Städtepartnerschaft mit Peking: Wowereit und die "Marke Berlin"
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit reist mit einer Wirtschaftsdelegation nach China, dem viertwichtigsten Handelspartner der Hauptstadt. Dort soll er die „Marke Berlin“ befördern.
Eine Städtepartnerschaft mit Peking ist in diesen Zeiten Gold wert. Man hat fast immer einen Anlass, hinzufahren, kann auf langjährige Verbundenheit verweisen, den kulturellen Austausch fördern und – scheinbar nebenbei – gute Geschäfte machen. 20 Jahre wird die Partnerschaft alt, es ist eine der aktivsten, heißt es in der Staatskanzlei.
Zum Jubiläum haben Senat, IHK und Berlin Partner ein großes Besuchsprogramm in den Metropolen Peking und Guangzhou (Kanton) im Süden gestrickt. Das gehört zur „Imagebildung“, sagt Regierungssprecher Richard Meng. Die „Marke Berlin“, weltweit bekannt, auch in China, soll weiter profiliert werden. Berlin und Peking sind die „zwei krassesten Städte des Planeten“, singen die Rapper der deutsch-chinesischen Gruppe Feichang Fresh. Die Rapper sind in China schon eine Marke. Deshalb dürfen sie mitfahren. Und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit? Er sei das „Gesicht der Marke Berlin“, sagt Meng. Muss also auch mit.
Am Montag flog der Regierende mit einer 23-köpfigen Wirtschaftsdelegation um IHK-Chef Eric Schweitzer für eine Woche nach China. Große Unternehmen wie Bombardier und Siemens sind dabei, aber auch kleinere wie In.Wendt oder Newtec. In.Wendt berät die Industrie in Sachen Energieeffizienz, Newtec bietet Lösungen beim Umweltschutz. Energiesysteme, Umwelttechnik, Elektromobilität und Verkehrslenkung sind derzeit zentrale Themen für die chinesische Regierung.
60 000 Euro kostet die Reise der Stadt, die EU legt noch mal die gleiche Summe drauf, die Unternehmen müssen ihren Aufenthalt selber finanzieren. Das ist ein vergleichsweise bescheidenes Budget für die Förderung des Berliner Außenhandels und das Werben um chinesische Investoren. 2013 exportierte die Berliner Wirtschaft Waren für 600 Millionen Euro in die Volksrepublik, importiert wurde ein Volumen von 700 Millionen Euro. China ist nach Angaben der IHK inzwischen der „viertwichtigste Handelspartner“ Berlins, hinter den USA, Frankreich und Polen, aber vor Großbritannien.
Eine Reise zur Verbesserung der Wirtschaft?
Ohne „politische Flankierung“ – so nennt man das in Fachkreisen – sei in asiatischen Ländern nur schwerlich ein Geschäft zu machen, sagen Kenner. Einer von ihnen ist Yuan Gao, Geschäftsführer von Newtec. Gao ist gebürtiger Chinese, lebt aber schon lange in Deutschland. Gao ärgert sich regelmäßig, wenn große Unternehmen aus den USA oder Frankreich Geschäftsabschlüsse in China einstreichen, mit viel politischer Unterstützung, und deutsche Mittelständler das Nachsehen haben, obwohl ihre Technik eigentlich innovativer ist. In einem Fall wollte Newtec eine Kläranlage nach Schanghai verkaufen. Als der Auftrag an einen ausländischen Konkurrenten ging, erfuhr Gao, dass es zuvor einen entscheidenden Anruf beim Bürgermeister gegeben habe. Vom Staatspräsidenten persönlich. Das wäre in Deutschland kaum denkbar.
Aber kann eine Reise mit Wowereit wichtige Türen öffnen? Firmen wie Siemens oder Bombardier brauchen das gar nicht, sie sind seit Jahrzehnten in China aktiv. Dennoch fahren sie mit, um ihren Geschäftspartnern so etwas wie Wertschätzung zu bekunden – etwa durch eine Einladung zum Empfang beim deutschen Botschafter. Dieses Bankett fand Dienstagabend statt, mit diversen Kulturhäppchen aus Berlin. Auch fürs Berlin-Image sind die Global Player wichtig, denn sie zeigen, dass Berlin seine alte Rolle als Industriestadt langsam wieder zurückerobert. Darauf weist Julia Eckey hin, die für die IHK die Reise vorbereitet hat. Es ist die achte Reise mit Wowereit und einem Tross von Wirtschaftsmanagern. Ziel dieser Reisen seien fast immer asiatische oder arabische Länder, sagt Eckey. Dort ist die Wirtschaft eng mit staatlichen Ebenen verbunden.
Milliardenschwere Verträge bleiben vorerst aus
Im Westen brauche man solche Reisen nicht. In Peking und Guangzhou wird es jeweils eine Wirtschaftskonferenz geben, auf der Kontakte geknüpft und Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet werden können. Zusätzlich sind Firmenbesuche und Veranstaltungen für Investoren geplant, die sich für den Standort Berlin interessieren. In beiden Städten haben sich dafür insgesamt 100 Teilnehmer angemeldet, mit dieser Resonanz ist Berlin-Partner-Chefin Melanie Bähr sehr zufrieden. „Der Vorteil Berlins ist, dass es hier einen direkten Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern gibt. Das ist den Chinesen sehr wichtig.“ In Berlin sind bislang rund 50 chinesische Unternehmen ansässig.
„China ist ein berechenbarer Partner“, sagt Bombardier-Chef Michael Clausecker, „und vor allem ein potenter“. 2014 würden dort rund 90 Milliarden Dollar in das Transportwesen investiert, in Deutschland voraussichtlich vier Milliarden. Während Bombardier früher komplette Züge nach China exportierte, gehe es heute eher um Joint Ventures und Ingenieurleistungen. Die Produktion finde ohnehin vor Ort statt.
Dass im Beisein Wowereits milliardenschwere Verträge unterzeichnet werden, sei nicht zu erwarten, sagt Julia Eckey. Frühestens nach zwei Jahren könne man das Ergebnis solcher Reisen konkret bemessen. Yuan Gao immerhin hofft auf eine „Absichtserklärung“ eines chinesischen Staatskonzerns über ein gemeinsames Projekt. Gao würde in Peking gerne eine „künstliche Lunge“ gegen den ätzenden Smog installieren. Die Idee: mit technisch erzeugtem Spezialnebel die verschmutzte Luft reinigen.