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Zu blumig? Umso besser. Bild aus der aktuellen Kampagne von Zalando.
© Zalando

Zalando und die Mode: Blumige Versprechen

Der Online-Modehändler Zalando will sein Marktvolumen von 6,6 Milliarden Euro bis 2023 verdreifachen. Wie das gehen soll und welche Rolle Mode dabei spielt.

„Wir wollen, dass unsere Kunden denken: Wenn ich es nicht auf Zalando finde, dann existiert es nicht.“ Zalando-CEO David Schneider schwebt für seine App vor, was Spotify für Musik und Netflix für Filme und Serien sind. Wer an Mode denkt, soll „Zalando“ denken. Der Onlinehändler für Mode und Kosmetik hat sich seit seinen Gründertagen als Schuhversand-Startup zweier BWL-Studenten und der legendären wie nervigen Kampagne „Schrei vor Glück“ zu einem Unternehmen mit 15 000 Mitarbeitern entwickelt, davon 6000 in Berlin. Dafür wurde bisher in Expansion investiert.

Denn Zalando lebt von den Daten, die die Kunden in jedem Kontakt preisgeben. Mit diesen Daten plant Zalando nicht nur sein 450 000 Artikel von 2000 Marken umfassendes Sortiment, sondern die individuelle Ansprache jedes einzelnen Kunden, um gezielt Kaufanreize zu schaffen. Inzwischen hat das Unternehmen europaweit expandiert und verdient an der Weitergabe der anonymisierten Daten und ihrer Interpretation. Von Zalando wird eine extrem hohe Reichweite erwartet. Daran wird mit Kampagnen und Influencern gearbeitet. Der Platz auf den Handy-Startbildschirmen ist teuer.

Sogar die Sonne zeigt sich, in einer ansonsten grauen Woche, als Zalando eine Gruppe von Influencern auf einem historischen Dampfer aus der Innenstadt in Richtung Westhafen schippert. Hat der Gastgeber die wärmenden Strahlen bestellt? Die Influencer an Bord scheinen nicht weniger zu erwarten, zumindest aber einen neuen, fotogenen Ort, den sie auf Instagram teilen können. Ihnen hat Zalando in einem Fotostudio ein Blütenmeer als Fotohintergrund aufgebaut. Bill Kaulitz, Sänger von Tokio Hotel und Zwillingsbruder von Heidi Klums Zukünftigem, ist auch eingeladen, mit den Modebloggerinnen Leonie Hanne und Veronika Heilbrunner spricht er darüber, wie sie ihren Stil finden und zu ihm stehen. Too much – das gebe es gar nicht.

Informationen sind das Kapital für Zalando

Der ganze Aufwand soll die geladenen Social-Media-Profis dazu bewegen, Zalandos aktuelle Sommerkampagne unter den Hashtags #StandByYourStyle und #TooMuch zu verbreiten. Die Kampagne ist der Einstieg zu den Modethemen der Saison auf der App und führt dort zu eher durchschnittlichen Stücken in Beige, Rot, mit Punkten oder Blumenmustern. Kaum Kleidung, die Leonie oder Bill tragen würden.

Am anderen Ende der Influencer-Hierarchie steht die Community von Zalandos Wardrobe-App. Hier kann sich jede Kundin als Influencerin ausprobieren oder eigene Kleider verkaufen, auch direkt an Zalando gegen Gutschrift. Der Aufwand ist groß und dient eher der Kundenbindung als dem Geschäft oder Nachhaltigkeitsideen. Mit jedem Service, mit jeder Interaktion werden Informationen gewonnen und ausgewertet. Zalandos Kapital.

Um die Kosten im Zaum zu halten und zu wachsen, muss das Unternehmen zwei Dinge tun: Die problemlosen Retouren, die wie die kostenfreie Lieferung selbstverständlich dazugehören, müssen reduziert werden. Sie kosten bares Geld, und die Quote liegt mit 50 Prozent viel zu hoch. Je individueller die Ansprache, je passender das Angebot, desto geringer die Gefahr, dass Kunden die Waren zurückschicken.

Zalando stellt Tochterfirma zLabels für Eigenmarken ein

Um weiter im Versandhandel zu sparen, will Zalando seine Firmenstruktur vom Modehändler zum Marktplatz umbauen. Große und kleine Firmen und Händler können in unterschiedlichen Formaten ihre Waren anbieten, Versand und Lager bleibt den Händlern überlassen. Von zehn auf 40 Prozent soll sich der Plattformanteil am Bruttoumsatz erhöhen. So kann Zalando weiter wachsen, ohne in überarbeitete Vertriebsstrukturen zu investieren.

Dieses Partnerprogramm soll verschiedene Vorteile bieten. Zum Beispiel können die elektronisch vernetzten Partnerläden einspringen, wenn im Sortiment eine Größe nicht verfügbar ist. Da diese oft näher beim Kunden liegen als Zalandos Logistikzentren auf der grünen Wiese, kann auch häufig schneller geliefert werden, gegebenenfalls umweltfreundlicher durch Fahrradkuriere.

Was die Kunden früher nicht von Herstellern finden konnten, für die es sich nicht lohnte, hatte Zalando bisher selbst über die elf Eigenmarken seiner Tochterfirma zLabels hergestellt. Diese soll nun eingestellt werden, die Lücke könne inzwischen durch die Partner im Handel geschlossen werden.

Blühende Kulissen. Extra für Modeblogger baute Zalando diese Deko auf.
Blühende Kulissen. Extra für Modeblogger baute Zalando diese Deko auf.
© Ingolf Patz

Laut Zalando soll der Einzelhandel es wieder wagen können, spannendere Sortimente zusammenzustellen, da er nicht mehr allein auf die lokale Kundschaft angewiesen wäre. Aber würde sich der Onlinehändler mit seinen Analysen, Algorhythmen und Einsatz von Künstlicher Intelligenz da wirklich zurücknehmen? Der sieht sich jedenfalls als Rettungsanker des kriselnden Einzelhandels. Dass damit alle von einem abhängen und sich Zalandos Einfluss derart in den Einkaufsstraßen ausbreiten soll, hinterlässt bestenfalls ein mulmiges Gefühl.

Zalando ist strategisch sowieso immer schon weiter, als man denkt. Gerade noch hatte die Firma verkündet, was für ein Erfolg die Publikumsmesse Bread & Butter gewesen sei, schon ist sie bis auf Weiteres abgesagt. Zalando hatte die Rechte an der insolventen Fachmesse erworben und in drei Jahren ein Lifestyle-Event rund um den explodierenden Streetstyle kreiert. Das unsentimentale Resümee von Chef David Schneider trotz 35 000 Besuchern: Das Projekt habe ihre Modeexpertise erhöht, passe nun aber nicht mehr in die Firmenstrategie. Punkt.

Bei all den Expansionen tritt die Modeexpertise häufig in den Hintergrund

Harte Schnitte. Zalando will auch seine Mode- und Eventkompetenz dazu einsetzen, vermehrt abseits des aufwendigen Onlinehandels Profit zu machen und zusätzlich beispielsweise umfassende Werbekonzepte anbieten. Für das Unterwäschelabel Underarmour erschloss man mit einer 360°-Kampagne eine ganz neue, weibliche Zielgruppe.

Im bisherigen Kerngeschäft tritt bei den dramatischen Meldungen zu Expansionen und Milliardenumsätzen die Modeexpertise häufig in den Hintergrund. Es scheint manchmal, als könnten die Gründer Robert Gentz und David Schneider nicht ganz raus aus ihrer BWL-Studentenhaut der ersten Tage. Dabei gibt es neben den Plänen zur Kunden- und Warenquantität auch Pläne zur Qualität. „Wir bauen unseren Bereich zeitgemäßer, hochqualitativer Mode zurzeit stark aus mit Marken wie See by Chloé, Diane von Fürstenberg und Phillip Lim. Im Luxus-Bereich führen wir unter anderem Versace, Bally, Paul Smith First Line und Missoni“, erklärt Lena-Sophie Krups, Chefeinkäuferin für das gehobene Modesegment. „Wir wollen das bestmögliche Sortiment anbieten.“ Gut, dass die Luxus-Influencerin Leonie Hanne schon mal an Bord ist.

Ingolf Patz

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