Wie ein Kinderarzt die Corona-Zeit erlebt: „Behandeln nur noch die schlimmen Erkrankungen“
Kinderärzte machen zurzeit nur unaufschiebbare Termine. Beratung geht auch telefonisch. Aber wenn dann doch mal ein Covid-19-Verdachtsfall kommt?
Unser Kolumnist betreibt eine Praxis in Süddeutschland, bloggt unter kinderdok.blog und berichtet hier von seiner Arbeit in Pandemiezeiten.
Letztens musste ich mich in einen Schutzanzug quetschen, es galt, einen Säugling mit Atemnot zu untersuchen, dessen Vater einen Risikokontakt gehabt hatte. Schwer durch Filter atmend, mit schwitzigen Händen in Handschuhen und schief sitzender Schutzbrille wollte ich das Baby untersuchen.
Als Dilettant, der ich bin, hatte ich vergessen, fürs Stethoskop meine Ohren von der Kapuze zu befreien oder passende Löcher zu reißen. Das Kind war wenigstens nicht akut bedroht, so verbuchte ich den Besuch als vermasselte Generalprobe für den Ernstfall.
Seit drei Wochen ist bei uns in der Praxis sehr wenig los. Nach den Turbulenzen der Influenza- und Infektzeit, die für Kinder- und Jugendärzte stets von Oktober bis Ostern geht und uns mit über Hundert kleinen Patienten am Tag beschäftigt, bedeutet die momentane Zeit echte Erholung. Dabei wütet draußen eine Pandemie, die die Welt noch nie gesehen hat.
Wir haben alle planbaren Termine verschoben, um den Publikumsverkehr auf ein Minimum herunterzuschrauben. Keine Vorsorgen jenseits des zweiten Lebensjahres, keine Gespräche, keine Entwicklungstests, keine geplanten Hör- oder Sehtests.
Das hat alles Zeit bis nach der Zeit. Einbestellt werden nur Säuglinge oder Kleinkinder mit schlimmeren Erkrankungen. Hierzu sind die Medizinischen Fachangestellten am Telefon sehr genau, erfragen mögliche Risikokontakte, Vorerkrankungen und die typischen Symptome.
Eltern, deren Kinder im Moment nur leicht erkrankt sind, werden gebeten, diese lieber zu Hause zu lassen, sie bekommen genaue Handlungsanweisungen und die Bitte, sich wieder zu melden, wenn sich Symptome verschlechtern.
Zwei allerletzte Komplettschutzanzüge haben wir noch
Viel versuchen wir auch, über E-Mail zu besprechen. Vor allem Hauterkrankungen, Ausschläge, Windelerkrankungen beurteilen wir über Fotos, so was müssen wir nicht live sehen. Rezepte und Krankschreibungen dürfen wir ohne direkten Kontakt ausschreiben und verschicken, das ist in der Krise neu.
Es ist erstaunlich, wie viele Patienten dadurch fernbleiben, und wie viele von sich aus den Besuch in der Praxis vermeiden. Wenn es in der Normalzeit nur manchmal auch so wäre.
So sehen wir momentan am Tag nur zehn bis zwölf wirklich kranke Kinder mit Durchfall, Scharlach oder Ohrenentzündungen, diese Dinge gibt es natürlich weiterhin. Vorsorgetermine für gesunde Säuglinge oder unaufschiebbare Impfungen werden an den Anfang der Sprechstunde gelegt, um den Kontakt mit Kranken zu vermeiden.
In unserem Landkreis wird die Behandlung von wirklich verdächtig Erkrankten über die hiesige Kinderklinik geregelt. Das ist aber überall anders. Viele Kinder- und Jugendarztpraxen sind auf sich gestellt. Mancherorts werden Fieberambulanzen gegründet, die die Praxen entlasten sollen, dort ist es ruhig. Noch.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen hatten Nachlieferung von Schutzkleidung angekündigt, bisher ist nichts angekommen, aber das ändert sich ja schnell, vielleicht ist bis Erscheinen der Kolumne etwas geschehen. Bis dahin tragen wir Mundschutz, ja, auch selbst genähten, oder eine der wenigen OP-Masken, die noch vorrätig sind.
Zwei allerletzte Komplettschutzanzüge nebst FFP-Masken haben wir auch noch. Falls sich doch wieder ein echter Covid-Verdacht in die Praxis verirrt. Jetzt kann ich es ja, das Anziehen.
Kinderdok