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Berlin: Zielpunkt Berlin

Sicherheitsexperten sehen besondere Anschlagsgefahr

Wie gefährdet ist Berlin? Mit dem Beginn des Prozess gegen Ihsan G. geraten die Umtriebe islamistischer Gruppen in der Stadt wieder stärker ins Blickfeld. Die Terrorgefahr ist dabei „nur“ ein Faktor, der allerdings in besonderem Maße beunruhigt. Nach Ansicht von Sicherheitsexperten steht Berlin neben Frankfurt am Main auf der Liste der möglichen Anschlagsziele in Deutschland ganz oben. Die Gründe sind offensichtlich: In Berlin residiert die Bundesregierung, die sich wegen der Teilnahme deutscher Soldaten am Anti-Terroreinsatz in Afghanistan und anderen Ländern den Hass von Al Qaida zugezogen hat. Außerdem befinden sich in der Stadt zahlreiche Einrichtungen der vom islamistischen Terrornetz besonders stark angefeindeten US-Amerikaner, Briten, Israelis und Juden.

Einer konkreten Anschlagsgefahr waren bislang vor allem jüdische Institutionen ausgesetzt. Die militant islamistische Vereinigung „Al Tawhid“, mit Al Qaida verbündet, wollte im Jahr 2002 das Jüdische Gemeindezentrum in der Fasanenstraße und möglicherweise auch das Jüdische Museum in Kreuzberg angreifen. Geplant waren Attentate mit Handgranaten und Pistolen. Im April 2002 hob das Bundeskriminalamt die vom Ruhrgebiet aus agierende Al-Tawhid-Zelle aus. Eine Verbindung zwischen Al Tawhid und dem jetzt vor dem Kammergericht stehenden Ihsan G. sehen die Sicherheitsbehörden nicht.

Die Anschlagsgefahr geht allerdings nicht nur von Gruppen aus dem weltweiten islamistischen Terrornetz aus. Mit Sorge registrieren die Sicherheitsbehörden, dass sich der Schlagabtausch zwischen Israelis und Palästinensern auch in Berlin auswirkt. „Es ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der Eskalation des Nahost-Konflikts emotionalisierte Einzeltäter aktiv werden“, sagt die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid. In Sicherheitskreisen heißt es, vor allem die kurz hintereinander erfolgte, gezielte Tötung der Hamas-Führer Scheich Ahmed Jassin und Abdel Asis Rantisi durch die israelische Armee habe bei jungen Arabern Empörung ausgelöst. Dass die Hamas selbst in Deutschland oder in einem anderen europäischen Staat versuchen könnte, den Tod ihrer Chefs mit Anschlägen auf israelische oder jüdische Einrichtungen zu rächen, halten Sicherheitsexperten jedoch für unwahrscheinlich.

Nur ungern antworten Fachleute auf die Frage, ob in Berlin Kämpfer für den irakischen Widerstand rekrutiert werden. Es gebe „vage Anhaltspunkte“, dass in einigen Moscheen versucht werde, junge Männer für Anschläge zu gewinnen – im Irak, in Afghanistan oder in Europa. Mehr können oder wollen Sicherheitsexperten nicht sagen. Sie weichen auch der Frage aus, ob die Al-Nur-Moschee in Neukölln weiterhin dem Umfeld des islamistischen Terrornetzes zugeordnet wird. In dem Fitnessraum in der obersten Etage des Betongebäudes soll Ihsan G. im Januar 2003 junge Islamisten für den Heiligen Krieg trainiert haben. Gegen den Imam der Moschee ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts, er habe Ihsan G. zumindest zeitweilig unterstützt. Die Al-Nur-Moschee sei weiterhin „ein sehr interessantes Objekt“, sagt ein Sicherheitsexperte. Auch wenn jetzt nicht mehr offen islamistisch agitiert werde, bleibe die Moschee ein „Anlaufpunkt“ für mehrere einschlägig bekannte Gruppierungen.

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