Neue Wohnviertel: Zehlendorf baut an
Investoren wollen die Truman Plaza, das alte US-Hauptquartier und das frühere Oskar-Helene-Heim umgestalten. Nicht alle Pläne stoßen auf Wohlwollen.
Im beschaulichen Dahlem sind große Veränderungen selten. Doch jetzt ist die Clayallee im Umbruch: Investoren wollen die Truman Plaza, das alte US-Hauptquartier und das ehemalige Krankenhaus Oskar- Helene-Heim bebauen. Es geht um Wohnungen, Läden, Büros und Gesundheitszentren. Allerdings lehnen Anwohner und ein Teil der Zehlendorfer Händler speziell das Projekt Truman Plaza als überdimensioniert ab.
Für 100 Millionen Euro will die Firma Stofanel aus dem Platz des Deutsch-Amerikanischen Volksfestes eine Luxussiedlung um einen künstlichen See machen. Streitpunkte sind ein sechsstöckiges Haus für Arztpraxen und Wellness an der Ecke Argentinische Allee und 240 Meter lange Gewerbebauten an der Clayallee. Darin sind 2500 Quadratmeter für Handel sowie ein Hotel oder eine Seniorenwohnanlage geplant. „Wir sind nicht gegen Wohnungen und bessere Nahversorgung, es geht nur um die Größenordnung“, sagt Richard Röhrbein. Der frühere Potsdamer Stadtbaudirektor gehört dem Verein „Papageiensiedlung“ an, der nach den bunten Häusern der denkmalgeschützten Bruno-Taut-Siedlung benannt ist. In der frühzeitigen Bürgerbeteiligung, die gerade läuft, erhielt der Bezirk rund 70 Einwendungen. Aus Sicht der Anwohner passen die Gewerbebauten nicht zum Ortsbild mit vielen frei stehenden, niedrigeren Villen. Und die Wohnsiedlung werde – abgesehen von einem öffentlichen Weg am Rande – „abgeschottet“. Besonders stört Röhrbein und seine Mitstreiter ein 1800 Quadratmeter großer Edeka-Markt. Für Nahversorgung genügten 700 bis 800 Quadratmeter, finden sie, und sehen auch einen Biomarkt mit 400 Quadratmetern kritisch. Händler im U-Bahnhof Onkel Toms Hütte und in Zehlendorf-Mitte würden bedroht.
Die „Ladenstraße Onkel Toms Hütte“ betreut der Handelsexperte Dieter Aßhauer für die Immobilienfirma Ansorge. Aus den geplanten 215 Parkplätzen an der Truman Plaza folgert er, dass Kunden nicht nur aus der Nähe kommen sollen. In einem von Stofanel bestellten Gutachten werde der Umsatzverlust der Ladenstraße auf vier bis sechs Prozent geschätzt, was untertrieben sei. Stofanel-Vorstandssprecher Torsten Held sagt, er wünsche eine Kooperation mit der Passage und werbe niemanden ab. Aßhauer beklagt, Stofanel habe „Kontakt zu unseren Mietern aufgenommen“ und wolle seine Gewerbebauten sogar vor den Wohnungen errichten. „Deshalb hat Ansorge den Kontakt abgebrochen.“
Gelassen bleibt Thomas Hermann, Chef des Vereins Zehlendorf-Mitte-Marketing und des Optikers Obenaus am Teltower Damm. „Nahversorgung ist eine vollkommen sinnvolle Stadtentwicklung.“ Rund um den Hüttenweg sei das „Parkviertel Dahlem“ entstanden, und die neuen Projekte steigerten den Bedarf. Geschäfte in Zehlendorf-Mitte seien kaum bedroht. Größere Probleme erwartet auch er für die Ladenstraße, die zu klein und heruntergewirtschaftet sei. Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen vom Handelsverband findet: „Man sollte die Kirche im Dorf lassen.“ Es entstehe kein Shoppingcenter. Anders als ein Discounter benötige ein „Edeka“ aber große Flächen: „Qualität braucht Platz.“
Die Bürger befürchten, dass der Bau bereits im Juli genehmigt werde – vor der zweiten Stufe der Bürgerbeteiligung. Dies ist zulässig, wenn „keine relevanten Bedenken“ vorliegen. Doch dies sei reine Auslegungssache, sagt Röhrbein. Baustadtrat Uwe Stäglin (SPD) teilt die Bedenken nicht, gibt aber zu, dass die SPD das beschleunigte Verfahren „zum Teil kritisch sieht“. Bis zum Abschluss der Bürgerbeteiligung solle es keine Planreifeerklärung geben, auch ein neues Handelsgutachten sei geplant. Die maßgebliche Kraft in der BVV ist aber die CDU, die das Projekt uneingeschränkt begrüßt.
Keinen Streit gibt es um die anderen Projekte. Soeben haben die Firma Terraplan aus Nürnberg und die Prinz von Preußen Grundbesitz AG aus Bonn das alte US-Hauptquartier vom Bund gekauft. Nur das US-Generalkonsulat bleibt unberührt. Die Investoren planen 145 Wohnungen in der denkmalgeschützten Kaserne aus den 30er Jahren und in neun Neubauten mit bis zu drei Etagen. Terraplan-Chef Erik Rossnagel möchte auch Büros und „universitätsnahe“ Betriebe ansiedeln. Im alten Festsaal könne es Kulturveranstaltungen geben. Für Stadtrat Stäglin ist „der Bedarf an Wohnungen unstrittig“. Nutzungen durch den BND oder die FU waren gescheitert. Daher steht das Areal seit 17 Jahren leer – zur Freude von Filmemachern, die oft dort drehen.
Einer Geisterstadt ähnelt das ehemalige Krankenhaus Oskar-Helene-Heim. Die 1914 gegründete Orthopädieklinik wurde 1999 ins Behring-Krankenhaus integriert, an alter Stelle gibt es noch ein Ärztezentrum. Auch eine Filmfirma hat hier ihren Sitz, im Hollywoodstreifen „Flightplan“ mit Jodie Foster waren OP-Säle als Pathologiestation zu sehen. Der Liegenschaftsfonds will das Grundstück an die „OHH Entwicklungsgesellschaft“ um den Investor Jürgen Kahl verkaufen, der ein Gesundheitszentrum und Wohnungen plant. Laut Liegenschaftsfonds muss das Abgeordnetenhaus noch zustimmen. Der Wald auf Areal steht unter Landschaftschutz. Die BVV fordert, das Gelände teilweise öffentlich zugänglich zu machen.
Manche fragen sich, wie viele medizinische Nutzungen die Gegend verträgt. „Jeder zweite Investor schreit nach einem Ärztehaus“, sagt Thomas Hermann vom Zehlendorfer Marketingverein. Auch im Neubau „Zehlendorfer Welle“ an der Clayallee gibt es bereits ein Ärztezentrum.
Am heutigen Dienstag diskutiert der BVV-Planungsausschuss über die Projekte (Rathaus Zehlendorf, BVV-Saal, 17 Uhr).