Mode: Topshop in Berlin: Chefdesigner erklären die Wundertüte
Unerwartet und überraschend soll das Angebot des britischen Modekonzerns Topshop sein. Von teuer bis billig, alles geht. Mit diesem Konzept wollen die Briten nun auch den deutschen Markt erobern und eröffnen ihr erstes Geschäft am Alexanderplatz. Die beiden Chefdesigner erklären, warum Topshop mehr ist als ein Fast-Fashion-Anbieter.
Wegen Topshop habe ich mal einen Flug von London nach Berlin verpasst. Ich bin im größten Geschäft der britischen Modekette in der Oxford Street versackt. Als ich wieder aus den riesigen Katakomben ins Tageslicht trat, war der Flieger fort, ich hatte das Gefühl, zu viel Süßes gegessen zu haben – aber es hatte richtig Spaß gemacht!
Vielleicht schafft Topshop das nur bei sehr modeaffinen Menschen, aber genau darauf baut sich die Geschäftsidee auf: Das Geschäft soll funktionieren wie ein riesiger Süßwarenladen, in dem man so viele bunte Dinge präsentiert bekommt, dass man nicht widerstehen kann. Topshop bringt vom Haargummi bis zum Winterstiefel so unterschiedliche Artikel zusammen, dass die Kunden immer wieder überrascht werden.
Viele Modekonzerne wie Hennes & Mauritz bieten inzwischen für verschiedene Zielgruppen scharf von einander getrennte Marken an. So gehört COS mit Mode für distinguierte Kunden ebenso zum schwedischen Konzern wie die quietschbunten Monki-Läden für Teenager und die sehr modisch ausgerichtete Linie & Other Stories. Alle haben ein eigenes Ladenkonzept, eigene Designteams und unterschiedliche Preisniveaus.
Bei Topshop hält man nichts von Grenzen, alles kommt in einen Laden. Da kann schon mal ein T-Shirt für zehn Euro neben einem Ledermantel für 600 Euro hängen. Oder ein Kleid mit wilder Fantasielandschaft in direkter Nachbarschaft zur grauen Flanellhose mit dem Qualitätsnachweis „Made in Great Britian“. Dieses Durcheinander kann so anregend sein, dass der Ladenbummel mit dem Kauf eines Pullovers mit einer Katze darauf und einem verpassten Flug enden.
Das funktioniert besonders gut in im Shop in der Oxfordstreet, das Geschäft ist mehr als 8400 Quadratmeter groß und bietet das komplette Sortiment von Topshop und Topman. Dagegen ist das erste eigene Geschäft in Deutschland nur ein Kiosk, an dem man sich schnell einen Überblick verschafft.
Topshop hat sich viel Zeit gelassen mit Deutschland, von Neuseeland über Singapur bis in die USA wurden schon in fast allen Erdteilen Geschäfte eröffnet, mehr als 500 sind es weltweit. Aber immer noch ist Großbritannien mit Abstand der wichtigste Markt, rund 300 Filialen gibt es hier.
Jetzt hat sich das Unternehmen im Kaufhofgebäude am Alexanderplatz gleich auf drei Stockwerken eingemietet. Mit dem Kaufhauseigner Hudson Bay besteht eine Partnerschaft. Zur Eröffnung am Donnerstag sind Topshop-Leute in Mannschaftsstärke in Berlin eingeflogen. Nicht nur Manager traten an, auch Jacqui Markham, Global Design Director und Gordon Richardson, Creative Director der Männerlinie Topman quartierten sich im Soho House an der Torstraße ein, um das System Topshop zu erklären.
Um zu verstehen, was das Besondere an Topshop ist, braucht man richtige Läden mit richtiger Ware
In einem sind sich die beiden einig: Um zu verstehen, was das Besondere an Topshop ist, braucht man richtige Läden mit richtiger Ware, die Präsentation im Netz reicht nicht. Virtuell auf dem deutschen Markt ist Topshop schon seit 2008, seit 2012 mit deutschsprachigen Website.
Die hat zwar viele Fans, aber der breiten Masse sind Topshop und Topman unbekannt. „Nur mit Shops können wir die Unterschiedlichkeit der Kollektionen zeigen“, sagt Richardson. „Wir haben eine Auswahl für Berlin getroffen, von der wir annehmen, dass sie passt. Aber vielleicht werden wir nach ein paar Wochen das Sortiment radikal verändern. Wir sind da sehr flexibel.“
Denn natürlich ist Topshop wie Hennes & Mauritz, Zara und Mango ein Fast-Fashion-Unternehmen. Laufend entwerfen die Teams von Jacqui Markham und Gordon Richardson neue Produkte. Ihre Arbeit ist in den letzten zehn Jahren viel komplexer geworden, sagt die Designchefin: „Es gibt viel mehr Informationen, die du sammeln musst, bevor du deine Entscheidungen triffst.“
Zwar gibt es auch bei Topshop zweimal im Jahr abgeschlossene hochwertige Kollektionen, die auf der Londoner Fashion Week gezeigt werden, aber ansonsten sind Saisons, die sich an den Jahreszeiten ausrichten, für solche Unternehmen nicht mehr relevant. „Man wird nie fertig, es geht weiter und weiter. Das war vor zwanzig Jahren ganz anders. Damals kauften wir Produkte sechs Monate, bevor wir sie brauchten, und mussten hoffen, dass sie jemandem gefallen. Jetzt sind wir näher am Leben“, sagt Richardson.
Überhaupt findet er seine Arbeit als Männerdesigner heute viel aufregender als noch vor zehn Jahren. Da kann der überaus höfliche Brite richtig laut werden: „Oh mein Gott, yeah! Really! Es ist völlig anders und macht viel mehr Spaß!“ Am meisten haben sich die Proportionen und Schnitte geändert, sagt er begeistert. Früher saß alles undefiniert, heute sind die Kleider scharf geschnitten. Da hat sich die Männermode den Damen angenähert.
Beide Designer sind überzeugt, dass London als Zentrum für Topshop absolut identitätsstiftend ist. Jacqui Markham erklärt das so: „Das ist so ein britisches Ding, wir packen Leute nicht so gern in Schubladen, um ihnen Alter, Stil, Typ vorzugeben. Wir wollen, dass die Leute ihre Sachen mischen. Es gehört zum britischen Stil, alles miteinander zu kombinieren. „Das ist ein Erbteil von Punk und Anti-Establishment, wie es typisch für London ist.“
Und aus einem weiteren Grund ist Topshop in der Londoner Modeszene tief verwurzelt. Lange schon unterstützt der Konzern junge Designer. Die Erfinderin des Minirocks, Mary Quant, verkaufte ihre Entwürfe bereits in den späten Sechzigern im Stammgeschäft an der Oxford Street. Seit 2005 ist Topshop offiziell Teil der London Fashion Week und fördert Nachwuchstalente mit dem Wettbewerb „Newgen“. Viele heute bekannte britische Designer wie Christopher Kane und J.W. Anderson entwarfen schon lange, bevor das als PR-Maßnahme großer Modekonzerne beliebt wurde, Kollektionen für Topshop.
Dass es nicht leicht wird, sich in Deutschland einen ähnlich guten Namen zu machen, ist Richardson klar: „Niemand braucht heute noch neue Kleider. Aber es gibt es immer das Bedürfnis nach Neuem. Unser Job ist es, eine Balance zu finden: Denen ein Angebot zu machen, die nur kommen, wenn sie etwas brauchen. Und gleichzeitig Leute zu bedienen, die Mode wöchentlich einkaufen.“
- Topshop im Kaufhof am Alexanderplatz in Mitte. Infos: topshop.com