Trennungen in Zeiten des Internets: Das Ende der Vermailung
Soziale Netzwerke machen es einfach, jemanden kennenzulernen – und diese Liebesbeziehung dann rund um die Uhr zu pflegen. Aber wie geht man sich dort nach einer Trennung aus dem Weg?
Trennungen sind blöd, wenigstens für einen Teil des einst so glücklichen Paares. Während die sitzen gelassene Hälfte sich früher nur gegen Zufallsbegegnungen auf der Straße, in der Kneipe oder auf einer WG-Party wappnete, muss sie heute noch gegen den Facebook-Algorithmus, die Google-Bildersuche, Privatsphäreneinstellungen sozialer Netzwerke und gegen sich selbst ankämpfen.
Es ist die eigene Inkonsequenz, die dafür verantwortlich ist, wenn einem am Samstagabend nichts Besseres einfällt, als ausgerechnet das Twitter-Profil des Ex-Partners aufzurufen, zu analysieren und sich dann selbst leid zu tun. Früher mussten Verlassene aus dem Haus gehen, um einen Blick auf das Leben des anderen zu werfen, heute reichen ein paar Klicks, um nachzuvollziehen, was da gerade passiert.
Soziale Netzwerke spielen eine wichtige Rolle in unseren Beziehungen. Paare benutzen das Chatprogramm Whatsapp, um sich darüber auszutauschen, was es am Abend zu essen geben soll, wer einkauft oder welchen Film man sich im Kino ansehen möchte – sehr praktisch, wenn man nicht im selben Raum sitzt. In der Bilder-App Instagram teilt man Bilder vom gemeinsamen Urlaub. Auf Facebook postet man sich gegenseitig Videos in die Timeline.
Da kann es noch so viele NSA-Enthüllungen und Abhörskandale geben: Die meisten Menschen, die ich kenne, hassen Whatsapp und den Facebook-Chat nicht etwa, weil beides so fiese, allumfassende Datenkraken sind, sondern weil sie dort sehen können, wann eine Nachricht gelesen wurde. Wie viele Beziehungskrisen wurden dadurch ausgelöst, dass eine Nachricht als gelesen angezeigt wurde, die betreffende Person aber nicht geantwortet hat. In einer Zeit, in der wir mit dem Smartphone verwachsen, reichen zwei Stunden im Offline-Modus aus, um ein mittleres Drama zu produzieren.
Wir leben in einer Welt, in der wir uns ständig Nachrichten schreiben, in der wir minütlich erreichbar sind, zwischen Selbstdarstellungswahn und dem Wunsch nach Privatsphäre changieren. Wie trennt man sich in so einer Welt? Funktioniert das Auseinanderleben, wenn man auf zehn verschiedenen sozialen Netzwerken miteinander verbunden ist? Ab wie vielen „Ich bin so allein“-Statusupdates auf Facebook wird es peinlich? Brauche ich, bevor ich mich trenne, erst mal eine Social-Media-Strategie: Welche Details aus meinem Leben poste ich noch und welche behalte ich für mich?
Für einige Menschen klingen diese Fragen sicher wie Geschichten aus einer anderen Welt. Diese wird für viele aber gerade zur Lebenswirklichkeit. Trennungen finden für einen wachsenden Teil der Bevölkerung auch im Netz statt. Das Dilemma fängt mit einer simplen Frage an: Ändere ich meinen Beziehungsstatus auf Facebook?
Wir überlegen uns, wie wir uns im Freundeskreis, auf der Arbeit und gegenüber den Eltern zu einer Trennung äußern. Genauso müssten wir auch darüber nachdenken, wie wir dieser Veränderung in sozialen Netzwerken begegnen. Es ist ein bisschen paradox: Das Internet hat die Art und Weise, wie wir lernen, kommunizieren, arbeiten und uns informieren, fundamental verändert, aber mit dem Lieben und Entlieben im Netz tun wir uns nach wie vor furchtbar schwer.
Viele von uns benehmen sich so, als wären sie in der digitalen Pubertät stecken geblieben. Es gibt Instagram-Profile, die nach einer Trennung an Melodramatik nicht mehr zu überbieten sind. Sie verwandeln sich in Caspar-David-Friedrich- Gedächtnisaccounts – mit blutroten Sonnenuntergängen und dunklen Gewitterbildern. Es gibt Twitter-Konten, die zu Beleidigungsschleudern werden. Einige Menschen machen „erwachsen“ per Mail Schluss, obwohl sie wissen, dass ein Gespräch unter vier Augen richtig wäre.
Auf der anderen Seite haben wir frisch entlobte Singles, die nicht verstehen, warum sie zwei Tage nach einer Trennung kein Bild hochladen sollten, auf dem sie einen fremden Mann küssen. Diese Menschen kennen keine Gefühle. Im Gegensatz zu denen, die jeden Tweet des Ex analysieren. Sie debattieren einen geschlagenen Abend in der Kneipe darüber, was es nun bedeutet, dass die Verflossene gestern Nacht um drei Uhr noch getwittert hat und somit augenscheinlich wach war.
Wir Menschen sind ziemlich inkonsequente Wesen, das ist im Netz nicht anders. Obwohl wir einen Kontaktstopp vereinbart haben, kontrollieren wir, wie der ehemalige Partner in den sozialen Netzwerken kommuniziert, mit wem er sich schreibt und wo er sich befindet. An all diese Informationen komme ich heutzutage mit ein paar Smartphone-Wischbewegungen, schließlich hinterlassen wir bereitwillig unsere Spuren im Netz über Foursquare oder andere Lokalisierungsprogramme und sind dadurch leicht auffindbar. Der Versuchung, schnell mal der früheren Flamme hinterherzuspionieren, wird Tor und Tür geöffnet.
Eine Regel: Don't drink and text!
Verletzte Egos sind irrational. Sie bringen uns dazu, Dinge zu machen, von denen wir dachten, dass wir sie eigentlich nicht nötig hätten: ordentlich den Ex-Freund zu beschimpfen oder öffentlich mit einem anderen zu flirten, nur um dem Ex wehzutun. Das ist im realen Leben so – und im virtuellen. Ein böser Tweet ist schnell geschrieben und erfordert wenig Mut. Viele Menschen vergessen dabei: Im realen Leben brüllt niemand vom Balkon, was man der Ex-Partnerin alles Schlechtes an den Hals wünscht, allein schon wegen der Nachbarn. Im Internet beschwert sich kein Anwohner über Ruhestörung, die Hemmschwelle für Unfreundlichkeiten und Gemeinheiten sinkt enorm.
Eine weitere wichtige Regel für Frischgetrennte lautet: Don’t drink and text. Viele Menschen erinnern sich an Situationen, in denen sie das Smartphone besser nicht in ihrer Nähe gehabt hätten. Nach drei Gläsern Mojito der Exfreundin ein schwülstiges Video auf die Pinnwand posten? Den Ex auf Twitter beleidigen, weil er ohne einen in den Urlaub gefahren ist? Auf der nach oben offenen Skala der Peinlichkeiten reizen wir aus, was geht.
Sieht die Lösung so einfach aus: Weniger Privates im Netz breitzutreten? Sicher, wer Distanz zu seinen Onlineaktivitäten wahrt, wer sein Privatleben weitestgehend aus dem Internet verbannt, ist weniger angreifbar. Nur, will man das? Nicht ohne Grund sind Twitter-Accounts, die höchstens zum Verbreiten von Pressemitteilungen genutzt werden, so langweilig. Authentizität lebt von Gefühlen. Ein glattgebügeltes Onlineprofil erweckt keine Neugierde, keine Spannung.
Und die möchten Benutzer dieser Medien erzeugen, um vielleicht darüber wieder neue Menschen kennenzulernen. Auch dieser Teil des Trennungstheaters, das endgültige Entkoppeln von einer Person, hält genug Drama bereit. Wie bändele ich mit jemandem an, ohne dass meine Exfreundin es entdeckt, wenn sie meine Timeline anschaut?
Ich habe von Fällen gehört, in denen Bekannte aus Diskretionsgründen keine Tweets einer bestimmten Person mehr favorisierten – nur damit kein Verdacht entsteht. Das Favorisieren, also das Markieren eines Tweets mit einem Sternchen, zeigt an, dass man die Nachricht mag. Kommt dies zu oft vor, könnte es auffallen – und jemand den beiden Twitterern eine persönliche Verbindung nachsagen.
Mit einem neuen Medium entstehen neue Situationen, auf die uns niemand vorbereitet hat und mit denen wir umgehen müssen. In Zeiten, in denen Facebook es uns ermöglicht, der Welt mitzuteilen, mit wem wir uns gerade wo befinden und wie wir uns dabei fühlen, wie können wir da diskret sein? Zumal kein Grund besteht, alles geheim zu halten. Es ist doch gerade schön, sein Glück in die Welt hinausbrüllen zu können, ohne wegen nächtlicher Ruhestörung verhaftet zu werden.
Hat sich dank der sozialen Medien das Entlieben verändert? Die Trennung kann schwerer werden als früher, da man viel mehr Möglichkeiten hat, an die einstigen Partner erinnert zu werden. Manchmal ungewollt. Schließlich ist der Facebook- Algorithmus ein gefühlloser Idiot, schlägt er doch besonders gern frisch Getrennte als potenzielle neue Freunde vor. Die technische Komponente macht uns einen Strich durch die Rechnung. Damit müssen wir umzugehen lernen.
Wie geht nun das richtige Entlieben im Netz? Eigentlich kennen wir den Weg: einen digitalen Kontaktabbruch, sobald wir bemerken, dass wir uns verletzend oder peinlich verhalten – oder der andere die Grenzen überschreitet. Das Entfreunden auf Facebook oder das Blocken auf Twitter müsste genauso selbstverständlich sein wie das Löschen der Nummer aus dem Speicher des Telefons oder das Meiden gemeinsamer Lieblingsorte in der realen Welt. Wenn wir nur nicht so furchtbar inkonsequent wären.
Eva Horn
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