Ladenöffnungszeiten: Wirtschaftssenatorin für Sonntagsverkauf in Spätis
Sybille von Obernitz schlägt eine Gesetzesänderung zugunsten inhabergeführter kleiner Geschäfte vor. Auch der zuständige Stadtrat in Pankow will den Spätis helfen – noch aber verhängt das Ordnungsamt dort Bußgelder.
Das Schreiben des Ordnungsamts Pankow klingt streng: Spätverkaufsbetreiber Vadim Golovanov sei „nicht willens oder in der Lage, sich an geltende Vorschriften zu halten“. Die sonntägliche Schließung seines Ladens an der Schönhauser Allee werde amtlich angeordnet, drohte die Behörde an. Außerdem wurden Bußgelder in Höhe von je rund 1000 Euro gegen den gebürtigen Russen und eine Mitbetreiberin verhängt. Ganz andere Töne kamen dagegen am Montag von Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU): Das Ladenöffnungsgesetz solle geändert werden, um die sogenannten Spätis zu retten. Dafür wolle sie sich mit Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) und Vertretern der rot-schwarzen Koalition „an einen Tisch setzen“.
Der „entscheidende Punkt“ sei es, die Öffnung an Sonn- und Feiertagen auf inhabergeführte Läden zu beschränken, sagte von Obernitz auf Nachfrage. Hinsichtlich der Details wolle sie „den Gesprächen nicht vorgreifen“. Der Vorstoß basiert auf Anregungen des Pankower Stadtrats Torsten Kühne (CDU). Er will „inhabergeführten Kleinverkaufsstellen“ erlauben, sonntag- und feiertags von 13 bis 20 Uhr „Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“ zu verkaufen – ähnlich wie in Bahnhofsläden.
Dennoch geht das Ordnungsamt, das zu Kühnes Ressort gehört, gegen mehrere Spätis vor. Es sieht sich dazu gezwungen, weil ein Bürger 48 Händler angezeigt und das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) die bisherige Praxis im Frühjahr verschärft hatte. Laut dem Gerichtsbeschluss dürfen sonntags nur Läden öffnen, die grundsätzlich ein beschränktes Sortiment haben. Bis 16 Uhr können Blumen, Backwaren, Milchprodukte und Zeitschriften verkauft werden. Bis 20 Uhr darf es Reisebedarf wie Andenken, Stadtpläne und „Lebensmittel zum sofortigen Verzehr“ geben.
Doch das Sortiment der Spätis ist größer. Bei Vadim Golovanov gibt es Katzenfutter, Schuhputzcreme, Waschmittel und Shampoo. Früher habe man diese Waren sonntags abgedeckt, sagt der 47-Jährige. Ohne Sonntagsöffnungen könne sein Laden „gar nicht überleben“. Werktags, wenn auch Supermärkte lange öffnen, mache er kaum Umsatz. Schon mehrmals hatte Golovanov Bußgelder gezahlt und dann doch sonntags weiter geöffnet.
Rund 1000 Spätis gibt es in Berlin
Tankstellen hingegen dürfen rund um die Uhr ein breites Sortiment verkaufen. „Diese Ungleichbehandlung ärgert uns“, sagt Rechtsanwältin Sandra Heuser, die Golovanov und andere Betroffene vertritt. Diese gründeten die „Interessengemeinschaft der Kiez-Kioske“, fordern die Gleichstellung mit Tankstellen und sammeln dafür Unterschriften. Allein in einem Späti hätten bisher mehr als 1000 Kunden unterzeichnet, sagt Heuser.
Golovanov betont: „Ich zahle Steuern und schaffe Jobs.“ Er ist auch Mitbetreiber eines Spätis am Kollwitzplatz, es gibt eine Handvoll Mitarbeiter. Der Chef findet es absurd, dass er sonntags „keine Zahnbürste an Touristen aus dem benachbarten Hotel Zarenhof“ verkaufen darf und eine Mutter abweisen musste, die Butter und Eier zum Backen suchte.
Eine Freigabe des Sonntagsverkaufs für alle Geschäfte will die Initiative nicht. Den Grund nennt der Berliner SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck: Dann dürften Supermärkte sonntags öffnen, „was den Konkurrenzdruck noch verstärken würde“. Langenbrinck unterstützt Spätverkaufshändler in seinem Wahlkreis Neukölln und will das Thema im Parlament zur Sprache bringen.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte unterdessen in Interviews, Händler sollten „selbst entscheiden, wann sie ihre Geschäfte öffnen wollen“. Sein Ministerium teilte mit, seit der Föderalismusreform 2006 lägen die Ladenöffnungszeiten allerdings „in der Verantwortung der Länder“. Außerdem seien die „verfassungsrechtlichen Vorgaben“ zu beachten. Denn 2009 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, der Verkauf an Sonn- und Feiertagen sei nur ausnahmsweise zulässig.
Branchenkenner gehen von etwa 1000 Spätis in Berlin aus. Manche Bezirke sehen die Lage entspannt: „Bei uns gibt es kein Problem“, sagt der Charlottenburg-Wilmersdorfer Stadtrat für Stadtentwicklung und Ordnungsangelegenheiten, Marc Schulte (SPD). Nur wenn sich konkurrierende Händler beschwerten, müsse das Ordnungsamt reagieren. Von sich aus starte man „auf keinen Fall Razzien“, zumal „wir dafür nicht die Leute haben“. Nur bei Alkoholverkauf an Minderjährige hört für Schulte „der Spaß auf“.
Cay Dobberke
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