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In Mittel- und Südamerika sind die Tayras eigentlich zuhause.
© imago/Nature Picture Library

Berliner Schnauzen (93): Der Drang zu zerstören

Wie Bonnie und Clyde: Die beiden Tayras im Berliner Zoo knabbern alles kaputt. Ein Besuch bei den neugierigen Mardern

Ein dreckig-gelber Lederball, aus dem alle Luft gewichen ist und der nun wie eingefallen herumliegt. Eine hängende Schlaftonne aus Holz, deren schützende Sperrholzverkleidung schon kräftig auseinandergenommen ist. Ein Blick in die weitläufige Außenanlage offenbart das Wesen der Tayras: Die kräftig-schlanken Marder aus Mittel- und Südamerika spielen sich jeden Tag zu Gefährten von Dschingis Khan auf. „Ihr Drang ist es, zu zerstören“, sagt Tierpflegerin Nicole Marszalek.

Deshalb hat das Geschwisterpaar, ein Weibchen und ein Männchen, auch die Spitznamen „Bonnie und Clyde“. Die beiden hellbraunen Tiere mit dem seidig glänzenden Kurzhaarfell und dem markanten gelblichweißen Kehlfleck knabbern alles an, zwicken überall hinein und zerfetzen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Nicole Marszalek erzählt von der schönen Schlafstatt, die sie aus einer Bananenkiste für die Tayras gebaut hat. Sie hat die Kiste mit Jute ausgelegt – wie der gemeine Hipster schätzt auch der elegante Räuber den Stoff. Aber was machen die Geschwister? Beißen sich durch den Pappboden, bis ein so großes Loch entsteht, dass aus dem Bett eine Fallgrube wird. Einfach, weil sie es können – und neugierig sind, was denn passiert, wenn der Karton schön kaputt ist.

Immer unterwegs - tapsend, laufend, schnuppernd

„Chaoten“, sagt die Tierpflegerin zärtlich. Wie es sich für solche gehört, sind sie ständig in Bewegung. In ihrer Heimat, den Wäldern Lateinamerikas, durchquert eine Tayra Reviere bis zur Größe von neun Quadratkilometern. Dabei ist sie inklusive buschigem Schwanz nur einen guten Meter lang. Der Körpereinsatz der Räuber wird nur durch ihre Neugier übertroffen. Wenn eine Tayra nicht tapst, läuft, schnuppert, weiterläuft, dann ist sie entweder satt oder krank.

Zum Glück können die Marder im Raubtierhaus durch zwei angeschlossene Innenvitrinen und einen großzügigen Außenkäfig pesen. Auf nackten Sohlen geht es ständig von einer Ecke zur anderen, hoch auf den Baum, den Stamm entlanggespurt und weiter über den Bodenmulch. Es ist, als hätte eine unsichtbare Hand die Tayras aufgezogen.

Am liebsten Banane oder Maus

Für Kindergeburtstage macht sie das natürlich zu dankbaren Schauobjekten. Wenn eine Gruppe eine Führung durch das Haus bucht, füllen die Tierpfleger einen Jutesack mit allem, was eine Tayra nicht nur ankaut, sondern auch liebend gern frisst: Bananen, Heu, eine Maus. Dann hängen sie den Sack im Gehege auf – und die Tayras springen hinauf, krallen sich am Stoff fest und beißen ihn ruckzuck durch. Da ist wenigstens was los, Action!, und die Kinder freut es.

Obwohl sie Tierpfleger gern zwacken (Neugier plus spitze Zähne gleich Loch in der Hose), sind die Raubtiere für Menschen ungefährlich. In Südamerika werden sie sogar gelegentlich domestiziert, vermutlich in Ermangelung von Teddybären. Mit den Kulleraugen und kleinen Ohren sehen Tayras wirklich niedlich aus. Nicole Marszalek könnte sich das nicht vorstellen. Da wäre ja kein Möbelstück mehr sicher. Wenn sie das Gehege säubert, sperrt sie Bonnie und Clyde lieber aus. „Die wollen alles klauen“, sagt sie. Oder auf die Werkzeuge springen. Nein, manchmal braucht man einfach Ruhe von einer Tayra.

TAYRA IM ZOO

Lebenserwartung:  in menschlicher Obhut bis 18 Jahre

Fütterungszeiten: keine festen Zeiten

Interessanter Nachbar: Ozelot, Ringelschwanzmungo, Ameisenbär

Von Ulf Lippitz

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