Berliner Senat plant Haushaltskürzung: Zu wenig Geld für die großen Pläne mit Tegel
Der Plan war: Wenn die letzte Maschine abgeflogen ist, rollen die Bagger und der Flughafen Tegel wird Hightech-Standort. Doch das geht nun nicht mehr.
Bau, Betrieb und Nutzung von Flughäfen sollte der Senat künftig besser unterlassen: Bei der ewigen Chaos-Baustelle BER kündigte BER-Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld vergangene Woche noch weitere böse Überraschungen an, in Tempelhof scheiterten Senatspläne für Neubauten am Willen des Volkes – und nun verlässt rot-schwarz der Mut bei der zügigen Umwandlung des Airport Tegel in ein Technologiezentrum: Im neuen Haushalt halbierte die Koalition das Budget. Das wirft die Pläne um zwei Jahre zurück und kommt dem Land teuer zu stehen.
50 Millionen braucht das Projekt, 24 Millionen kriegt es
Denn kaum ein anderes Bauvorhaben des Landes wird seit Jahren so konsequent vorangetrieben wie die „Urban Tech Republic TXL“: Architekten haben detaillierte Pläne für die Aufteilung des Areals und die Bauphasen vorgelegt, die Beuth-Hochschule will in das Terminal einziehen und soll das Kraftzentrum bilden für viele Dutzend kleine und mittlere Hightech-Firmen und Gründer rundherum. Doch während die Liste ansiedlungswilliger Firmen wächst, tritt der Senat mit der Mittelkürzung auf die Notbremse. Mit verheerenden Folgen: Bleibt es dabei, hat dies eine „Kostensteigerung in Höhe von 51 Millionen Euro“ zur Folge, heißt es in Parlamentskreisen und der Airport bliebe zwei Jahre wie eine Geisterstadt liegen, statt rasch als quirrliges Gründerquartier durchzustarten.
Scheitert es also nur am Geld? Dann wäre die Kürzung um rund 25 Millionen Euro zur Entlastung des Haushaltes teuer erkauft. Denn wenn die Zahlen stimmen, die die Runde machen, dann hat die Kürzung der Mittel zwei Jahre Verzug bei der Realisierung von TXL zur Folge und dies erhöht die Kosten des Projektes um rund 50 Millionen Euro: Allein Bewachung und Verwaltung des leer stehenden Airports schlägt mit fünf Millionen Euro zu Buche. Verloren gingen außerdem 30 Millionen Euro an GRW-Fördermitteln. Außerdem müsste die Firma für den Anstieg der Baukosten von jährlich 1,5 Prozent extra Geld ausgeben.
Mehr als zwei Großprojekte überfordern den Senat
„Wir können zwei Großprojekte parallel in Berlin stemmen und das sind zurzeit BER und Staatsoper“, sagt Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Diese seien im Haushalt so abgesichert, dass sie auch fertig gestellt werden. Jedes zusätzliche Projekt würde weitere Kosten verursachen und Personal binden. Tegel werde so vorbereitet, dass es auf die Staatsoper folgen könne, zuerst müsste diese also fertig gestellt werden. Die Begrenzung der Risiken erscheint sinnvoll, zumal der Senat bei beiden Projekten das Ende der Leiden immer wieder nach hinten im Kalender schob. Nur: TXL wird von einer eigenständigen Firma entwickelt, außerhalb der als schwerfällig geltenden und schon mit der Staatsoper überforderten Bauverwaltung – mit der Nachnutzung des Airports werden also keine Ressourcen für die Sanierung des Opernhauses gebunden.
Geplant ist bisher eine Übergabe des Geländes nach dem Abflug der letzten Maschine im Jahr 2018. Unmittelbar danach sollen die Arbeiten am Terminal D, südlich vom Hauptgebäude, die Umbauten für die Feuerwehr und die Erschließung des ersten Abschnittes für Gewerbebauten beginnen. Auch der Bau der 5000 Wohnungen soll starten, im Folgejahr die Arbeiten am Terminal B, gleich neben dem Tower. Durch die Kürzung der Mittel müssten diese Planungen auf Eis gelegt werden, nur der Umbau am Terminal B könnte planmäßig laufen.
Bauverwaltung verteidigt die "Budgetierung"
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verteidigte die Kürzungen von TXL, spricht von einer „Budgetierung für die Maßnahmen zur Entwicklung und Nachnutzung des Flughafens Tegel, die angesichts anderer Haushaltsbelastungen möglich ist.“ Es bestehe aber das Ziel, „mit Schließung und Übernahme des Flughafens mit ersten Bau- und Erschließungsmaßnahmen zu beginnen“. CDU-Fraktions-Vize Stefan Evers nannte die Kürzungen „inakzeptabel“. Die Fehler von Tempelhof dürften nicht wiederholt werden. Die Arbeiten müssten unverzüglich nach Stilllegung des Flugbetriebe beginnen. Durch den Zeitverzug von zwei Jahren drohten Unternehmen von dem Projekt abzuspringen. „TXL ist das Vorzeigeprojekt der Berliner Industriepolitik, da können wir keinen Sand im Getriebe brauchen“. Evers will sich deshalb bei den bevorstehenden Verhandlungen über den Landeshaushalt für Nachbesserungen einsetzen. Auch in der SPD wächst der Unmut über die Budget-Kürzung. „Ich halte das für eine falsche Entscheidung“, sagt der stellvertretende SPD-Fraktionschef Jörg Stroedter. Die Beuth-Hochschule, die als großer Erstmieter nach TXL ziehen soll, warte schon lange darauf. Ein falsches Signal sei es außerdem für die Hightech-Unternehmen, die sich dort ansiedeln wollen. Stroedter fordert deshalb, „dass beim Budget nachgebessert wird“. Noch bleibt Zeit dafür: Die Parlamentsausschüsse verhandeln den Haushalt zurzeit und können Änderungen anregen.
Vor allem Reinickendorf braucht die Jobs
Für den Westen Reinickendorfs wäre eine Verschiebung der Pläne verhängnisvoll. Im Quartier leben viele Berliner mit geringen Einkommen, darunter viele Migranten. Der Hightech-Park TXL verspricht neue Jobs. Außerdem ist der Neubau von vielen Wohnungen zu günstigen Mietpreisen geplant. Beides werde zur Verbesserung der sozialen Mischung in seinem Wahlbezirk beitragen, glaubt Stroedter, zumal „das Nachnutzungskonzept für Tegel hervorragend ist“. Sollte der Senat die Finanzierung wieder aufstocken, blieben noch planerische Konflikte zu lösen: Während sich die Grünen für eine Ausweitung des Wasserschutzgebietes aussprechen, sehen Wirtschaftskreise darin Konflikte mit den Forschungs- und Wirtschaftsbetrieben auf TXL. Und der Bau der 5000 Wohnungen könne zu produktivitätsbegrenzenden Einschränkung zwingen, unter anderem beim Zulieferverkehr.