel verhindern. Während ihre Nachbarn, die Schneekraniche, lautstark krächzen, die Köpfe wild nach hinten schlagen und den Pflegern auf die Pelle rücken, halten sich die Mandschurenkraniche dezent im Hintergrund. Um Aufmerksamkeit betteln ist einfach unter ihrem Niveau.

Dramatische Familiengeschichte

Aber wie es sich für Mitglieder der High Society gehört, haben auch sie einen dunklen Fleck in ihrer Familiengeschichte. Das Weibchen ist mehr als 30 Jahre alt, ihren ersten Partner hat sie überlebt. Noch zu DDR-Zeiten, erzählt Ronald Richter, hat sich die schreckliche Geschichte zugetragen: Ein ausgerissenes Gnu verirrte sich ins Gehege der Mandschurenkraniche, die beiden Vögel bekamen Panik und liefen in den Zaun. Er verletzte sich tödlich, sie kam mit einem gebrochenen Schnabel davon – den Knick sieht man noch heute.

Lebenserwartung:  50 Jahre

Fütterungszeiten:  keine festen Zeiten

Interessanter Nachbar: Schneekranich, Malaienbär

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