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Der Eiserne Gustav: Zieh an, Zosse

Walter Plathe spielt den Eisernen Gustav. Premiere ist im November am Ku’dammtheater.

Wie das halt so ist, wenn das Leben von Legenden dramatisch aufbereitet wird: nüscht stimmt oder gerade mal die Hälfte. So geschehen auch beim Berliner Droschenkutscher Gustav Hartmann, der als Eiserner Gustav im 1938 erschienenen Roman von Hans Fallada, in Verfilmungen mit Heinz Rühmann und Gustav Knuth und in diversen Sachbüchern verewigt ist. Am 11. November geht die Legendenbildung an den Ku’dammbühnen weiter, wo das an Fallada angelehnte Stück „Der Eiserne Gustav“ Premiere feiert. Gestern posierte Hauptdarsteller Walter Plathe bereits werbewirksam mit einer Droschke am Brandenburger Tor. Und zwar mit einem Zweispänner, wo doch jeder weiß, dass Gustav Hartmann seine berühmte Kutschfahrt Berlin–Paris–Berlin vom April bis September 1928 in einem Einspänner absolvierte, den nur sein treuer Fuchswallach Grasmus zog.

„Ich bin neugierig, was die draus machen“, sagt denn auch Ursula Buchwitz-Wiebach, Hartmanns Enkelin, die aus Wannsee zum Fototermin gekommen ist. Da wohnt die 89 Jahre alte, muntere Dame noch immer in dem mit einer Berliner Gedenktafel geschmückten Haus des Großvaters in der Alsenstraße. Ihr Schwung, mit Geschichten aufzuräumen, die Gustav Hartmann angedichtet werden, hat trotz jahrzehntelanger Berichtigungsroutine nicht die Bohne gelitten. Alle Leute dächten immer, der Name Eiserner Gustav stamme von der spektakulären, mehrmonatigen Tour des 69 Jahren alten Kutschers, dabei hieß der gebürtige Magdeburger schon vorher bei Kollegen so. „Weil er abends immer der Letzte vorm Bahnhof Wannsee war und auf die Fuhren vom Nachtzug wartete.“

Auch die vielfach ausgedeuteten Beweggründe der Galionsfigur der Berliner Taxifahrer, am 1. April 1928 nach Paris aufzubrechen, schnurren im Gespräch mit Buchwitz- Wiebach zusammen wie nichts. Protest eines Pferdefreundes gegen das Verschwinden der Droschken und den aufkommenden Autoverkehr? War es nicht, sagt sie. Eine Völkerverständigungsaktion zwischen den erst zehn Jahre in Frieden nebeneinander existierenden Erbfeinden Deutschland und Frankreich? Auch nicht. Oder, wie in der Tragikomödie, die Peter Lund – ehemals Neuköllner Oper, jetzt Universität der Künste – Walter Plathe auf den Leib schrieb, das verzweifelte Aufbäumen eines von Krieg, Zerfall des Kaiserreichs und Existenznot gebrochenen Mannes?

Auf keinen Fall, sagt seine Enkelin, die 15 war, als ihr geliebter Opa 1938 starb. „Der Grund war die Französin.“ Welche Französin? Na, die Reiterin aus Paris, die Hartmann eines Tages auf dem im Jahr 2000 nach ihm benannten Platz vorm Bahnhof Wannsee kennenlernte. „Was Sie als Frau können, kann ich auch“, habe er der Dame gesagt, „nächstes Jahr besuche ich Sie mit der Kutsche in Paris.“ Gesagt, getan. Unterstützung holte sich der clevere Alte beim Ullstein-Verlag, der die bald von jubelnden Menschen gefeierte Fahrt journalistisch begleitete. Hartmann, der bei Fallada und Lund übrigens Hackendahl heißt, habe vorm anstehenden Ruhestand noch mal was Dolles erleben wollen, sagt Buchwitz-Wiebach. Das hat er ja auch – das Denkmal an der Potsdamer Brücke, ein Ehrengrab auf dem Alten Friedhof Wannsee und die Legendenbildung inklusive.

Theater am Kurfürstendamm, 11. November bis 6. Januar, Karten ab 13 Euro

Gunda Bartels

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