Innsbrucker Platz: Zum Davonlaufen
Eine Verkehrsmaschine, dunkle Unterführungen – und nur ein einsames Idyll.
Der Innsbrucker Platz ist kein Platz. Er ist eine Verkehrsmaschine aus den Siebzigern, als die Städte ihre Infrastruktur durch Großbauten aller Art erneuerten. Zwischen Schöneberg und Friedenau verflicht sich die Hauptstraße mit Stadtautobahn, S-Bahn-Ring und U-Bahn. Zubringer zur Untergrund-Autobahn umschlingen den von Autos beherrschten Platz. Zwischen Asphalt und Tunnel werden die Fußgänger durch unterirdische Gänge zu U-Bahn und S-Bahn geschleust. Er funktioniert, der Innsbrucker Platz, als Ort zum Queren, Umsteigen und Fortfahren. Als Platz ist er zum Davonlaufen.
Stadtbaukunst hat es schwer, wenn Maßstäbe und Geschwindigkeiten sich hart im Raume stoßen. Die fünfziger Jahre konnten und wollten noch Stadt gestalten. Davon zeugen die Kopfbauten des Platzes, von sozialer Erneuerung das Wohnhochhaus der Degewo, mit Erker aus Wintergärten und dekorativem Stirnband, vom wirtschaftlichen Wiederaufbau die Berliner Bank in der klassischen Tradition eines Palazzo, Travertinsockel, Pfeilerraster, Flugdach. Weniger stilsicher das geschwungene Wohnhochhaus gegenüber. Das postmoderne Kompositum kann frische Farbe vertragen. Schlusspunkt im toten Winkel der Ostseite eine leere Brandwand. Blaugelb lockt das Lüftungsbauwerk des Auto-Tunnels zu einem Billig-Discounter in die Unterwelt.
Vor dunklen Zugängen Hinweise auf Videoüberwachung! In trostlosen Gängen Einkaufswagen. Alles billig! Dass es anders geht, zeigen helle und bunte Passagen andernorts in Berlin.
Der Mittelstreifen zwischen Autobahnzubringern zeigt Spuren vergangener Gartenarchitektur. Wer sich vorwagt, stößt hinter wucherndem Cotoneaster auf ein Rondell und eine einsame weiße Bank. Sie ist umgeben von Flaschen, Rotweinkartons, alten Hosen und Fäkalien.
1981 wird unter Klängen einer Tiroler Trachtenkapelle ein Brunnen nach historischem Innsbrucker Vorbild eingeweiht. Platz für die schöne Anlage mit ihren Treppen und Podesten, Kugelakazien und Rosen bietet die abgehängte Innsbrucker Straße.
Es ist, kaum zu glauben, ein idyllischer Ort. Menschen sonnen sich auf dem Rund der Bänke. Doch die sind morsch, Holzdielen fehlen, der Lack ist ab. Sie zu erneuern wäre ein erster kleiner Schritt zur Verschönerung des Platzes. Ein weitaus größerer die Neugestaltung des Mittelstreifens über dem Tunnel. Bushaltestelle und WC gehören auf den Parkplatz an der S-Bahn! Dann lohnt ein Ideenwettbewerb. Und die hässlich leere Brandwand? Eine Sache für Graffiti-Künstler!
Der Autor ist Stadtplaner. Von 1995 bis 2009 war er Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung
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