ESMOD-Modenschau zur Fashion Week Berlin: Das kann man tatsächlich anziehen
Schon zwei Tage vor dem offiziellen Beginn der Fashion Week zeigten die ESMOD-Absolventen am Samstagabend ihre Abschlussmodenschau.
Man kann die Frau momentan gar nicht oft genug zitieren: Unlängst hat Lidewij Edelkoort eine vernichtende Prognose gegeben. "Fashion is dead" meint die niederländische Trendforscherin. Unter Anderem giftete die Modekoryphäe gegen das Gros der Modeschulen. "Wir bilden unseren Nachwuchs immer noch dahin gehend aus, 'Catwalk-Designer' zu werden, einzigartige Individualisten", wetterte Edelkoort.
Tatsächlich sind gerade die Abschlussschauen von Designschulen oft ein wahres Best-Of der Untragbarkeit. Das macht Sinn, bieten doch die Kollektionen in Studienzeiten ein hohes Maß an Freiheit, die im Business oft zu kurz kommt. Das ist es aber, das tägliche Geschäft um Massentauglichkeit und Verkaufszahlen, dem sich auch der noch so avantgardistische Modemacher nach seiner Ausbildung stellen muss.
An der Berliner ESMOD weiß man das. "Im Studium wurde schon sehr darauf geachtet, dass wir auch verstehen wie das Business funktioniert und im Blick behalten, dass Mode letzten Endes nicht nur Kunst ist, sondern auch im Alltag bestehen muss", sagt ESMOD-Absolventin Sandra Friebel, die mittlerweile als Modejournalistin arbeitet und dieses Jahr in der nationalen Jury der Modeschule sitzt. Gemeinsam mit anderen Vertretern der Branche hat sie entschieden, welche 25 Talente unter den 58 Absolventen des Jahres einen Platz in der Abschlussmodenschau am vergangenen Samstag bekommen haben.
Zu sehen gab es wirklich Einiges, das man tatsächlich anziehen kann. Dass ein hohes Maß an Kreativität eben auch innerhalb des Rahmens der Nutzbarkeit funktionieren kann, das hat zum Beispiel Sandra Scheer bewiesen. Die Absolventin hat sich dem trendtechnischen Dauerbrenner Streifen gewidmet. Tiefschwarze Streifen in unterschiedlichen Stärken kombiniert sie innerhalb einzelner Outfits miteinander, Teile im Schachbrettkaros komplettieren den futuristisch grafischen Look. Als Komplettlook auf dem Laufsteg und auch in den Lookbookbildern der Designerin sieht das sehr kunstvoll aus. Etwas seichter kombiniert können die Stücke aber durchaus auch im Alltag bewähren.
Wladimir Putin auf dem Laufsteg
Noch ein bisschen wilder ging es bei Florian Luther zu: Seine Kollektion "Surreal Times" ist recht bunt geraten. Vor Allem ein farbenfroher Pelz in Patchwork-Optik ließ eine Vorliebe für die Kollektionen von Miuccia Prada vermuten. Anna Swic wiederum hat auf Farben weitesgehend verzichtet. Ihre Männerkollektion "Pilgrim" bestimmten klare Schnitte in Schwarz, Weiß und Beige. Sie präsentierte die tragbarste Kollektion des Abends - mit Erfolg! Der internationale Designer Damir Doma hat Swic als Gewinnerin des "Prix Créateur 2015" Award der ESMOD erkoren.
Kritisch wurde es in der Show auch noch: Andreas Thanner hat sich der aktuellen Politik Russlands gewidmet. Mit Verfremdungen von Putins Konterfei in bunter Comic-Ästhetik, Camouflagemustern in knalligen Neonfarben und farbenfrohen Sturmmützen wollte Thanner wohl einen Rundumschlag gegen den russischen Präsidenten und seine Gefolgschaft inszenieren. Die Ukraine-Politik, umstrittene Gesetze gegen “Homosexuellen-Propaganda”, die Inhaftierung der Aktivitinnenband “Pussy Riot” - das Alles hat der Absolvent in eine kunterbunte Protestkollektion vernäht. Ein bisschen Viel des guten, das Ergebnis ist recht plakativ geraten.
Bei aller Individualität haben viele der neuen Talente eine Gemeinsamkeit bewiesen: Den Hang zu sportiven Schnitten und innovativen Stoffen. Anlehnungen an Sport- und Funktionskleidung, Materialien wie Neopren, Cut-Outs und Schriftzüge - ein wenig erinnert das alles an ein amerikanisches Vorbild. Und tatsächlich: "Bei den Fragen nach einer zukünftigen Traumposition während Vorstellungsrunde haben viele der Studenten von einem Job bei Alexander Wang gesprochen", bestätigt Jurorin Sandra Friebel.