Hochhäuser in Singapur: Das Beet auf der Etage ersetzt den Vorgarten
Zwei Architekten aus Singapur wollen die Welt der Wolkenkratzer verbessern.
Singapur - Wenn es in Innenstädten eng wird, dann gibt es für Bauvorhaben nur noch eine Richtung: nach oben. Städte, die am Wasser liegen, können sich auch noch ins feuchte Element weiterentwickeln. Der Stadtstaat Singapur macht beides. Der Weg der Stadtplaner führt sie sowohl nach oben als auch ins offene Meer, in das sie Erde aus den Nachbarländern schütten lassen, um mehr Fläche zu gewinnen. Wie gut es sich dann in den Hochhäusern lebt, ist eine andere Frage. Diese quasi letztinstanzlich beantworten zu können, das haben sich der Singapurer Wong Mun Summ und der gebürtige Australier Richard Hassell zum Ziel gesetzt. Beide sind erklärte Weltverbesserer.
Das Architektenduo hat sich 1994 unter dem Firmennamen Woha aufgemacht, die verbreitete nordamerikanische Hochhausarchitektur zu revolutionieren. Ihre Grundidee: Es muss gelingen, offene Baustrukturen von traditionellen tropischen Wohnhäusern in die vertikale Architektur traditioneller Hochhäuser zu transportieren. „Wir haben ja nur diesen einen Planeten“, sagt Hassell, „und so stellt sich die Frage, ob wir angesichts der sich abzeichnenden Überbevölkerung mehr Wohnraum bereitstellen können, den die Menschen wirklich mögen.“ Lebenswerte Megastrukturen? Da müsste es ja wohl nicht nur um Quantität und Größe gehen, sondern auch um die Fortentwicklung der Lebens- und Wohnstandards.
An dieser Stelle ist ein Wettbewerbsbeitrag Wohas eine Wegmarke. Das kommunale Wohnungsbauprojekt Duxton Plain (2001/02) wurde zwar nicht realisiert, zeigt aber völlig neue Lösungsansätze. „Das Problem von Hochhäusern ist natürlich, dass es nur die eine vertikale Bewegung nach oben gibt“, sagt Wong Mun Summ. Auf der Straße liege der Handlungsspielraum indes in der Horizontalen: Plätze, Straßen, Höfe, Gärten. „Deshalb haben wir alle fünf Stockwerke ,Straßen‘ zwischen einzelnen Gebäudeteilen angelegt. Dort gibt es auch Gärten und die Chance, sich beiläufig zu begegnen oder sich zu verabreden.“
Ausgezeichnet gelungen ist dieses Konzept beim Hochhaus The Met in Bangkok. Drei Jahre nach seiner Errichtung gewann das Hochhaus 2010 den mit 50 000 Euro dotierten Internationalen Hochhaus Preis, nachdem es bereits 2009 mit dem Preis des Präsidenten von Singapur für Design sowie dem Preis des World Architecture Festival in der Kategorie Entwicklung im Wohnungsbau ausgezeichnet worden war. Hier werden sechs frei stehende vertikale Bauteile von spektakulären, privat und gemeinschaftlich genutzten Terrassen in jedem sechsten Geschoss miteinander verbunden. „Das Gebäude ist 66 Stockwerke hoch – im 28. und 47. Stockwerk gibt es gemeinschaftliche Gärten“, sagt Wong Mun Summ. „Sie finden also so etwas wie ein ,Erdgeschoss‘ auf mehreren Ebenen.“ In The Met gibt es zudem Grillplätze, Plattformen und eine Swimmingpool-Ebene. In den Woha-Projekten geht es nicht nur um das Grüne, um die Durchlässigkeit der Fassaden, die in den Tropen für etwas Luftzug, für eine natürliche Belüftung sorgen. Es geht auch um das Gewohnte, das bisher Bewohnte: „In den Tropen haben wir immer mit Hausstrukturen gearbeitet, die vier, fünf oder sechs Stockwerke haben“, sagt Wong Mun Summ, „alle sechs Stockwerke passiert in unseren Hochhäusern deshalb etwas, was diese Einteilung zitiert.“
Die jungen Architekten arbeiten in ihrem Hochhausdesign gerne mit Gestaltungselementen, die auch auf ebener Erde zu finden sind. Die sollen die Bewohner im Hochhaus erden. „Alle vier Stockwerke öffentliche Balkone, das hilft, das Hochhaus zu humanisieren“, sagt Wong Mun Summ. Außerdem wird so die Gartenpflege erleichtert. Die Pflanzen sind ohne Gondeln oder zusätzliche Fahrstühle erreichbar.
Könnte Woha solche Gebäude nicht auch in Europa bauen? „In den entwickelten Ländern sind die Produktionskosten hoch, in sich entwickelnden Ländern ist das noch anders“, antwortet Hassell und sagt lächelnd: „In den entwickelten Ländern kann man eigentlich nur Gebäude bauen, die nicht sehr effizient sind.“ China und Indien böten großartige Möglichkeiten für Woha-Komplexe.
Architektur ist stets in Ökonomie eingebunden – wie aber würde ein optimales Gebäude aussehen? „Das wäre ein Gebäude, in dem man sich gar kein Erdgeschoss wünscht, weil man es nicht vermisst“, sagt Hassell. „Es müsste ein Gebäude sein, in dem Hausstrukturen zu finden sind.“ Die Architekten berufen sich auf kambodschanische Hütten, die in die Bäume hineingebaut sind – nur, dass in ihrem Konzept nicht das Haus im Baum errichtet wird, sondern der Baum im Haus steht. Wong Mun Summ würde viel dafür geben, einen internationalen Think Tank zum Thema Urbanität zu installieren. Um Stadtplanung müsste es gehen. Im Großen, im Ganzen. „Wir wollen ja die Welt verändern“, sagt Wong Mun Summ, „wir beanspruchen dabei kein Copyright auf die Idee, die Stadt durch viel Grün lebenswerter zu machen.“
Der Arbeit der Singapurer Architekten Wong Mun Summ und Richard Hassell (Architektengruppe Woha) ist derzeit eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main gewidmet, die noch bis zum 15. April zu sehen ist. Zur Ausstellung gibt es einen Katalog mit realisierten Projekten und Wettbewerbsbeiträgen.
— Michaela Busenkell, Peter Cachola Schmal (Hrsg.): WOHA Breathing
Architecture/
Atmende Architektur. 192 Seiten, Prestel Verlag, 205 Farbabb., 24x28 cm, 49,95 Euro.
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