Mode: Eva Mattes im Interview: "Die Leute identifizieren sich mit mir, weil ich nicht Normalmaße habe"
Die Schauspielerin Eva Mattes ist eine Frau, die sich traut, so zu sein, wie sie ist. Dass das mit gängigen Schönheitsidealen kollidiert – zu dick! zu wenig gestylt! –, ist ihr egal. Was Schönheit ihrer Ansicht nach ausmacht, erzählt sie hier.
Catherine Deneuve liest „Modegetuschel“, das ein Fashionjournalist bei den Prêt-à-porter-Schauen in Paris aufschnappt und zu einer Kurzfilmreihe verarbeitet hat. In der deutschen Fassung (Sendetermine siehe unten) leiht Eva Mattes der Deneuve ihre Stimme – doch sonst macht sie um die Mode kein Gewese. Beim Shoppen gibt es für sie aber dennoch Versuchungen: „Aber ja. Gummibärchen und französische Salami.“
Worüber sie viel zu sagen hat, ist ihre Einstellung zur Schönheit. Eva Mattes, die mit Fassbinder, Werner Herzog, Peter Zadek gearbeitet hat, gelingt es immer wieder, das herkömmliche Schönheitsempfinden auf den Kopf zu stellen. Zum Beispiel übernahm sie einmal innerhalb von wenigen Tagen von Ute Lemper die Rolle der Lola im Musical „Der Blaue Engel“ im Theater des Westens. Während die Lemper den hageren Marlene-Dietrich-Typ verkörpert, ähnelt die Mattes entschieden mehr der jungen, fülligen Dietrich. Während des Gesprächs isst sie mit Hingabe Spießchen, eins nach dem anderen.
Eva Mattes, Sind Sie modeinteressiert?
Ich kleide mich eher zurückhaltend. Ich finde, ich falle schon genug auf.
War das schon immer so?
Modesüchtig war ich noch nie. Aber mit 15 Jahren, als ich den Bundesfilmpreis als beste Darstellerin bekommen sollte, sah ich in München ein Kleid aus Afghanistan. Das war wahnsinnig schön und bestand aus vielen Schichten lilafarbener Seide mit Stickereien. Es kostete 300 Mark. Ich habe mein eigenes Geld verdient, aber ich musste meine Mutter fragen, weil ich die Familie ernährt habe. Bei der Verleihung in Berlin traf ich Senta Berger, die sagte: Das Kleid wollte ich auch kaufen! Ab da habe ich diese Kleider gesammelt.
Haben Sie einen Lieblingsdesigner?
Yoji Yamamoto gehört zu meinen Lieblingsdesignern. Ich erkenne schnell, wenn etwas meins ist, wie der Yamamoto-Mantel, den ich vor vielen Jahren in Hamburg gesehen habe. Ich ging mit einer Kostümbildnerin in das Geschäft, sah nur so aus dem Augenwinkel den Mantel und wusste sofort, der ist meiner. Das war wie mein Zuhause, er war weit und ganz besonders geschnitten, wie ein prähistorisches Gewand aus Leinenstoff.
Saßen Sie mal in der ersten Reihe einer Modenschau?
Nein, noch nie.
Werden Sie nicht eingeladen?
Doch, aber ich gehe nicht hin. Ich gehe sowieso auf sehr wenige Events, um gesehen zu werden.
Dort wird ja vor allem über die Anwesenden geurteilt.
Aber das ist mir egal, ich ziehe mich schon so an, dass man nicht über mich herfällt. Ich kann mir aber auch gar nicht vorstellen, dass man das tun könnte.
"Ich kenne alle Diäten dieser Welt"
Viele Schauspielerinnen unterwerfen sich einem bestimmten Schönheitsideal und werden mit dem Alter immer dünner. Haben Sie sich davon freigemacht?
Ja, habe ich. Aber ich kenne auch alle Diäten dieser Welt. Wenn man am Theater diese jungen Shakespeare-Mädchen spielt, macht man das. Für die Cleopatra nahm ich zehn Kilo ab, damit ich die Kostüme tragen konnte. Die waren auf meinen nackten Körper genäht, und ich war geschminkt und schön.
Ich habe ein Zitat gefunden, dass Ihnen mit 17 Jahren gesagt wurde, Sie seien zu dick. Daraufhin haben Sie sich so lange vor den Spiegel gestellt, bis Sie mit Ihrem Körper zurechtkamen.
Das hatte mit der Rolle zu tun. Das war für das Stück „Stallerhof“ von Franz Xaver Kroetz. Da geht es um ein zurückgebliebenes Mädchen. Weil sie vom Stallknecht geschwängert wurde und die Mutter das Kind abtreiben will, steht das Mädchen drei Minuten nackt auf der Bühne. Der Regisseur hat gesagt, ich muss abnehmen, aber ich wusste, das ist falsch. Wenn ich abgenommen hätte, wäre es viel schwieriger gewesen, nicht sexy zu sein. Und weil der Regisseur mich so gepiekst hat, stand ich zu Hause vor meinem Spiegel, so lange, bis ich die nackte Beppi war. Als wir die Szene geprobt haben, hat der Regisseur nichts mehr gesagt.
Das hat Ihnen wahrscheinlich auch geholfen für später?
Na klar, aber natürlich habe ich immer viel abgenommen und wieder zugenommen, ich esse halt wahnsinnig gern, und das lasse ich mir auch nicht nehmen. Ich würde für eine Rolle 20 Kilo abnehmen – wenn ich das will. Im Alter ist es sowieso schön, wenn man nicht ganz so dünn ist. Es gibt immer die Dünnen und die anderen. Schauen sie sich die Sängerin Adèle an, die ist doch wunderschön und die prägt auch ein Schönheitsbild.
Können Sie sich daran erinnern, als Sie die Rolle der Lola von Ute Lemper in „Der Blaue Engel“ übernommen haben?
Natürlich kann ich mich daran erinnern. Ich habe innerhalb von vier Tagen diese Rolle übernommen. Wir standen auf so einem Gerüst hinter der Bühne, das wurde nach vorne gefahren, und ich dachte: Okay, jetzt gehe ich mal wieder aufs Schafott. Da stand auch Zazie de Paris, und sie sagte: Du bist die Schönste mit der schönsten Stimme, gib ihnen alles. Und das habe ich gemacht.
Sind Sie ein Vorbild dafür, so zu sein, wie man ist?
Ja, ich glaube schon. Etwas, wo Menschen andocken können und sich wiederfinden. Auch durch die Kommissarin Klara Blum im „Tatort“. Weil ich bin, wie ich bin, weil ich eben nicht nur die Normalmaße habe. Auch, weil ich spiele, wie ich spiele. Damit können sich die Menschen identifizieren, das höre ich immer wieder.
Was bedeutet Ihnen Schönheit?
Für mich ist Schönheit etwas, das von innen kommt. Das merkt man an so wunderbaren Schauspielerinnen wie Simone Signoret, im Grunde ist das meine Lieblingsschauspielerin. Die finde ich einfach großartig. Schon als sie jung war, hatte sie eine Üppigkeit – und später wurde sie alt und dick und hat gesoffen. Das hast du alles gesehen. Sie hat ihre Liebe, ihr Glück, ihren Schmerz zur Verfügung gestellt und war damit wahnsinnig schön. Weil das Leben schön ist.
- Die Zitate stammen aus „Modegetuschel“, zu sehen bis zum 7. Oktober auf Arte. www.creative.arte.tv/de. Mehr zum Thema Mode in unserem Blog zur Mode.
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