Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Zweckentfremdungsverbot kommt vors Bundesverfassungsgericht
Die Berufungsklagen mehrerer Ferienwohnungsvermieter waren teilweise erfolgreich: Das Oberverwaltungsgericht legt das Gesetz nun in Karlsruhe vor.
Mehr als fünf Stunden verhandelte das Oberverwaltungsgericht (OVG) am Donnerstag, dann kam die überraschende Entscheidung: Das Berliner Zweckentfremdungsverbot wird dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Nach Überzeugung des fünften Senats ist das Verbot zumindest insoweit verfassungswidrig, als es eine Rückwirkung entfaltet. Das OVG setzte die 41 Berufungsverfahren, über die verhandelt wurde, in der Konsequenz vorerst aus.
Zur Erinnerung: Das Land hatte das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz 2013 erlassen und darin den Senat ermächtigt, per Verordnung eine Wohnungsmangellage festzustellen. Seit dem 1. Mai 2014 gilt das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum, etwa als Ferienwohnung oder für gewerbliche oder berufliche Zwecke.
Das Gesetz unterstellt aber nicht nur vorhandenen Wohnraum dem Zweckentfremdungsverbot, sondern erfasst auch Räume, die schon als Ferienwohnung oder Rechtsanwaltskanzlei genutzt wurden, als das Verbot in Kraft trat. Dabei bekamen die einen Bestandsschutz zuerkannt, darunter Ärzte und Rechtsanwälte, während die Ferienwohnungsbetreiber nur eine Übergangszeit von zwei Jahren zugestanden bekamen. Nun hatten aber viele von ihnen eine Menge Geld investiert und aus dem Vermieten von Wohnungen an Touristen ein Geschäft gemacht - einen Gewerbebetrieb also, der von Artikel 14 des Grundgesetzes geschützt wird.
Die Kläger hatten in der ersten Instanz nur die Erteilung sogenannter Negativatteste begehrt, mit denen das zuständige Bezirksamt bestätigen sollte, dass für die Nutzung ihrer Räume keine Genehmigung erforderlich ist. Das Verwaltungsgericht wies die Klagen im Juni 2016 ab. Das OVG prüfte nun eingehend die Datengrundlage, auf der das Land Berlin seine Einschätzung stützte, es herrsche Wohnungsmangel. Im Ergebnis hatten die Richter daran nichts zu beanstanden.
Mitte-Bürgermeister Dassel: Kern der Regelung nicht in Gefahr
Anders bewertete das Gericht die Frage, ob das Gesetz eine vor dem 1. Mai 2014 begonnene Vermietung von Räumen als Ferienwohnung rückwirkend verbieten darf. Das gehe über den reinen Schutz des Wohnraumbestandes hinaus und greife unverhältnismäßig in die Grundrechte der Eigentümer und Vermieter ein. Der Wohnungsmangel rechtfertige es nicht, Eigentümer zu zwingen, gewerblich genutzte Räumlichkeiten in Wohnraum zurückzuverwandeln. Die vom Gesetz eingeräumte Übergangsfrist von zwei Jahren könne diese Rechtsbeeinträchtigung nicht kompensieren.
Peter Vida, der gemeinsam mit dem Verfassungsrechtler Helge Sodan als Anwalt für das Ferienwohnungsportal Wimdu auftrat, zeigte sich von der Entscheidung begeistert. „Das ist ein Durchbruch für die Ferienwohnungen“, sagte er dem Tagesspiegel nach der Verkündung des Beschlusses. Er gehe davon aus, dass die Verfolgung der Anbieter von Ferienwohnungen vorerst gestoppt werde. Die FDP forderte, das ganze Gesetz abzuschaffen. Die Entscheidung des OVG sei „eine schallende Ohrfeige“ für den Berliner Senat, sagte die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter.
Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) sagte dem Tagesspiegel, die OVG-Entscheidung werde zunächst juristisch geprüft. „Sie stellt uns nicht vor so große Probleme.“ Sollte das Bundesverfassungsgericht die Rückwirkungsklausel kippen, wären in Mitte nur rund 1500 Ferienwohnungen vom Verbot ausgenommen. Deren Betreiber hatten sich wie im Gesetz vorgesehen gemeldet und durften noch zwei Jahre weiter vermieten. Wichtiger sei, künftige Zweckentfremdungen zu verhindern, sagte von Dassel. „Wir verlieren 1500 Wohnungen, können aber weitere 10 000 verhindern.“