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Die älteste bekannte Riesenschildkröte starb im Alter von 176 Jahren.
© dpa

Tierkolumne "Berliner Schnauzen": Die Riesenschildkröte

„Rrrrraaahhhhh“, fauchen sie aus faltigen Hälsen: Angriff der Riesenschildkröten im Tierpark.

Sie kommen von allen Seiten. Gräuliche Kreaturen, mit schuppigen Armen, die Augen zu Schlitzen verengt. „Rrrrraaahhhhh“, fauchen sie aus faltigen Hälsen: Angriff der Riesenschildkröten.

Rote Schuhe verwechseln die Tiere leicht mit saftigen Mangos. Und Früchte gibt es hier offensichtlich zu selten, meist füttern die Pfleger Laub und Heu, Schildkrötenlieblingsspeise Kaktus ist der Tierpark-Gärtnerei zu teuer. Rrrrraaahhhhh.

Fleischige Zungen blitzen aus hungrigen Mäulern, Speichel tropft. Doch es gibt ein Entkommen. Zwei schnelle Schritte, abgehängt. Ob die Kolosse – 350 Kilo erreichen die Männchen locker – von den Seychellen oder den Galapagos-Inseln stammen, mehr als einen halben Stundenkilometer schaffen sie nicht. Easy.

Ohnehin haben diese Kriechtiere keine Zähne, nur Kauplatten und Hornschnäbel. Vegetarier halt. Wobei... Reviertierpflegerin Grit Vogt, die für Tropenwild zuständig ist, hebt den Zeigefinger. Quetschung wie von der schwersten Autotüre, ordentlich geblutet hat das. Sie musste sich mit einem Stups gegen den Panzer wehren, unter nur vier Millimetern Keratin liegt die ans Skelett gewachsene hoch empfindliche Nervenhaut. In die weiße Maserung zu pieksen, wäre jedoch Schildkröten-Guantanamo. Und Reptilienfreaks, die die von Poren besetzten Panzer lustig bunt lackieren, sind Mörder.

Genug moralisiert. Nun geschieht, endlich, wofür Youtube-Video-Kenner dieses Gehege aufsuchen: Sex. Samson folgt Kleopatra, die hält kurz an, sie ist bereit, Samson reitet auf, Männchen haben dafür eigens einen eingedellten Bauch, Schildpatt kracht auf Schildpatt, die ganze Rüstung knarzt im Takt, der Krötenmann beginnt zu stöhnen. Menschlich laut. An manchen Tagen, besonders nach einem warmen Sommerregen, schallt das bis zum Schloss. Dann lachen alle Pfleger. Über die verschämt kichernden Jugendlichen vor dem Zaun.

Das kann jetzt Stunden dauern. Slow Sex. Energiesparstyle. Wer langsam macht, hält länger durch. Seit 250 Millionen Jahren überlebt die Art der Landschildkröten. Harriet, die älteste der beharrlichen Riesenschildkröten, wurde 176 Jahre alt. Im Tierpark sind sie alle unter 40, eine Investition in die Zukunft.

Im Gegensatz zu ihren Verwandten, den Spornschildkröten, liefern sich die Riesen keine Rempeleien. Bei einem Kampf unter Rivalen recken beide die Köpfe, das Männchen mit dem längeren Hals gewinnt. Nur gegen den Oberfeind Mensch hilft Achtsamkeit wenig. Der rodet die leckeren Kakteenlandschaften, schlürft Eier als Delikatesse und packte früher Schildkröten als lebendigen Proviant auf Schifffahrten ein. Genügsamkeit hat Nachteile. Schildkröten kommen monatelang ohne Nahrung aus, nicht einmal Wasser brauchen sie. Wenn doch, schnupfen sie es durch die Nasenlöcher.

Slow Sex: Wer langsam macht, hält länger durch.
Slow Sex: Wer langsam macht, hält länger durch.
© Illustration: Andree Volkmann

Samson stöhnt immer noch. Im Idealfall führt das später zur Befruchtung von 24 Eiern, die die Schildkrötin zwei Monate in sich trägt und schließlich mit den Hinterbeinen in einer Grube von gut 30 Zentimetern vergräbt. Je nach Außentemperatur entscheiden sich die Embryos für ihr Geschlecht: Ist’s warm, schlüpfen nach vier bis acht Monaten Weibchen.

Eins noch: Schildkrötenmänner haben einen gigantischen Penis. Bitte googeln Sie das jetzt nicht.

RIESENSCHILDKRÖTE IM TIERPARK

Lebenserwartung:  150 Jahre

Fütterungszeiten:  Meistens vormittags

Interessante Nachbarn: Stumpfkrokodil, Pantherschildkröte, Schwarze Mamba

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