Die Bilanz der Silvesternacht: Zwei Tote auf U-Bahn-Gleisen
An sich war es eine relativ ruhige Silvesternacht. Doch es gab tragische Unglücke bei der U-Bahn und mit Pyrotechnik, dazu Attacken auf Polizisten.
Am Neujahrsmorgen werden Polizeipräsident und Innensenator sehr erleichtert gewesen sein. Die Silvesternacht war erstaunlich ruhig, keine Schießereien, keine Großbrände – und vor allem: kein Anschlag. Der Terroralarm in München hatte „rein regionalen“ Charakter, wie das Präsidium noch in der Nacht formuliert hatte. Wegen der aktuellen Ereignisse war die Bewachung der größten Silvesterparty Deutschlands deutlich verstärkt worden. 900 Polizisten und 600 Ordner waren alleine rund um die Silvestermeile eingesetzt – es gab keinerlei größere Zwischenfälle auf Deutschlands größter Silvesterparty mit mehreren hunderttausend Besuchern.
Andernorts aber kam es zu tragischen Todesfällen. Zwei junge Männer starben in der Nacht auf U-Bahn-Gleisen, und zwar nahezu zeitgleich. Der Fahrer eines Zuges der U5 entdeckte um 4.10 Uhr im Tunnel zwischen den Bahnhöfen Kaulsdorf-Nord und Wuhletal eine leblose Person im Nachbargleis. Eine Obduktion soll die Todesursache klären. Unklar ist, ob es ein Unfall oder ein Suizid war. Eine Minute nach diesem Leichenfund wurde in Reinickendorf ein 20-Jähriger von einem Zug der Linie 6 erfasst. Nach Polizeiangaben war der junge Mann stark alkoholisiert und lief nahe dem Bahnhof Scharnweberstraße über die Schienen.
Sieben Menschen verloren Finger durch Feuerwerk
Außerdem erlitten in der Silvesternacht zahlreiche Menschen schwerste Handverletzungen oder Verbrennungen durch Pyrotechnik. Alleine im Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) in Marzahn gab es 22 Patienten mit derartigen Verletzungen. Bei sieben von ihnen mussten Finger oder Teile der Hand amputiert werden. Darunter waren zwei Kinder, eines davon ein zwölfjähriger Junge, wie UKB-Sprecherin Angela Kijewski sagte. Das sind deutlich mehr Bölleropfer als im Vorjahr, aber deutlich weniger als vor zwei Jahren. Insgesamt gab es in der Nacht 50 Patienten, viele erlitten durch die plötzliche Glätte in der Nacht Knochenbrüche.
In der Suhler Straße in Hellersdorf wurde am Nachmittag des Neujahrstages in zwei Kellerverschlägen rund eine Tonne Feuerwerkskörper gefunden, legale, teilweise auch illegale. Einem Anwohner war aufgefallen, dass ein 25-jähriger Nachbar die ganze Nacht Feuerwerk gezündet hatte und immer wieder Nachschub aus dem Haus holte. Auch stünden vor einem der Verschläge Kisten mit Pyrotechnik. Polizisten trafen den Mann in seiner Wohnung nicht an, fanden jedoch den Verschlag sowie dessen Vorraum vollgestellt mit Feuerwerk. Nach einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss wurden diese Räume und ein weiterer von dem Mann gemieteter Keller kontrolliert. Die Feuerwerkskörper wurden beschlagnahmt und abtransportiert, gegen den Mann wird wegen möglichen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt.
In der Silvesternacht kam es wie befürchtet zu Angriffen auf Einsatzkräfte. Drei Mal attackierten größere Menschenmengen Polizeibeamte. So griffen etwa 50 überwiegend arabisch- und türkischstämmige Jugendliche und Heranwachsende in Schöneberg gegen 0.10 Uhr zwei Polizisten an. Die Attacke geschah auf der gleichen Kreuzung Potsdamer Straße / Goebenstraße / Pallasstraße wie in den beiden Vorjahren. Eine Beamtin musste mit Verbrennungen am Unterarm ärztlich versorgt werden, die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs. Festnahmen gab es keine. Die Situation auf der Kreuzung vor dem „Sozialpalast“ war in diesem Jahr jedoch längst nicht so schlimm wie im Vorjahr, als sich Polizeieinheiten wegen der massiven Angriffe zurückziehen mussten.
Gegen 1.20 Uhr bewarfen aus dem Park am Anhalter Güterbahnhof in der Möckernstraße etwa 40 bis 50 dunkel gekleidete und vermummte Personen einen Einsatzwagen der Polizei mit Steinen. Hierbei wurde die Scheibe auf der Beifahrerseite des Fahrzeuges erheblich beschädigt. Die Polizisten blieben unverletzt, den Tätern gelang die Flucht. In diesem Fall geht die Polizei angesichts der Vorgehensweise von einer linksextremistischen Attacke aus. In Prenzlauer Berg griffen etwa 30 Personen die Polizei zunächst mit Böllern und dann mit Schlägen und Tritten an.
Zuvor sollte auf der „Partykreuzung“ am U-Bahnhof Eberswalder Straße ein junger Mann kontrolliert werden, der mit einer Schreckschusswaffe hantiert hatte. Drei Tatverdächtige im Alter von 17, 18 und 20 Jahren wurden festgenommen, gegen sie wird wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Ihre Motivation blieb unklar. Ein Beamter wurde bei dem Übergriff leicht verletzt. Auch die Feuerwehr berichtete von mehreren Angriffen mit Böllern auf Sanitäter und andere Einsatzkräfte in mehreren Bezirken. Mindestens zwei Einsatzfahrzeuge wurde durch Pyrotechnik beschädigt. Die Behörde klagt seit Jahren darüber, dass ihre Arbeit in manchen Stadtteilen massiv behindert wird. „Beim Böllern ist Berlin die verrückteste Stadt“, hatte Feuerwehrchef Wilfried Gräfling zwei Tage zuvor gesagt.
Innensenator Frank Henkel (CDU) verurteilte diese Attacken: „Helfer sind keine Zielscheibe. Für dieses erbärmliche und unfassbar dumme Verhalten fehlt mir jedes Verständnis.“ Dennoch zog Henkel eine positive Bilanz: „Die Nacht ist weitgehend friedlich geblieben. Berlin hatte den Ausnahmezustand im Griff.“ Auch die Situation auf der Silvesterparty vor dem Brandenburger Tor bewertete der Innensenator positiv: „Das Sicherheitskonzept ist aufgegangen. Ich freue mich, dass hunderttausende Menschen ungetrübt feiern konnten.“
Auf der Silvesterparty auf der Straße des 17. Juni gab es dank der intensiven Kontrollen keine besonderen Zwischenfälle. Die Sanitäter auf der Meile leisteten 169 Mal erste Hilfe, 27 Menschen wurden mit Verletzungen in Krankenhäuser gebracht. 900 Polizisten und 600 Ordner sorgten dafür, dass niemand unkontrolliert auf das Gelände kam. Um 22.15 Uhr waren die Eingänge wie in den Vorjahren geschlossen worden, wie die Berliner Polizei twitterte. Es war der vorletzte Tweet der Nacht, anschließend folgten nur noch die Neujahrswünsche – dies zeigt am besten, wie ruhig es in Berlin war.
Dabei ist die Zahl der Einsätze und der Notrufe deutlich gestiegen. Zwischen 18 und 6 Uhr gingen bei der Einsatzleitzentrale 3588 (Vorjahr 3285) Notrufe ein. Insgesamt mussten die Beamten 1749 Einsätze bewältigen, dies sind fast 30 Prozent mehr als im Vorjahr (1243). Darunter befanden sich Fahrten zu meist kleineren Schlägereien, Streitigkeiten, verletzten Personen und Sachbeschädigungen sowie Einsätze wegen unsachgemäßen Umgangs mit Pyrotechnik. Der Anstieg hat einen einfachen Grund: Der Jahreswechsel zu 2015 war wegen des ungemütlichen Wetters eine Ausnahme, deshalb hatte es einen Rückgang von 20 Prozent bei den Notrufen und fast 40 Prozent bei den Einsätzen gegeben. Zum Vergleich: 2014/15 hatte es mehr als 2000 Einsätze gegeben.
Ausnahmezustand bei der Feuerwehr
Auch für die Berliner Feuerwehr war es der arbeitsreichste Tag des Jahres, aber längst nicht die arbeitsreichste Silvesternacht. Zwischen 19 Uhr und 6 Uhr wurden genau 1547 Einsätze bewältigt. Darunter waren 432 Brände und 1053 Einsätze von Rettungswagen. Diese Zahlen nannte die Feuerwehr am Neujahrsmorgen. Wie in jedem Jahr wurde um 19 Uhr der planmäßige Ausnahmezustand „Silvester“ ausgerufen. Dann werden die Einsätze nach Priorität statt nach Notrufeingang abgearbeitet. Trotz des Nieselwetters gab es zahlreiche Brände von Balkonen, Kleidercontainern und Schuppen, die fahrlässig oder vorsätzlich durch Kracher ausgelöst wurden.
Im Vorjahr hatte es bei ebenfalls nasskalten Wetter mit 272 Bränden nur halb so viele gegeben wie beim sehr trockenen Jahreswechsel 2012/13, damals hatte es deutlich mehr als 600 Brände gegeben. Die Rettungswagen hatten 50 Einsätze mehr zu bewältigen. Nach Polizeiangaben wurden in der Nacht zwei Fahrzeuge angezündet, politische Motive sind nicht zu erkennen. In Mitte wurde ein 25-Jähriger zehn Minuten vor Mitternacht von einem Unbekannten mit einem abgebrochenen Flaschenhals schwer verletzt. Die Tat geschah auf dem Gehweg der Hugo-Preuß-Brücke vor dem Hauptbahnhof.
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