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Baustelle am Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER).
© Patrick Pleul/dpa
Update

Die Mängelliste wird kürzer: Wo es jetzt noch hakt auf der BER-Baustelle

Die Entrauchungsanlage wurde vom TÜV genehmigt. Der Flughafenchef verspricht, dass die Eröffnung 2020 kommen wird. Ende gut, alles gut? Ein Überblick.

Am BER lösen sich Alarm- und Erfolgsmeldungen ab. So verkündete Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup jetzt, dass die Entrauchungsanlage, die früher als Hauptproblem galt, vom TÜV abgenommen wurde: „Das Monster ist final gezähmt.“ Auf der anderen Seite hat der TÜV in Prüfberichten auf gravierende Baumängel an Kabeltrassen der Brandschutzsysteme, nicht zugelassene Dübel und nötige Umbauarbeiten hingewiesen. Verkehrsminister Andreas Scheuer fordert zudem einen Plan B, falls sich die Eröffnung noch einmal verschiebt. An diesem Mittwoch wird im Bundestag der Verkehrsausschuss unter Vorsitz von Cem Özdemir (Grüne) Lütke Daldrup und Vertreter der großen Baufirmen befragen. Ein Überblick, wie es um Deutschlands Schreckensbaustelle tatsächlich steht.

Falsche Alarme bei Brandmeldeanlage

Die Entrauchungsanlage funktioniert, diese Hürde ist genommen. Das „Monster“, das Siemens neu programmiert hat, galt allerdings schon länger als unproblematisch für den BER-Start 2020. Im Gegensatz zur Brandmeldeanlage, die die Firma Bosch errichtet und immer noch nicht richtig funktioniert. Dabei sollte sie schon im Sommer 2018 fertig sein, dann am 8. Februar, dann am 29. März 2019.

Vergangene Woche kündigte Lütke Daldrup an, dass es nun im Juni/Juli soweit sein soll. Es ist das „Gehirn“ der automatischen Brandschutztechnik. In fünf separaten Meldezentralen laufen die Meldungen von 16.849 Brandmeldern ein. Alle wurden noch einmal ausgetauscht, für 1,6 Millionen Euro, „aufgrund der Tatsache, dass ca. 90 Prozent die zulässige Nutzungsdauer von acht Jahren erreicht haben“, wie es im Auftrag von 2018 heißt.

Es ist ein neues Beispiel dafür, dass der BER quasi mehrmals gebaut wurde, für die Firmen ein gutes Geschäft. Bosch hatte 2009 den Zuschlag für Brandmeldeanlage und Sicherheitstechnik für rund zwölf Millionen Euro erhalten. Bis 2018 hatte sich dieser Auftrag auf 66,4 Millionen Euro vervielfacht – vor allem durch Nachträge seit der geplatzten Eröffnung 2012, durch Abrechnungen auf Stundenbasis.

Voriges Jahr hatte Lütke Daldrup mit Bosch einen Pauschalvertrag abgeschlossen, der auch Strafzahlungen bei gerissenen Terminen vorsieht. Eine Auskunft, wie viel Bosch zahlen muss, lehnt er ab, Geschäftsgeheimnisse.

Nach Tagesspiegel-Informationen war nach der 11. Ergänzungsvereinbarung mit Bosch vom 4. Mai 2018 eine Strafe von 30.000 Euro pro Tag Verzug nach dem 8. Februar 2019 zu zahlen, „maximal aber 1 Million Euro.“ Mit derselben Vereinbarung war der Gesamtauftrag für Bosch um rund 20 Millionen Euro auf 87 Millionen Euro erhöht worden.

Es findet sich auch dieser Passus: „Die Parteien sind sich einig, dass wesentliche Leistungsänderungen oder Zusatzleistungen wie etwa ein erneuter wesentlicher Umbau des FGT nach einer Teilinbetriebnahme des BER ohne FGT, nicht einseitig angeordnet werden können.“ FGT steht für Fluggastterminal. Offiziell hat die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) jedwede Forderungen nach einen „Plan B“ zurückgewiesen.

Steigendes Bausoll bei Brandschutzkabeln

Hauptproblem am BER bleiben Kabel und Kabeltrassen, für die die Firma ROM verantwortlich ist, Nachfolgerin der insolventen Imtech. „Bausoll steigt an“, so eine aktuelle interne FBB-Unterlage vom Mai 2019. „Die Abarbeitungsgeschwindigkeit der Mängel ist immer noch nicht im erforderlichen Zeitkorridor.“

Es geht dabei nicht um normale Kabel zu 08/15-Steckdosen in Räumen, sondern um Sicherheits–Brandschutzleitungen. Vorgeschrieben ist dort etwa ein „Funktionserhalt“, wonach diese auch im Brandfall 90 Minuten weiter funktionieren müssen. Der TÜV Rheinland hatte bei Kabeln in seinem 23. Bericht vom 8. März 2019 mehr als 11.000 Mängel aufgelistet, davon 9357 „wesentliche Mängel“. Zitat: „Das Abstellen dieser Mängel... ist mit einem möglicherweise hohen personellen Aufwand, aber auch mit einer Vielzahl von Rückbauten verbunden.“

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Der TÜV und die Baubehörden sind der Flughafengesellschaft entgegengekommen – sonst wäre der BER-Start im Oktober 2020 schon geplatzt. Damit die Wirk- und Prinzipprüfungen (WPP) der Systeme starten können, müssen vorher nun nicht alle Mängel abgestellt sein, sondern die schwersten der „Priorität 1“, jene, die die Funktionsfähigkeit der Anlagen beeinträchtigen.

Das waren, Stand Anfang Mai, rund 300 Mängel. Und das Gros? Für überbelegte Kabeltrassen, zusammen verlegte Stark- und Schwachstromleitungen, fehlenden Funktionserhalt, läuft eine Verlängerung: Arbeiten sollen sogar nach der für Oktober 2019 angekündigten Abgabe der „Baufertigstellungsanzeige“ möglich sein – also parallel zu den Behördenabnahmen.

Warum der Start 2020 auf der Kippe steht

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup versucht bei öffentlichen Auftritt jedwede Zweifel zu zerstreuen, dass die nächste Verschiebung droht: „Der Flughafen wird im Oktober 2020 eröffnet.“ Das wird er auch im Bundestag wiederholen. Er verweist darauf, dass man „im Korridor“ des Terminplans für 2020 und seiner eingeplanten Reserven sei, der damals im Dezember 2017 beschlossen worden war.

Als Beleg zeigt Lütke Daldrup Auszüge aus der damaligen Vorlage für den Aufsichtsrat, wo die Termincontroller der Firma RKS in ihrem Szenario B den Start der Wirk- und Prinzipprüfungen für August 2020 erwartet hatten, einen Start im Oktober 2020 dennoch für möglich hielten. Was er nicht sagt: RKS, damals am skeptischsten, ging bei diesem Szenario davon aus, dass die Kabelanlagen im Mai 2019 mängelfrei und vom TÜV abgenommen sind.

Das zieht sich nun womöglich ins Jahr 2020 hin. Die Wirk- und Prinzipprüfung (WPP), die jetzt im August 2019 beginnen soll, sollte nach damaligem Plan im Juli 2019 abgeschlossen sein. Und nach Start der WPP wurden damals noch 14 Monate bis zur BER-Eröffnung kalkuliert – da wäre man im Dezember 2020.

Wie die Lage wirklich aussieht, gab Lütke Daldrup in einer internen Erklärung gegenüber den Eignern, also Berlin, Brandenburg und dem Bund, am 4. April präzise zu Protokoll: „Die ursprüngliche Sicherheit des Eröffnungstermins im Oktober 2020 kann heute nicht mehr uneingeschränkt garantiert werden.“

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