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Immer hereinspaziert! Modedesigner Guido Maria Kretschmer führt wie ein Zirkusdompteur durch seine Sendung, in der auch halbprominente Damen wie diese hier ihre Qualitäten zeigen: gut einkaufen zu können.
© Vox

Guido Maria Kretschmer: Der Mann, der die Frauen anzieht

Guido Maria Kretschmer ist der Tausendsassa der deutschen Mode: TV-Star, Bestsellerautor, Kostümbildner – und Schnodderschnauze:  „Ich bin eine textile Buschnutte.“ Ein Porträt zur Berliner Fashion Week.

DIE RAMPENSAU

Der Sender, der Sendeplatz, die Show: Es gab bestimmt nicht viele Menschen aus der Modebranche, die fünf Nachmittage lang eine Doku-Soap auf Vox moderieren wollten. Guido Maria Kretschmer, für seine Fans auch: GMK, hatte kein Problem damit. Und hat sich in den Augen des Senders gleich um eine historische Leistung verdient gemacht, nämlich die Quoten von Vox aus dem Tal der Tränen zu holen. Der Zuschauerrekord lag zuletzt bei 1,85 Millionen. Seit knapp zwei Jahren schalten immer mehr Hausfrauen zu, wenn der 48-Jährige die „Shopping Queen“ des Tages kürt. Im türkischen Original hieß die Sendung noch „Shopping Monsters“ – was den Wahnsinn mancher Frauen beim Kleiderkaufen schön beschrieb. Und womit ziemlich exakt erklärt ist, worum es in der Sendung geht: ums Einkaufen. Fünf Frauen müssen in vier Stunden ein passendes Outfit für unter 500 Euro finden. Als eingebaute Herausforderung gibt der Designer seinen Damen ein Motto vor – mal roter Teppich, mal Jahrgangstreffen und so weiter. GMK kommentiert aus dem Off die Versuche seiner Kandidatinnen, das beste Outfit zu finden, und vergibt am Ende Punkte.

Weil er dabei eine spitze Zunge beweist und für viele treffsichere Pointen gut ist (siehe Zitatenschatz), durfte er gerade neben Dieter Bohlen sitzen: in der Jury für die Samstagabendshow „Das Supertalent“. Demnächst will RTL mit ihm die schönste Frau Deutschlands suchen. Für einen Verlag hat er den Ratgeber „Anziehungskraft“ geschrieben, er steht seit Wochen auf dem ersten Platz der „Spiegel“-Bestseller-Liste. Mit Ina Müller hat er bereits in ihrer Show gesungen, für Detlev Bucks Film „Rubbeldiekatz“ die Kostüme besorgt. Da geht noch was: Quiz-Sendungen, Häkeldeckchen, Gastauftritt in der „Lindenstraße“. Die GMK-Welle könnte sich zu einem Tsunami entwickeln

DER ZITATENSCHATZ

Wie Wolfgang Joop, mit dem er sonst herzlich wenig gemeinsam hat, textet GMK andere Menschen zu. Er sagt über manches Kleid: „Das ist Rollbraten auf drei Etagen.“ Oder: „Dieser Spitzenkittel in Mutti-Länge ist ein textiles Verhütungsmittel.“ Wenn eine Kandidatin sich zu sehr in einem Geschäft aufspielt, fühlt er mit den Angestellten: „Jetzt würde Alkohol helfen.“ Sein Erfolgsrezept lautet: „Wir Mädchen sind alle gleich.“ Er teilt aus und steckt ein. „Ich bin sicher, dass unter meinem Körper ein Athlet verborgen ist“, hat er einmal über sein Moppel-Ich gesagt. Seine Stärken: „Ich habe wunderschöne Ohren, mit denen kann ich sogar Bleistifte halten.“ Über seine Eltern in Münster: „Sie hatten kein Problem damit, dass ich Milch am liebsten aus Champagnergläsern trank.“ Sorgen braucht er sich nicht mehr zu machen, denn dank der vielen Aktivitäten (siehe Rampensau und Modemacher) sieht es bei Guido Maria Kretschmer so aus: „Ich habe Haus, Kiesweg, finanzielle Sicherheit.“ Lebenserkenntnis: „Das Einzige, was im Leben gerecht verteilt ist, ist Dummheit.“ Schon wahr.

DER MODEMACHER

„Ich kann es mir gar nicht leisten, nicht kommerziell zu sein!“ Auch das ist ein Zitat von Guido Maria Kretschmer. Will heißen: Er setzt im zweistelligen Millionenbereich um, führt seine Firma jedoch ohne Bankkredite – und irgendwo muss das Geld ja herkommen. Denn nur mit Couture, wie der Mann seine Abendgarderobe für Damen tituliert, kann er sein Geschäft nicht finanzieren. Zwei Drittel des Umsatzes, meldet die „FAZ“, macht er mit Uniformen, also mit Berufsbekleidung. Er stattet Mitarbeiter von Emirates Airlines aus, in den Geschäften der Deutschen Telekom und der österreichischen Supermarktkette Spar sowie in vielen anderen auf Stil hoffenden Unternehmen. Kretschmer arbeitet außerdem mit dem Internet-Auktionshaus Ebay und dem Wäschehersteller Triumph zusammen. „Ich bin eine textile Buschnutte“, ist eines seiner anderen wiederkehrenden Bonmots. Übersetzt: Ich mache für Geld einiges. Das ist nicht das feine Niveau eines Yves Saint-Laurent, aber noch nicht die Barock-Verschrottung eines Harald Glööckler.

Dass GMK Mitte Januar wieder seine Mode auf der Berliner Fashion Week zeigen wird, kurz also zu seinem Kerngeschäft zurückkehrt, das vergisst man beinahe im Geklapper, das Marketing, Fernsehen und soziale Medien um Herrn Kretschmer veranstalten. Lang fließende Abendkleider in Hellblau, Schwarz oder Cremefarben, das mögen seine Kundinnen. Für den aktuellen Winter empfiehlt er schwarz-rote Mäntel mit Leopardendruck, der Kollektion gab er den Titel „Okapi“.

Er bezieht sich auf die Kurzhalsgiraffe, die er sich gern im Berliner Zoo anschaut. Weil bei dem Tier (eine Art Mischung aus Zebra, Giraffe und Pferd) auch nicht alles perfekt ist – so wie bei seiner Traumfrau. „Ich kenne auch Frauen, die haben eine Superoberweite, oder ihre Beine sind zu dick geworden.“ Trotzdem sind die natürlich dufte.

In einem Brautwarengeschäft in Mitte ist GMK ebenso vertreten wie im Luxusparadies des KaDeWe. Angefangen hat der Modist übrigens mit Brokatjacken auf einem Flohmarkt in Ibiza. Die hat Ende der 80er Jahre Udo Lindenberg gesehen und fünf für seine Tournee bestellt. Zur Verteidigung: Die Augen von Udo waren nie seine große Stärke.

DER HERZENSMENSCH

So sehr die Frauen ihn bewundern, so sehr schaut GMK eigentlich zu ihnen auf. „Du hast doch schon Mann, Kind, Haus, was willst du mehr?“, fragt er eine Kandidatin, die „Shopping Queen“ werden möchte. Kretschmer findet eine alleinerziehende Mutter im Kittel (nicht zu verwechseln, siehe Zitatenschatz) genauso aufregend wie eine, die „sich den ganzen Tag die Nägel feilt“. Er kann losheulen, wenn er am Straßenrand eine Frau beobachtet, die zu ihrem Jungen sagt: „Du bist der Tollste.“

Was er nicht mag: das Wort „sexy“. Das reduziere die Frauen auf bloße Äußerlichkeit. Als Melanie aus Münster sich für 50 Euro des Show-Budgets Botox spritzen ließ, um besser auszusehen, bestrafte der Juror sie mit null Punkten. Ein Novum, ein Schock! „Du musst dich lieben“, rät er Melanie, Mitte 30. Und vergibt lieber acht von zehn Punkten an die 65-jährige Brigitte mit der drallen Form („Du hast das Beste daraus gemacht.“) und dem Béret auf dem Kopf. „Hat was von französischer Untergrundkämpferin.“ Kretschmer streichelt mit Worten jene Frauen, die woanders wegen ihrer Pfunde an den Pranger gestellt werden. Deshalb produziert er auch große Größen in seinen Kollektionen.

DIE FANS

Bettina Böttinger sagt: „Guido wäre der perfekte Mann für mich.“ Gefahrloses Terrain für GMK: Sowohl er als auch die Moderatorin sind homosexuell. Wenn Ina Müller ihn in ihre Show einlädt, ist sie ganz außer sich. „Ich bin so so erfreut“, sagt die Sängerin. Sarah Kuttner eröffnete ihr Interview mit dem Modemacher so: „Könntest du dir vorstellen, zu mir nach Hause zu ziehen? Mein Freund ist einverstanden.“ Kann er natürlich, es darf nur kein Salzteigschmuck an der Tür hängen. Da ist er pingelig. Katharina Thalbach, Barbara Schöneberger, Christine Neubauer, alles seine Fans. Man kann schon sagen, Kretschmer bedient die Mutti-Fraktion. Wie passend, die Mutter von Topmodel Naomi Campbell ist ein großer Fan von ihm. Weil Valerie Campbell Kleider von Kretschmer trug, wurde Naomi auf den Deutschen aufmerksam. Für eine Folge der amerikanischen Model-Castingshow „The Face“ engagierte sie ihn dieses Jahr als Gastdesigner (siehe Rampensau).

DIE FEINDE

Nur die Klatschzeitung „In Style“ hat sich bisher getraut, so hochzugreifen und GMK als den „deutschen Valentino“ zu titulieren. Ansonsten hält sich die Begeisterung der Branche in Grenzen. Für „mehr oder weniger bekannt“ hält ihn die „FAZ“ als Designer. Offene böse Worte gibt es bisher nur von wenigen, die keine Angst haben, es sich mit dem derzeit omnipräsenten Kretschmer zu verscherzen.

Zum Beispiel die frechen Blogger von Dandy Diary, die im Frühjahr eine Modenschau von Dolce & Gabbana im edlen Adamskostüm störten. Dort schrieb Carl Jakob Haupt vor der letzten Berliner Fashion Week, dass die Schau von Guido Maria Kretschmer zu den „drei No-Go-Shows“ gehöre. Die „Knutschkugel“ und der „Liebling der deutschen C-Promis“ (siehe Fans) zeige gewöhnungsbedürftige Mode: „(Sie) lässt sich treffgenau zwischen der brutalen Billig-Glitzer-Ästhetik eines Harald Glööckler und der Billigmode-Kette Primark einordnen.“ (siehe Modemacher). Das hört sich fast so an, als sei die Show von GMK ein Muss.

Guido Maria Kretschmer ist laufend im Fernsehen zu sehen. Seine neue Modenschau findet am 16. Januar um 20 Uhr im Zelt der Berliner Fashion Week statt.

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