zum Hauptinhalt
Blumen zum Muttertag
© dpa / picture alliance

Muttertag in Berlin: Wo sind Frühstückstablett und geklauter Flieder hin?

Braucht Berlin den Muttertag? Und wenn ja, was macht man da, außer die Mama in den Hamam schicken? Das Restaurant „Mutter Berlin“ und die Rockband „Mutter“ sind eher keine Option. Ist der Muttertag in der Hauptstadt der Alleinerziehenden zum Omatag verkommen? Eine Spurensuche.

Muttertag. Geht uns das was an hier in Berlin? Und haben nicht Bionade-Eltern und Familiengeld längst das Ende dieses seit der Nazizeit immer noch etwas anrüchigen Themas herbeigeführt? Am besten versuchen wir gar nicht erst, das Problem ohne Google zu lösen. Sogleich schwappt die Seite von „Visit Berlin“ nach oben, das sind dynamische Modernisierer im Staatsdienst, die müssen das wissen.

Der Muttertag in Berlin, diesen Anschein erweckt man dort, ist eine Art Wellness-Feiertag, zu dem man die Betreffende in die nächste Sauna schickt, gern auch allein. Denn der Hamam, der dort empfohlen wird, ist nur für Frauen – „perfekt, um in Ruhe gemeinsam den Muttertag zu genießen“.

Gemeinsam? Wie jetzt? War da nicht mal was mit Kindern, die der Mutter die Rama-Brote nebst dampfender Jacobs Krönung ans Bett bringen und den im Park geklauten Flieder trocken in die Bodenvase stopfen? Mit dem Vater, der ausnahmsweise die Geschirrspülmaschine selbst bestückt und sich erst dann wieder ölig schmunzelnd hinter der Zeitung versteckt? In der Hauptstadt der Alleinerziehenden ist das offenbar nicht mehr so ganz aktuell – vor allem möchte die Eventkultur auf sich aufmerksam machen und erreichen, dass der ganze sentimentale Klimbim ertragsstiftend in ihren Händen landet.

Der Brunch - die Allzweckwaffe

Allen voran natürlich die Restaurants. Generell scheint der Brunch als Allzweckwaffe zu gelten, gern angepriesen mit dem Nachsatz „Damit Mutti sich hinterher um den Abwasch keine Gedanken machen muss.“ Die häkeldeckchenhafte Betulichkeit solcher Sätze legt den Verdacht nahe, dass der Muttertag in Berlin längst heimlich zum Omatag umgeschaltet wurde, dessen Zugangsberechtigung die Mutter erst im Rentenalter erreicht. Endlich Zeit für Dampferfahrt, Kännchennurdraußen und einen finalen Eierlikör!

Das Restaurant „Mutter Berlin“ müsste eigentlich der perfekte Ort dafür sein, richtig traditionell mit dampfendem Sonntagsbraten plus Knödel oder Spargel bis zum Abwin… Ach, das ist ein Thai-Restaurant, na gut, so kommen wir nicht weiter. Und es heißt auch das ganze Jahr so.

Die Mutterrolle scheint also nicht nur in der Familie zu schillern, sondern auch in der Gastronomie. Aber hier, Mutter Hoppe, das ist noch was ganz Althergebrachtes, sogar mit Musik schon auf der Website: „Bei Mutter Hoppe, da jibts die Stulle frisch vom Hahn....“ Ja, das ist die dienende Mutter in ihrer traditionellen Rolle als Lebensspenderin und Trösterin hinter der Theke, da haben außenstehende Mütter nur dann Platz, wenn sie sich gepflegt abschießen wollen, und das macht man zum Muttertag nicht.

Der Kampf um den Muttertag ist entschieden

Langsam dämmert, dass an diesem Tag schon wieder das alte Ost-West-Ding rüberschaut. Denn der Muttertag, erfunden von der amerikanischen Methodistin Anna Marie Jarvis im Jahr 1907 zum Gedenken an alle verstorbenen Mütter, fiel ja alsbald unter das Wolfsgesetz des Kapitalismus, speziell das der Blumenindustrie – die Schöpferin selbst versuchte später erfolglos, das kommerzialisierte Monster wieder abzuschaffen. Dann montierten die Nazis die Idee an ihre verbohrte Familienideologie.

Klar, dass der Sozialismus, als er denn dran war, diesem rückständigen Frauenbild den Frauentag in den Weg stellte als Symbol der werktätigen Arbeiterbäuerin, deren sehnige Faust nicht für zehn Tulpen in Glanzpapier konstruiert war, wenngleich sie weiterhin allein das Muttiheft zu beaufsichtigen hatte. Dieser Kampf zweier Linien ist 25 Jahre nach der Wende im Sinne der friedlichen Koexistenz beendet: Der Muttertag hat kommerziell gewonnen, der Frauentag politisch.

Zur musikalischen Begleitung lassen wir jetzt noch rasch die Berliner Rockband „Mutter“ auftreten. Sie ist 29 Jahre alt, darf also als schlüssiger Beleg gelten. Nur wofür? „Gepflegter Weltekel für die ganze Familie“ schrieb ein Kollege im vergangenen Jahr nach einem Auftritt. Familie, okay, aber Ekel? Nein, dann schalten wir doch lieber wieder auf Wellness-Musik um.

Zur Startseite