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Etwa sieben Jahre bevor Greta Thunberg eine weltweite Umweltbewegung ins Leben rief, hatten wir in Berlin schon einen klimaneutralen Flughafen, sagt unser Kolumnist.
© Sören Stache/dpa/ZB

Keine Flüge = keine Infektionen: Danke, BER!

Durch sein durchdachtes Beharren auf Nichtfertigstellung ist unser neuer Flughafen der weltweit erste Super-Nicht-Spreader. Eine Kolumne

Seit heute ist der BER endlich eröffnet! Wobei diese Aussage etwas mutig ist, da für diesen Text schon am Donnerstag Redaktionsschluss war. Kann also gut sein, dass in der Zwischenzeit aufgefallen ist, dass man bei all der Hektik in den vergangenen Jahren Details wie eine Start- und Landebahn vergessen hat. Aber ich gehe einfach mal vom Besten aus und nehme an, dass der Betrieb gerade läuft wie eine Nase im Winter.

Und ich finde, es ist an der Zeit, dass wir den Flughafen anders betrachten als in der Vergangenheit. Schluss mit den billigen Scherzen – gerade für mich als hauptberuflichen Gagschreiber keine ganz leichte Aufgabe! Aber eigentlich ist beim „Willy“, wie wir guten Freunde sagen dürfen, doch gar nicht so viel schiefgegangen. Es hat eben nur ein bisschen länger gedauert und wurde ein wenig teurer als gedacht. Ein Satz, der sich ja nach jeder zweiten Shoppingtour sagen lässt.

Ein Flughafen for Future

Was bei all dem Meckern und Witzeln über den angeblich so desaströsen Flughafenbau oft vergessen wird, ist, wie viel Positives es zu berichten gibt. Hier einige der imposantesten Leistungen.

Tagesspiegel-Kolumnist Peter Wittkamp.
Tagesspiegel-Kolumnist Peter Wittkamp.
© Peter von Felbert

Der BER wurde in unter 15 Jahren errichtet. Klingt viel? Bauen Sie mal einen Flughafen in unter 15 Jahren! Aber es geht noch weiter: Der BER ist der mit Abstand am zügigsten gebaute Großflughafen im Raum Berlin in den zurückliegenden 50 Jahren. Zudem ist er der am schnellsten errichtete Flughafen mit dem Namen „Willy Brandt“ weltweit! Das sind doch alles Rekorde, die sich sehen lassen können.

Aber auch im Detail mangelt es wahrlich nicht an Perfektion. So wurde im gesamten Gebäude konsequent auf den Einsatz von Asbest verzichtet. Sämtliche Toiletten im Flughafenbereich sind mit einer modernen Wasserspülung ausgestattet. Der komplette Flughafen verfügt über eine clevere Konstruktion zur Regenvermeidung im Inneren, ein sogenanntes „Dach“. Auch die Organisation stimmt: Bis heute ist nicht ein Koffer verloren gegangen! Und vielleicht noch ein letzter Fakt, der besonders Tierschützer unter den Lesern freuen dürfte: Bei den gesamten Bauarbeiten wurden zu keiner Zeit Arbeitselefanten eingesetzt.

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Überhaupt, die Umwelt. Neun Jahre Verzögerung und Stillstand haben Berlin so viel CO2 eingespart, dass wir in diesem Winter die ganze Stadt mit Heizpilzen erwärmen könnten. Und Spandau noch dazu. Etwa sieben Jahre bevor sich eine junge Schwedin mit einem Schild auf die Straße setzte und eine weltweite Umweltbewegung ins Leben rief, hatten wir in Berlin schon einen klimaneutralen Flughafen. Ein Flughafen for Future, sozusagen.

Gut, jetzt nach der Eröffnung wird sich vielleicht das ein oder andere Kerosinwölkchen in die Brandenburger Luft verirren. Aber rein rechnerisch gesehen können wir nun erst mal neun Jahre lang sorgenfrei fliegen, bevor Willys Klimabilanz ins Negative rutscht. Im Jahr 2029 schauen wir dann weiter, aber bis dahin ist Fliegen vermutlich ohnehin verboten.

Ich bin der Meinung, all diese Errungenschaften allein würden schon reichen, damit der BER endlich den Platz im Berliner Herz bekommt, den er verdient: direkt neben dem Telespargel und einer frisch gezapften Molle. Doch seine wahre Größe zeigte mein neuer Lieblingsairport in der Corona-Pandemie.

Weniger Flüge, weniger Infizierte!

Können Sie sich vorstellen, wie viele Metropolen plötzlich auf Berlin neidisch waren? Sie alle hätten bei einer weltweiten Viruserkrankung, die sich vornehmlich durch Reisen über Ländergrenzen verbreitet, auch höchst gerne einen Flughafen gehabt, der nicht im Betrieb ist. Weniger Flüge, weniger Infizierte. Christian Drosten würde gerne ausrechnen, wie viele Infektionen dadurch verhindert wurden, doch diese Zahlen passen in keine Excel-Tabelle, so hoch sind sie.

Meines Wissens ist Willy durch sein durchdachtes und ruhiges Beharren auf die Nichtfertigstellung der weltweit erste Super-Nicht-Spreader. Ein besonnener Held der Krise. Jede einzelne seiner sieben Milliarden wert.

Peter Wittkamp ist Werbetexter und Gagschreiber. Er ist derzeit Hauptautor der „Heute Show Online“ und hat drei Jahre lang die mehrfach preisgekrönte Kampagne #weilwirdichlieben der Berliner Verkehrsbetriebe mit aufgebaut. Ab und an schreibt er ein Buch oder twittert unter dem leicht größenwahnsinnigen Namen @diktator. Peter Wittkamp lebt mit Frau und Kind in Neukölln.

Peter Wittkamp

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