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Berliner Strandleben anno 1912. Mit Vorliebe widmete sich Heinrich Zille dem „wahren Leben“. Der Cartoonist Bernd Zienicke hat viele seiner Schwarz-Weiß-Bilder nachkoloriert. In einer Ausstellung im Stahnsdorfer Rathaus präsentiert er seine Werke erstmals der Öffentlichkeit.
© Gemeinde Stahnsdorf

Einstige Pläne für ein Museum: Zille sein Milljöh war (fast) in Stahnsdorf

Die Tochter Heinrich Zilles plante in den 1950ern eine Gedenkstätte für ihren Vater – in Stahnsdorf. Dort ist er auf dem Südwestkirchhof beerdigt.

Für einen Moment zögert Olaf Ihlefeldt: Eine Heinrich-Zille-Gedenkstätte in Stahnsdorf? „Nein“, sagt er dann. „Das hätte nicht gepasst. Zille gehört doch nach Berlin, in sein Milljöh.“ Schon vor 87 Jahren wurde der Maler auf dem Südwestkirchhof begraben, doch von den Plänen seiner Tochter Margarete, nicht nur eine Gedenkstätte für ihren berühmten, aber relativ mittellos gebliebenen Vater (1858–1929) einzurichten, sondern auch nach Stahnsdorf umzuziehen, wussten viele Zille-Experten bisher nichts. Margarete ließ sich übrigens 1977 neben ihrem Vater beisetzen.

Dabei hatte der einstige Stahnsdorfer Hauptamtsleiter Dietmar Heyne sich schon vor acht Jahren mit dem Anliegen der Zille-Tochter befasst, die sich um ein Wohnhaus und eine Gedenkstätte in Stahnsdorf bemühte, und darüber einen Text in einem Heimatmagazin veröffentlicht. Doch erst anlässlich der gerade eröffneten Zille-Ausstellung rückt der für Stahnsdorf nicht unwesentliche Aspekt in den Fokus. Der Teltower Cartoonist Bernd Zienicke und seine Frau waren bei Recherchen auf Heynes Artikel gestoßen. Er ist neben zahlreichen anderen Fundstücken und Werken Zienickes in der Gemeindeverwaltung zu sehen.

Im  Spätsommer 1958 soll sich Heynes Recherchen zufolge die damals 75-jährige Margarete Köhler-Zille in einem Schreiben an den damaligen Stahnsdorfer Bürgermeister gewandt und ihm eine „Heinrich-Zille-Gedenkstätte“ vorgeschlagen haben. Köhler-Zille lebte zu dieser Zeit im mecklenburgischen Demmin. Gemeinsam mit dem engen Freund und Zille-Biografen Gerhard Flügge führte sie im Erdgeschoss ihres Wohnhauses, das sie vom Erbe ihres Vaters gekauft hatte, bereits eine kleine Ausstellung, welche sie nun nach Stahnsdorf verlegen wollte.

Heyne recherchierte in Briefen und Ratsprotokollen und fand heraus, dass ihr die Gemeinde Stahnsdorf ziemlich schnell ein leerstehendes Haus anbot. Der Sohn des Zille-Biografen, Matthias Flügge, erinnert sich noch an das Gebäude. „Ich weiß noch, dass wir mehrfach hingefahren sind und es uns angesehen haben“, sagte er. Doch sein Vater war von dem Haus nicht überzeugt. Was wohl passiere, wenn hier eine Mauer gebaut würde, habe dieser gesagt. „Ich fand das absurd“, so Flügge.

Wie Heyne schreibt, sollen aber auch finanzielle Fragen eine Rolle dabei gespielt haben, dass das Projekt letztlich scheiterte. Flügge hatte jährliche Kosten für das Museum von etwa 5000 Mark errechnet. Zudem sei das DDR-Kulturministerium nicht begeistert gewesen, so Heyne. „Gedenkstätten und Museen hatten staatlich zu sein, private Initiativen waren nicht gefragt“, schrieb er. Bis Ende 1960 hätten die Beteiligten noch in der Angelegenheit korrespondiert, dann wurde die Idee endgültig begraben.

Vor Stahnsdorf gab es schon andere Pläne für ein Zille-Museum. Im Gespräch war laut alten Zeitungsberichten der Fischerkiez in Berlin, der jedoch in den 1960er Jahren abgerissen wurde. Noch bis 1964 lebte Margarete Köhler-Zille, die nach dem relativ frühen Tod ihrer beiden Brüder Hans und Walter als einziges Kind Zilles verblieben war, in Demmin, dann zog sie nach Berlin. „Damit endete ein jahrelanger Prozess“, sagt ihr Patensohn Matthias Flügge. „Sie wollte schon immer in die Nähe von Berlin.“

In Berlin-Biesdorf fand Margarete Köhler-Zille gemeinsam mit der Familie Flügge schließlich eine neues Zuhause. Ihr früheres Wohnhaus in Demmin wurde im vorigen Jahr abgerissen, nachdem es seit der Wende immer mehr verfallen war, sagt Matthias Flügge. Die Sammlung, die Köhler-Zille und sein Vater dort zusammengetragen hatten, habe er später in seine Obhut genommen. Es dauerte aber noch bis 2002, ehe ein Zille-Museum öffnete – im Berliner Nikolaiviertel.

Lange galt Zilles Grab als das Einzige, was Stahnsdorf mit dem Künstler verband. Laut Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt hat sich der Maler zu Lebzeiten noch nicht mal bewusst für die „gute Adresse des Kirchhofs“ entschieden. Vielmehr sei die Begräbnisstätte dem Wohnsitz Zilles zugeordnet worden. Er hatte 40 Jahre bis zu seinem Tod in der Sophie-Charlotten-Straße in Berlin gelebt. Und die zählte zum Bereich der Epiphaniengemeinde, der wiederum ein Areal auf dem Südwestkirchhof gehörte.

Der am 10. Januar 1858 in Radeburg bei Dresden geborene Heinrich Zille, auch liebevoll „Pinselheinrich“ genannt, wurde durch seine sozialkritischen Milieustudien bekannt. Der Maler, Grafiker und Fotograf suchte sich mit Vorliebe Gassen und Hinterhöfe von Mietskasernen und widmete sich in seinen Werken der sozialen Unterschicht. Seine Zeichnungen versah er mit berlinerischen, teils spöttischen Texten.
Am 9. August jährt sich der Todestag zum 87. Mal. Zu diesem Anlass initiierte der Soziokulturelle Verein „EinsA“ gemeinsam mit dem Teltower Cartoonisten Bernd Zienicke eine Ausstellung, die bis Mitte September im Foyer des Gemeindezentrums in Stahnsdorf, Annastraße 3, zu sehen ist. Zienicke zeigt erstmals von ihm nachkolorierte Zille-Bilder.

Solveig Schuster

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