zum Hauptinhalt
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück - rot, violett oder was nun?.
© dpa

Die Wahlkampfbeobachter (1): Fließender Übergang in die Beliebigkeit

Der Startschuss ist gefallen. Nicht nur für unsere neue Wahlkampfkolumne zusammen mit "Cicero Online", sondern auch der Plakatwettstreit auf der Straße. Die Grünen sind grün, das war klar. Aber die SPD ist Sowohl-Als-Auch. Das war aber auch klar.

Die CDU fehlte noch. Sie hat am Montag ihre ersten Großflächenplakate präsentiert. Das entspricht ziemlich genau dem Herangehen von Parteichefin Angela Merkel. Abwarten ist eines der Merkelschen Gesetze. Jetzt sind sie da. Dabei hätten sie eigentlich auf Plakate verzichten können, weil die SPD den Job ja mit übernommen hat und Merkel samt einiger ihrer Minister großflächig präsentiert. Daran haben sich viele gestoßen, weil es den Grundsatz gibt, den politischen Gegner durch solche Abdrucke nicht noch bekannter zu machen. Doch ein Risiko bestand für die SPD nicht, weil die Kanzlerin ohnehin populär ist. Der Umkehrschluss, ob vielleicht der eigene Kandidat zu wenig populär ist und man deshalb auf sein Gesicht verzichtet, liegt zwar nahe, trifft es aber nicht. Erstens gibt es ein paar Plakate mit Steinbrücks Konterfei, und zweitens ist es sinnvoll, den Kandidaten erst in der heißen Phase ins Zentrum der Kampagne zu stellen.

Wahlkampfbeobachter.
Wahlkampfbeobachter.
© Cicero/Daxer

Doch die Plakate offenbaren ein anderes Problem der SPD: Sie ist viel zu sehr Sowohl-als-auch-Partei. Das verdeutlicht schon die Farbgebung der Plakate. Der Hintergrund geht vom Roten ins Violette über, von links unten nach rechts oben. Daneben noch ein SPD-Quadrat in knallrot. Purpur heißt der violette Ton wohl genau, nur ist es alles andere als pur-pur. Es ist beliebig. Die britische Labourparty spielt auch mit einem solchen Farbverlauf. Aber was sagt das aus? Soll es einen Übergang symbolisieren oder eine gleichberechtigte Koexistenz zwischen klassischer linker Politik und einer, die stärker zur Mitte sich orientiert. Ist das die Farbe der linken Mitte? Plakate sollen klare Botschaften vermitteln. Dies ist keine. Allerdings passt es zur SPD in der, sagen wir Pre-Wahlkampfphase, also der gesamten Legislatur. Und da hatte die SPD ein Problem: Sie musste beim alles dominierenden Thema Euro-Rettung einen Balanceakt hinlegen zwischen oppositioneller Kritik an der Regierung und europapolitischer Verantwortung. Wirklich gelungen ist der Balanceakt am Ende nicht, weil die SPD Merkel nun für ein Krisenmanagement kritisiert, dass sie letztlich selbst mit abgenickt hat. Es ist zwar richtig, dass die SPD auf einige Korrekturen hingewirkt hat, für einen plakativen Wahlkampf ist das aber zu wenig.

Nun kann man zurecht einwenden, dass die CDU nicht anders auftritt. Auch Merkel kann das Sowohl-als-auch-Spiel gut. Auch die CDU spielt farblich – aber nur mit hell und dunkel, nicht mit den Tönen selbst. Große Volksparteien müssen in viele Zielgruppen hineinwirken, wenn sie ihren Status als Volkspartei behalten wollen. Aber es macht einen Unterschied, ob man diesen Kurs als Regierungspartei wählt oder in der Opposition. In der Regierung lässt sich das leichter begründen – auch gegenüber den eigenen Leuten. Dort wird es sogar noch viel stärker erwartet. Aber von einer Opposition wird auch Opposition erwartet. Die SPD aber hat es in diesen vier Jahren nicht geschafft, echte Oppositionspartei zu sein.

Natürlich ist Opposition Mist. Aber wenn man schon mal diesen Status bekommen hat, sollte man ihn auch nutzen. Doch die Sozialdemokraten rieben sich zwischen kleinen oppositionellen Sticheleien und dem Gestus des verantwortlichen Handelns auf. Bei der SPD ist dieser Trend häufig festzustellen: In der Regierung verhält sie sich wie eine Oppositionspartei (siehe Agenda-Debatte) und in der Opposition wie eine Regierungspartei (siehe Euro-Rettung). Der Sowohl-als-auch-Kurs der SPD setzt sich im Wahlkampf fort. An erster Stelle steht ein Kandidat, der einer der größten Verfechter der Agenda 2010 war, einer, der tatsächlich Klartext reden kann. Aber was seine Partei von ihm verlangt, sind Kotaus und Entschuldigungen. Er muss oft in Relativsätzen sprechen. Sein Potenzial kann er so kaum entfalten.

Das Ergebnis dieser vier vergangenen Jahre ist nun Rot, Violett, Weiß, weiche Übergänge. Purpur eben. Unentschlossenheit. Aber vielleicht haben die Strategen der SPD etwas anderes im Sinn: Beliebigkeit und fließende Farbverläufe, also keine genaue Richtung, bieten auch Spielräume nach allen Seiten. Das macht einen spontanen Lucky Punch einfacher. Und den wird die SPD brauchen, um der CDU womöglich doch noch ein Veilchen zu verpassen.

Christian Tretbar

Zur Startseite