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Unter der Haube. Glasglocken verhindern ein Duftchaos. Die Tische im Atelier Oblique ließ Mario Lombardi aus alten Türen bauen.
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Mode: Die Kerzen von Lombardo: Der Duft von Steaks

Mario Lombardo hat eine Serie parfümierter Kerzen entwickelt und dafür sogar einen Laden eröffnet. Damit liegt er im Trend. Der Markt mit edlen Duftkerzen boomt.

Die Kindheit riecht nach Steaks, die am Straßenrand gebraten werden, nach angestaubten Lavendelsäckchen in alten Schränken, nach der Umarmung der Großmutter und ein kleines bisschen nach Benzin.

Als Mario Lombardo mit 21 Jahren nach Argentinien kam, war er verwirrt. Die Familie hatte das Land 16 Jahre zuvor verlassen müssen, er war in Aachen aufgewachsen, hatte dort die prägenden Erlebnisse seiner Jugend erfahren. Und doch erfüllte ihn auf einmal ganz intensiv das Gefühl, zu Hause zu sein. „Ich bin da total überrascht worden“, erzählt er gut 20 Jahre später in seinem neu eröffneten Laden in der Mulackstraße. Auf schwarz lackierten Türen, die er zu Tischen umfunktioniert hat, stehen unter Glasglocken die Duftkerzen, die er für seine gerade gegründete Firma Atelier Oblique entwickelt hat. „Ich fühlte mich umhüllt von etwas Bekanntem, obwohl mir alles total unbekannt war.“ Nach ein paar Tagen wurde ihm bewusst, dass es die Gerüche waren, die das intensive Gefühl ausgelöst hatten.

In den folgenden Jahren machte er Karriere als Grafik-Designer. Mit seinem Faible für Handwerkliches und Experimentelles entwickelte er eine sehr eigene und stilprägende Ästhetik der Magazingestaltung, zuletzt für das Mode- und Kunstmagazin Sleek. Aber die Faszination für Duft ließ ihn nicht los. Immer wieder entwickelte er Konzepte, Duft im Corporate Design oder im kulturellen Bereich einzusetzen. Er wollte zum Beispiel eine Opernaufführung mit dem Geruch von gegrilltem Fleisch begleiten, damit die Leute sich später am Imbissstand fühlten wie in der Oper. Es wurde nie so richtig etwas daraus, bis ihm schließlich die Idee mit den Kerzen kam.

26 sollten es werden, so viele wie das Alphabet Buchstaben hat, die 27ste ist das „&“. Freunde vermittelten ihm den Kontakt zum Traditionsdufthaus Robertet im südfranzösischen Grasse. Die Stadt gilt als Welthauptstadt der Parfüms. Ein Jahr lang tüftelte Lombardo mit den Parfumeuren an seinem Duftalphabet. Einige konkrete Gerüche hatte er im Kopf, vor allem aber bestimmte Stimmungen und Erlebnisse. „Ich kam da mit recht kruden Ideen an“, sagt er, „die haben mich dann ein bisschen eingenordet.“ Benzingeruch geht gar nicht, hat er gelernt.

Lombardo liegt voll im Trend Der Markt für Raumdüfte boomt

Auch all die Essensgerüche, die ihm vorschwebten, wurden gestrichen. So ist das Ergebnis weniger experimentelle Duftperformance geworden, als gehobene Parfümeurskunst mit ausgewogener Kopf-, Herz- und Basisnote. „N“ zum Beispiel, die Kerze, die Lombardo seiner verstorbenen Mutter widmete, die Rosen liebte. Um die süße Schwere des Blütenduftes ein wenig auszugleichen, wurde ein wenig Minze beigemischt. Für „M“ ließ Lombardo sich überzeugen, den intensiven Holzgeruch mit ein wenig Vanille gefälliger zu machen.

Mario Lombardo.
Mario Lombardo.
© promo

Lombardo liegt voll im Trend. Der Markt für Raumdüfte boomt. Die französische Firma Diptyque, die 1963 als erste auf die Idee mit den duftenden Kerzen kam, verkauft heute über eine Million Kerzen im Jahr. Wer sich unter Home Fragrance immer noch Blüten-Potpourris vorstellt, die auf Fensterbänken vor sich hinstauben, liegt falsch. Jedes Modehaus von Dior bis Comme des Garcons hat eigene Duftkerzen im Programm, die in edelsten Glas- oder Porzellangefäßen daher kommen und bis zu 300 Euro kosten. Kein Hotelzimmer oder Kleiderladen mehr, in dem die Luft einfach nach Luft riecht. Hollywoodstar Johnny Depp dreht angeblich keine Szene ohne seine Lieblingskerze und der Musiker Elton John hat zusammen mit der Firma Nest eine eigene Candle Collection auf den Markt gebracht.

„Dahinter steckt ein Bedürfnis nach Authentizität, danach, sich mit der Wirklichkeit zu verbinden, seinen Lebensraum bewusst zu gestalten“, sagt Brand Consultant Helder Suffenplan. Der Duftexperte betreibt das Online-Magazin Scentury und hat gerade selbst, gemeinsam mit dem Berliner Parfümeur Geza Schön, eine Duftkerzenserie entwickelt, die demnächst auf den Markt kommen soll. „Wer ständig online ist, sehnt sich nach einfachen Erlebnissen.“

Das Anzünden einer Kerze ist ein archaischer Vorgang, in dem Jahrhunderte alte religiöse oder magische Rituale evoziert werden. Schamanen vertreiben böse Geister durch das Verbrennen bestimmter Kräuter und der Weihrauch in sakralen Räumen versetzt den Geist in meditative Stimmung.

„Die Arbeit im medialen Bereich ist so körperlos“, findet auch Mario Lombardo, „man generiert Sachen, die nur im Kopf passieren.“

Durch seine Raumdüfte möchte er dagegen reale Erlebnisse schaffen. „Es geht immer darum, dass man etwas teilt, dass man verbunden ist. Der Reichtum, den wir haben, das sind alles Momente. Die möchte ich festhalten.“

- Atelier Oblique. Mulackstraße 20 in Mitte, geöffnet von Mittwoch bis Freitag 11–20 Uhr, Samstag 11–19 Uhr. Mehr zum Thema Mode & Stil auch in unserem Blog.

Bettina Homann

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