Mode: "Berlin in Fashion": Die Klamotten der Stadt
Von wegen Konfektionsware! Eine filmische Retrospektive über die Geschichte der Berliner Mode des 20. Jahrhunderts: die Retrospektive „Berlin in Fashion“.
Gerade aufgrund ihrer Oberflächlichkeit lässt sich Mode ganz wunderbar für politische Zwecke missbrauchen. Das stellte Christine Kisorsy fest, als sie die Retrospektive „Berlin in Fashion“ für das Achtung-Festival vorbereitete. Ein bisschen verwundert hat sie das schon, schließlich geht es in den Filmen ja erst mal um nichts als Kleider, Models und an ihnen herumhantierende Modeschöpfer. Sie sichtete Filme aus Ost- und West-Berlin und solche, die weit vor dem Zweiten Weltkrieg gedreht wurden. Immer erzählt die Kleidung einen Teil der Geschichte, ist Ausdruck der Gesinnung einer Gesellschaft. Im Westen nicht weniger als im Osten.
In einer neuen deutschen „Wochenschau“ von 1952 wird die Frühjahrsmode von Heinz Oestergaard vorgestellt: dem Modell „Zärtliche Musik“ folgt das Kleid „Ich erwarte Dich zu einem unverblümten Abenteuer“. Die lächelnden Mannequins in ihren Kostümen mit engen Taillen, den weitschwingenden Röcken und verzierten Bustiers zeigten deutlich, wozu die Entwürfe gut waren: Sie machten Frauen zu Dekorationsartikeln ihres Mannes, der seinerseits das Ganze bezahlen musste. In den West-Berliner Salons trafen sich tatsächlich die oberen Zehntausend – die es geschafft hatten, nach dem Krieg zu neuem Wohlstand zu gelangen –, bei Sekt, Käseigel und Hummer. Das waren Fabrikantengattinnen, Prominente wie der Schauspieler Paul Hubschmid, der seine neue Frau stolz bei einer Modenschau von Staebe-Seger einführte.
Die fein gemachte Garderobe scheint zu rufen: Du musst nicht arbeiten, du musst einfach nur schön sein, aber für viele Frauen der 1950er Jahre war sie ein unerreichbarer Traum. Die Entwürfe der Berliner Salons waren für die meisten Frauen schlicht unbezahlbar. Für sie blieb Mode eine Möglichkeit, sich aus der tristen Realität hinwegzuträumen.
Pragmatische Mode: Im Osten war Kleidung eine Zier, in der sich arbeiten lässt
Im Osten hingegen ist die Frau von Anfang an werktätig. Kleidung soll zwar Zierde sein, aber eine, in der sich arbeiten lässt. Das bleibt bis zum Ende der DDR so. In einer internen Filmpräsentation für die Wintermode 1978 des deutschen Modeinstituts der DDR sieht das recht freudlos aus. Die Szenen, gefilmt auf dem verschneiten Alexanderplatz und im Interhotel Stadt Berlin, haben trotz der flotten Musik und der erklärenden Kommentare etwas Schwermütiges. Ob die Models so ernst schauen, weil es sich eben nicht um eine Werbeveranstaltung handelt – alle wussten, die gezeigten Kleider würden niemals in der DDR verkauft werden –, oder ob es einfach zum Frauenbild passte, nicht außer sich zu geraten wegen Äußerlichkeiten, ist schwer auszumachen. An der Kleidung kann es jedenfalls nicht liegen, die zeichnet sich durch zeitlose Eleganz aus.
Dass Berlin am Anfang des 20. Jahrhunderts die führende Stadt in der Konfektion war, kann man sich bei der „Berlin in Fashion“-Retrospektive am nächsten Donnerstag von zwei Stummfilmen aus den Jahren 1914 und 1916 vor Augen führen lassen. Auch hier gibt es eine direkte Verbindung zum Film, mit einem eigenen Genre, der Konfektionskomödie, die es wirklich nur in Berlin gab. In „Der Stolz der Firma“ spielt der junge Ernst Lubitsch einen kleinen Angestellten eines Modesalons, der mit seinem Charme die Tochter des Chefs bezirzt. Mit der Rolle kannte sich Lubitsch aus, er war als Sohn eines Konfektionärs selbst für diesen Beruf vorgesehen. Aber, so geht die Legende, da er schon als Jugendlicher, hinter Stoffballen versteckt, Schiller paukte, erlaubten ihm seine Eltern schließlich, bei Max Reinhardt in die Schauspielerlehre zu gehen.
Egal ist ihm die Mode auf jeden Fall nicht gewesen, ungewöhnlich für diese Zeit steht im Vorspann von „Stolz der Firma“, dass die Garderobe der Hauptdarstellerinnen von Glaser & Goetz kam, vor dem Ersten Weltkrieg eines der ersten Modehäuser in Berlin. Normalerweise brachten damals die Schauspieler ihre eigene Garderobe mit zum Dreh.
Etwa 25 Konfektionskomödien wurden in der Zeit von 1911 bis Ende der 1920er Jahre gedreht. Die Mode spielte eine so zentrale Rolle, weil sich mit ihr der Zeitgeist wunderbar darstellen ließ. Dass Frauen plötzlich mehr durften, drückte sich auch in der Kleidung aus, die nicht mehr einengend war, sondern spielerisch und manchmal verrucht.
Mit dieser Freiheit war es nur wenige Jahre später vorbei. 1933, kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, gründete Joseph Goebbels das Deutsche Modeamt und machte seine Frau Magda zur Präsidentin. Mode war ab jetzt politisch und vor allem deutsch. Das macht der Bericht einer „Wochenschau“ von 1939 mehr als deutlich: Die ADEFA, hinter dieser Abkürzung verbirgt sich das Wortungetüm „Arbeitsgemeinschaft deutsch-arischer Fabrikanten der Bekleidungsindustrie“, zeigte in den Messehallen am Funkturm die Vorzüge deutscher Produkte.
Das ist der einzige Originalfilm aus den 1930er Jahren, den Christine Kisorsy für das Festival ausgesucht hat. Der „Wochenschau“ setzt sie die Dokumentation „Berlin-Hausvogteiplatz“ von 1994 entgegen. Darin erzählt die Regisseurin Dora Heinze von den Anfängen der Berliner Konfektion über die Vertreibung der jüdischen Besitzer bis zum Niedergang der Bekleidungsbranche nach der Wiedervereinigung. Bis heute wurde die Arisierung nicht wirklich aufgearbeitet, der Glanz einiger Modehäuser der 1950er Jahre hätte arg gelitten.
Die ideologischen Untertöne sind in den Filmen nicht zu überhören
Während also im Westen die Vergangenheit vor allem weggelächelt wurde, sind die ideologischen Untertöne in den Filmen aus der DDR nicht zu überhören. Wer macht die bessere Kleidung für das bessere System? Wobei sich im „Der weiche August“ erstaunlich unbekümmert darüber lustig gemacht wird, wie ein schönes Kleid durch die Anweisungen vieler Funktionäre nur noch für eine Vogelscheuche taugt. In den 1950er Jahren war man in der DDR noch auf der Suche nach dem richtigen Schnitt für die Zukunft – die hatten die Protagonisten des Films „Mit Fantasie gegen den Mangel“ bereits aufgegeben. Stattdessen nähten sie sich ihre eigene Mode in besetzten Wohnungen in Prenzlauer Berg selbst.
Ganz bewusst lässt Christine Kisorsy hier den Rückblick auf die Berliner Mode enden: „Das neue Berlin, das jetzt wieder als Modemetropole besungen wird, ist eine andere Zeit.“ Was aber die Vergangenheit mit der heutigen Modeszene verbindet, ist der Berlin-Mythos, der gepflegt und gehegt wird und sogar oft als Argument für die Fashion Week herhalten muss. Dieser Mythos ist auch in vielen Filmen der Retrospektive so sehr spürbar, dass man vielleicht ein wenig besser die Gegenwart versteht.
Die Retrospektive „Berlin in Fashion“ läuft vom 14. bis 20. April im Bundesplatz-Kino, Bundesplatz 14 in Wilmersdorf. Info: www.bundesplatzkino.de