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Dottir, Mittelstraße 41, Mitte, Telefon 330 060 760, Di–Sa ab 18 Uhr, Reservierung empfohlen.
© Kitty Kleist-Heinrich

Restaurantkritik: Dottir

Krähenbeeren-Granité vor Abrissbirne.

Als der isländische Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson vor zwei Jahren auf Staatsbesuch nach Berlin kam, reiste er schon am Vorabend des offiziellen Programms an. Es zog ihn in die große Küche von Olafur Eliasson. Der weltberühmte Künstler wird von seinen Mitarbeitern auch dafür geschätzt, dass er ihnen in seinem Atelier eine Mittagstafel mit köstlichen Speisen anbietet. Das Bier für die Party dort hatte der Präsident aus Island mitgebracht.

Eliasson ist Sohn eines Kochs, seine Schwester ist ebenfalls Köchin. Ihre Kunst kann man in Mitte genießen, was wohl auch damit zu tun hat, dass sie sich von ihrem Bruder hat infizieren lassen mit der Leidenschaft für gutes Essen. Im Dottir gibt es immer nur ein viergängiges Menü, das jeweils eine Woche lang gültig ist (50 Euro). Man kann es auch in einer vegetarischen Variante bekommen.

Das Restaurant ist schlicht ausgestattet, hölzerne Tische, Lampen wie vom Flohmarkt, ein schönes Bild unbekannter Provenienz, große Fenster. Auf den Tischen stehen Salzfässer und hübsche hölzerne Brotteller. Es ist schwer, eine Reservierung zu bekommen. Hinter dem Konzept stecken die kunstaffinen Grill- Royal-Erfinder Stephan Landwehr und Boris Radczun.

Das merkt man auch den Preisen der Getränkekarte an. Isländisches Bier gibt es zwar leider nicht, nur Wasser. Dafür werden wirklich gute Weine geboten mit einer erstaunlichen Bandbreite bei den Herkunftsländern. Den letzten bulgarischen Wein muss ich in dieser Gegend der Stadt wohl zu DDR-Zeilen getrunken haben. Seitdem steckten die Attribute süß und schrecklich fest im Gedächtnis. Gestärkt von einem frischen italienischen Sekt (8,50 Euro) ließen wir uns auf das Abenteuer ein, was sich als voller Erfolg erwies und alle alten Erinnerungen sofort löschte. Der Geschmack des 2012er Danube Plain Viognier Chateau Burgozone harmonierte überaus wohltuend mit dem Duft der dunkelroten Lilien auf dem Nebentisch. Diese Harmonie stand im vollkommenen Einklang mit dem subtilen Charme des Ambientes.

Vorweg gab es hinreißend köstliches isländisches Brot, von einem befreundeten Bäcker selbst gebacken, dazu Noisettebutter, zerlassen und braun. Die Frühlingsbouillon hatte nicht übermäßig viel Flüssigkeit, sah aber sehr schön aus, mit Erbsen, leuchtend grünen Kräutern, rosa Lauchringen und zart violetten Blüten auf einem pochierten Ei.

Beim nächsten Gang zeigte Victoria Eliasdottir, was an der isländischen Küche so faszinierend ist: der Umgang mit Fisch natürlich. Zarter und saftiger kann man ihn wohl nicht hinbekommen. Die langsam gekochte Rotforelle lag auf einem Rund von Kartoffelpüree und war bedeckt mit einem Schaum aus Buttermilch, Dill und Gurken. In der vegetarischen Variante ersetzten exzellent gewürzte Röstkartoffeln den Fisch.

Der Fisch des Tages war ein Kabeljau aus Norwegen, ebenfalls perfekt gegart und mit einem großartig gewürzten Topping. Dazu gab es säuerlich frischen Fenchelsalat, ein Püree aus Apfel und Petersilienwurzel, in der Mitte Hummercreme. In der vegetarischen Variante vertraten sehr gute Petersilienwurzeln den Fisch.

Ein wunderbares isländisches Krähenbeeren-Granité mit Joghurtschaum, der bedeckt war mit Konfetti von karamellisierten Kastanien, setzte den süßen Schlusspunkt. Wer danach noch Hunger hat, kann für zwölf Euro extra dänischen Käse bekommen. Die Gerichte selbst sind leicht und sehr puristisch, modern im besten Sinne. Der Eigengeschmack ist der Star, und er wird so inszeniert, dass er seine Wirkung voll entfalten kann.

Der Legende nach wollte der Vater nicht, dass die Tochter Köchin wird, weil der Beruf so hart ist. Der große Bruder hat ihr immer wieder außergewöhnliche Esserlebnisse beschert und sie so auf den Geschmack gebracht. Wer im Dottir speist, versteht auf jeden Fall schnell, warum das Kochen auch als Kunst betrachtet wird. Es verlangt die gleiche Disziplin im Weglassen wie die bildende Kunst.

Das Publikum war typisch Berlin, understated, international, englischsprachig. Etwa ein Jahr soll das Haus noch stehen. Dann kommt die Abrissbirne.

Elisabeth Binder

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