"Yorck Records" in Tempelhof versteigert: Zuschlag für 9000 Schallplatten
9000 Schallplatten aus dem Kreuzberger Laden „Yorck Records“ wurden im Auktionshaus Beier versteigert. Das ging ruckzuck. Neben gebrauchtem Hausrat, Altkleidern, Winterreifen und Teppichen war die Vinylsammlung Hauptanziehungspunkt.
Sie sei zum ersten Mal hier, sagt die Frau in Regenhose und Outdoorjacke. Hier ist das Auktionshaus Beier im Tempelhofer Industriegebiet, eine Institution im Trödelgewerbe, Umschlagplatz für die Hinterlassenschaft der Verstorbenen, für Bleikristallgläser und Fotoapparate, für Christbaumschmuck und Kassettenrekorder, für Landschaftsgemälde und Bergdoktor- Hefte, für Haushaltswaren aller Art. Und jetzt auch für 9000 Schallplatten, die mal Günther Pehlgrimm gehört haben. Bevor er starb. Pehlgrimm, der lange Haare und Beatles-T-Shirts trug, wenn er bei Yorck-Records hinterm Tresen stand. Mehr als 35 Jahre lang.
Niemand hier kennt Günther Pehlgrimm. Die Frau in Regenhose sichtet für einen Bekannten den geschäftlichen Nachlass, abgepackt in Bananenkisten. Sie fotografiert die schmalen Plattenrücken und sendet ihm die Fotos, damit er sich ein Bild machen kann. Sonst scheint sich niemand für die Sammlung zu interessieren. Die Männer im Auktionshaus – Frauen sind in der Minderheit – schreiten langsam die Regale der Hausratsabteilung ab, drehen Teller und Vasen um, unterhalten sich auf Deutsch, Arabisch oder Türkisch. Fragen beantworten sie ungern. Man kennt sich und schweigt.
Jürgen aus Schöneberg sammelt DDR-Alltagsdinge. Er hat es auf zwei Spielzeugautos abgesehen. Sie stehen unter der Nummer 139. Später werden unter dieser Nummer rund sechs Regalmeter Krimskrams verscherbelt, für eine dreistellige Summe. Als Käufer treten nur wenige Männer auf. Sie verkaufen Einzelstücke gleich weiter an Interessenten wie Jürgen. Für einen Zehner oder Fünfer. Das geht alles ruckzuck.
Die Platten sind mit Abstand der größte Posten. Alle 9000 LPs und Singles werden en bloc verkauft. Rod Stewart, Elton John, Steve Winwood, Tanita Tikaram, Reinhard Mey, Peter Alexander, Neue Deutsche Welle, aber auch „Vader Abraham im Land der Schlümpfe“. Vinylscheiben printed in West-Germany, von Ariola oder Polygramm, 21 D-Mark, heruntergesetzt auf 4 Euro. Manche Hüllen sind zerfleddert, andere wie neu.
Die Frau in Regenhose fotografiert immer noch Plattenrücken.
Zuerst werden die Hausratsposten aufgerufen. Versteigert wird direkt am Regal. Die Männer drängen sich um Auktionatorin Monika Beier, heben zwei Finger, wenn sie bieten wollen, oder nicken einfach. Nach einer Dreiviertelstunde sind die Platten dran. Jetzt gibt es doch mehrere Interessenten. Die Gebote klettern ins Vierstellige, die Frau in Regenhose steigt aus. Zwei Händler treiben sich weiter in die Höhe. Bei 3900 Euro fällt der Hammer.
Ahmed, ein kleiner Mann in Kapuzenjacke, hat den Zuschlag erhalten. Er sei nur der Mittelsmann, sagt er. Gleich muss er zur Kasse und bezahlen und noch am selben Tag die Ware abholen. Der Unterlegene, ein Händler aus Wilmersdorf, ist nicht traurig. Wäre es ein privater Nachlass, hätte er noch mehr geboten. Ladenauflösungen brächten oft nicht viel ein. Die besten Stücke seien längst verkauft.
Der Auktionstross zieht weiter zu den Teppichen. Danach sind Altkleider dran, sorgsam aufgehängt. Auch Rollatoren warten auf neue Besitzer. Die würden alle nach Arabien exportiert, erzählt Jürgen. Dort gebe es so was gar nicht. Drei Männer testen einen alten Bechstein-Flügel auf Klang, und der Satz Winterreifen daneben erregt noch keine Aufmerksamkeit.